Vor 1900 wurden nur wenige Angelrollen in Deutschland gebaut. Die meisten Modelle – von der kleinsten Messingrolle über Multis bis zur großen Holzrolle – wurden importiert, vor allem aus England und den USA.
Hersteller waren Weltfirmen wie Allcock, Milbro, Meisselbach, Hendryx, Pflueger oder Gayle. Alle deutschen Firmen hatten zum Ende des 19. Jahrhunderts zu ca. 70 Prozent diese Exportware im Angebot, oft wurden diese Rollen als eigene Produkte ausgegeben und sogar mit Störchen, Ottern und Ziegenböcken gepunzt.
Heute möchte ich euch ein kleines Messingröllchen vorstellen, eine amerikanische „raised pillar reel“, die so um 1890-1900 von einem Brennereibesitzer am Oberrhein und seinen Zuflüssen gefischt wurde. Die Rolle ist unter dem Fuß mit „Pat.Nov.24.85.“ gemarkt und lässt sich deshalb eindeutig als amerikanische Rolle der Firma John Kopf aus Brooklyn, New York bestimmen. Das Patent bezieht sich auf die besondere Befestigung des Fußes, der nur an den beiden unteren Stegen festgeklemmt wurde. Solche Rollen aus vorgefertigten Stanzteilen und ohne Schrauben ließen sich besonders preiswert produzieren. Sie wurden nur zusammengesetzt und mit einem Hämmerchen vernietet.
Bayer in New York
John Kopf wurde 1857 in Bayern geboren, hieß wohl bei Geburt noch Johann und war Sohn von George und Apelona Kopf (wohl ursprünglich Georg und Apolonia). Nachdem John in die USA ausgewandert war, arbeitete er dort bei einem Uhrmacher. Ab 1883 produzierte er in Brooklyn in seiner eigenen Firma bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1900 Angelrollen, einfache und auch sehr hochwertige Exemplare. Er meldete als Ingenieur verschiedene Patente dazu an.
Seine amerikanischen Rollen tauchen zu dieser Zeit auch in deutschen und englischen Katalogen auf. Etwa die berühmte „Eureka“ (Patent 1884), die auch zu dieser Zeit in den Katalogen von Stork und Allcock abgebildet ist. Stork gibt sie unverhohlen als eigene Erfindung aus. Durch seine deutsche Herkunft konnte Kopf sicher besonders einfach Kontakt mit deutschen Angelgerätefirmen aufnehmen, es gab keine Sprachbarrieren, vor allem nicht nach Bayern. Eventuell hatte er als Junge auch bei einem bayrischen Angelgerätehersteller das Handwerk gelernt, wer weiß?
Ich konnte die Kopf-Rolle von 1885 noch in keinem deutschen Katalog finden, obwohl sie eindeutig in der südwestdeutschen Region damals verkauft wurde, denn sie wurde in Rastatt an Murg und Rhein gefischt. Wer weiß mehr? Infos an thomas.kalweit@paulparey.de
Ebenfalls interessant: Viele heute berühmte amerikanische Angelgerätehersteller hatten ihre Wurzeln in Deutschland: Edward vom Hofe stammte aus dem Sauerland, Otto Zwarg aus Berlin, Ernst Pflueger wurde in Baden-Baden geboren. Auch Augustus Meisselbach hatte deutsche Vorfahren. Schon 1906 brachten die Deutschstämmigen Carl Heinzerling, Henry Dills und George Schulthess den ersten richtigen Wobbler mit Tauchschaufel in den USA auf den Markt. Diese Firmen mit deutschem Ursprung haben damals auch besonders gerne wieder deutsche Einwanderer eingestellt.