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Schleswig-Holstein: Rückkehr der Otter

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Otterweibchen „Fie“ wurde verwaist in Dänemark gefunden. Sie wird trainiert, um mehr über das Hörvermögen von Ottern zu lernen. So sollen Vergrämungsmethoden entwickelt werden. Bild: ITAW

Ein länderübergreifendes Projektteam untersucht das Konfliktpotenzial zwischen Fischotter, Fischereiwirtschaft und anderen Artenschutzprojekten in Schleswig-Holstein.

Der Fischotter (Lutra lutra) war in Deutschland nahezu ausgerottet, breitet sich seit einigen Jahren aber wieder aus – und sorgt damit für Freude auf Seiten des Artenschutzes, aber auch für Konflikte mit der Fischereiwirtschaft. Das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur in Schleswig-Holstein (MEKUN) fördert am Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) ein Kooperationsprojekt, um erstmals wissenschaftlich zu erarbeiten, wie groß das Konfliktpotential um den Fischotter tatsächlich ist. Das Projekt soll einen Beitrag zum ganzheitlichen Artenschutz leisten, der eine langfristige, friedliche Koexistenz zwischen Otter und Mensch in unserer Kulturlandschaft zum Ziel hat.

Fressen bedrohte Fischarten in großen Stückzahlen

In Schleswig-Holstein wurden Otter mittlerweile in allen Landesteilen nachgewiesen. „Was aus Sicht des Natur- und Artenschutzes erfreulich ist, bereitet der Teichwirtschaft mitunter ernsthaft Sorge“, erklärt Simon Rohner aus dem ITAW. „Fischotter sind äußerst geschickte Jäger, die natürlich auch Zuchtfische als Teil ihrer Beute ansehen.“ Die Tiere stehen zudem im Verdacht, bedrohte wildlebende Fischarten in großen Stückzahlen zu fressen. Solche Fische werden in der Regel aufwendig und kostenintensiv in Gefangenschaft nachgezüchtet und dann wieder in natürliche Gewässer eingesetzt.

Wildkameras an Fischzuchtanlagen

Um dem sehr heimlich lebenden Otter auf die Spur zu kommen, setzen die Forschenden eine breite Palette Methoden und modernste Technik ein. So installierten sie bereits im vergangenen Jahr systematisch über hundert Wildtierkameras in den Projektgebieten, um die Aktivitätsmuster der eher nachtaktiven Tiere genau unter die Lupe zu nehmen. Als Standorte für die Kameras wählten sie Fischzuchtanlagen, die regelmäßig von Ottern aufgesucht werden sowie naturnahe Otterhabitate aus. Das Forschungsteam wird diese ursprünglichen Lebensräume mit ihren natürlichen Otterdichten mit den Fischzuchten, von denen man weiß, dass sie Otter in sehr hohen Anzahlen anlocken können, vergleichen. Zusätzlich werden sie sich das Ottervorkommen an bestimmten Flussabschnitten während der Laichzeit der geschützten Meerforelle (Salmo trutta) anschauen. „Die dann auftretenden größeren Fischansammlungen könnten ebenfalls anziehend auf den Fischotter wirken“, erklärt ITAW-Leiterin Professorin Dr. Ursula Siebert.

Verräterische Fischknochen im Otterkot

Zusätzlich sammeln die Forscherinnen und Forscher in den Gebieten aufwändig Kotproben der Fischotter. Anhand winziger Knochen, wie Gehörsteinchen von Fischen, können sie die Beutetiere in der Otterlosung artgenau identifizieren. In späteren Untersuchungen werden sie mittels solcher Hartbestandteile Längen und Gewichte der Beutetiere ermitteln, um die insgesamt gefressene Biomasse zu bestimmen. Gleichzeitig erlauben hochspezialisierte genetische Methoden den Nachweis von Tierarten, von denen keine Knochen mehr im Kot zu finden sind. Das Team der Abteilung Evolutionsbiologie/Spezielle Zoologie der Universität Potsdam arbeitet zudem daran, anhand kleinster Teile aus diesen Kotproben den genetischen Fingerabdruck des jeweiligen Fischotters per DNA-Untersuchungen zu ermitteln. So kann das Team abschätzen, wie viele Tiere sich tatsächlich in den jeweiligen Gebieten aufhalten.

Akustische Vergrämung

In der Meeresfischerei wurden in der Vergangenheit bereits Methoden entwickelt, um Tiere mit speziellen akustischen Signalen zu vergrämen. Das Ziel war, den unerwünschten Beifang von Robben oder Walen zu verhindern. Diese an Fischernetzen angebrachten Geräte senden Töne aus, die für die Tiere unangenehm sind und sie von den tödlichen Netzen fernhalten sollen. Die Wirksamkeit solcher Geräte hat sich mehrfach als erfolgreich erwiesen. Um solch eine Methode erfolgreich einsetzen zu können, muss das Hörvermögen der jeweiligen Tierarten über und unter Wasser gut bekannt sein. Zusammen mit Forschenden der Süddänischen Universität (SDU) wird das Team an der TiHo daher mit in Gefangenschaft lebenden Ottern Tests zu ihrem Hörvermögen durchführen. Dies ist für die Tiere harmlos und Bestandteil ihres gewohnten Trainings, hat jedoch für den Schutz ihrer wildlebenden Verwandten eine weitreichende Bedeutung. Im vergangenen Jahr wurde in Dänemark ein verwaister Fischotterwelpe aufgefunden und in menschlicher Obhut großgezogen. Die Otterfähe „Fie“ wird nun spielerisch trainiert, um künftig die so wichtigen Studien über das Hörvermögen im Projekt zu unterstützen. Gemeinsam mit dem Forschungsteam und den Fischzuchtbetreibenden wird „Fie“ dabei helfen, den Einfluss des Fischotters auf Fischfarmen und bedrohte Fischarten zu entschlüsseln. „So möchten wir unseren Teil dazu beitragen, langfristig mögliche Lösungsansätze entwickeln, die ein friedliches Miteinander von Mensch und Tier gewährleisten können“, sagt Rohner.

-Pressemitteilung Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover/idw-

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