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Großes Fischsterben: Trauriger Tag der Fische

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Fischsterben
Ergebnis eines Kescherzuges: Hunderte erstickte Stichlinge aus dem Fluss Bade bei Zeven. Bild: Ralf Gerken (AVN)

Nordwestdeutschlands vielleicht größtes Fischsterben seit Jahrzehnten! Der jährliche Tag der Fische am 22. August soll an bedrohte Fische und deren Schutz erinnern. Das Anliegen könnte in Niedersachsen aktueller kaum sein: Seit den Starkregenfällen in den letzten Wochen, gibt es vor allem im Nordwesten ein Fischsterben, dessen Ausmaß historisch sein könnte.

Der Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN) ist vor Ort, um sich ein übergeordnetes Bild der Lage zu machen und Angelvereine bei der Schadensermittlung zu unterstützen. Der Landesfischerei- und Naturschutzverband fordert die Landkreise und Landesbehörden aber auch zur Aufklärung der Ursachen auf, damit eine Wiederholung der dramatischen Szenen verhindert werden kann.

Tödlicher Rekord: 0,000 Milligramm Sauerstoff pro Liter Wasser

Wasser wie Cola: Dunkel mit Schaum. Nur, dass die Brühe sich nicht in einem Glas, sondern in einem Flussbett befindet. Die Bade im Landkreis Rotenburg (Wümme) hatte sich nach umfangreichen Renaturierungsmaßnahmen in den letzten 10 Jahren zu einem naturnahen und artenreichen Vorzeigeflüsschen im Naturschutzgebiet Ostetal entwickelt. Nun ist sie mit einem Sauerstoffgehalt von nahezu null Milligramm pro Liter ein Massengrab für Fischarten wie Bach- und Meerforelle, Bitterling, Groppe, Flussneunauge aber auch für Großmuscheln und endlos viele Kleintiere.

Fischsterben durch Starkregen

Hart betroffen vom Fischsterben sind auch andere Flüsse und Landkreise, wie der Oberlauf der Oste, die Hamme im Landkreis Osterholz, die Aue-Mehde bei Zeven, die Walbeck bei Bremervörde oder die Aue im Landkreis Cuxhaven, wobei das tatsächliche Ausmaß der Umweltschäden derzeit nur schwer abzuschätzen ist. Die Ursachen für das Fischsterben sind nicht abschließend geklärt. Deutlich ist nur, dass sie mit dem Starkregen der letzten Wochen, großflächig überschwemmten Grünlandflächen sowie massiven Gärungsprozessen zu tun haben.

Überschwemmtes Grünland
Vergorenes Wasser aus tagelang überfluteten Grünlandflächen - Angler und Wasserbehörden sind sich einig, dass hier eine der Hauptursachen für die aktuelle Umweltkatastrophe zu suchen ist. Bild: Ralf Gerken (AVN)
Schwarz wie Cola und mit fauligem Gestank: Eine Wasserprobe aus einem zuvor glasklaren Forellenbach des Angelvereins Badenstedt. Bild: Ralf Gerken (AVN)

Ralf Gerken vom Anglerverband Niedersachsen ist seit dem 14. August in der Region unterwegs – nachdem ihn ein Anruf eines verzweifelten Angelvereins, der Fische sterben sah, erreichte. Hier misst er gemeinsam mit ansässigen Angelvereinen unermüdlich Sauerstoff, zieht Wasserproben, die er den Landkreisen zuarbeitet, prüft die Lage, spricht einige Warnungen, mancherorts aber auch Entwarnungen aus.

Größtes Fischsterben im Nordwesten

Traurigster Rekord: 0,000 Milligramm Sauerstoff pro Liter Flusswasser wurde vom Angelverein Zeven in der Aue-Mehde bei Wehldorf gemessen. Aber auch eine Sauerstoffkonzentration von 0,007 mg/L im Oberlauf der Oste, die Gerken bei Sittensen registriert hatte, sind für Wassertiere absolut tödlich. Seine wichtigste Botschaft: „Wir müssen jetzt Hin- und nicht Wegschauen. Trotz etlicher Gülleunfälle und anderer Gewässerverschmutzungen habe ich solche verheerenden Sauerstoffdefizite im Wasser innerhalb meiner über zehnjährigen Verbandsarbeit nicht erlebt.“ Und dann resümiert der Gewässerexperte: „Was wir in den letzten Tagen erlebt haben, ist vielleicht das größte Fischsterben in Nordwestdeutschland in den letzten Jahrzehnten. Bisher haben wir Dutzende Kilometer tote Bäche und Flüsse identifiziert.“

Hinschauen hilft!

Tatsächlich sind es oft Angelvereine, die Fischsterben bemerken. Denn das Sterben unter Wasser geht geräusch- und teils auch spurlos vonstatten. Jedenfalls wenn man es nicht versteht, die Spuren zu lesen. Aufgeschwemmte weiße Fischbäuche, die an der Oberfläche schwimmen, sind in der Regel nämlich nur die Spitze des Eisbergs. Fischfachmann Ralf Gerken weiß, dass tote Fische oft auf den Gewässergrund sinken und dort zersetzt werden. Momentan ist das Wasser vielerorts zudem so trübe, dass Kadaver kaum sichtbar sind. Was Angelvereine, wie der ASV Badenstedt-Bademühlen e.V., derzeit jedoch vielerorts bemerken, sind notatmende Fische: Also Tiere, die an die Wasseroberfläche kommen, um dort in letzter Verzweiflung Luftsauerstoff zu atmen. Gesichtet wurden sogar Aale, die aus lauter Atemnot aus dem Wasser auf umliegende Wiesen flüchteten: Aale können kurze Strecken über Land wandern. Doch wird diese erstaunliche Fähigkeit die ohnehin schon bedrohten Fische diesmal wohl kaum retten können.

Große Schaumberge auf dem Fluss Bade.
Große Schaumberge statt klarer Forellenbach: Die Bade im Naturschutzgebiet Ostetal bei Zeven. Bild: Ralf Gerken (AVN)
Fischsterben
Eines von wahrscheinlich Hunderttausenden Opfern: Eine erstickte Bachforelle aus dem Flüsschen Bade. Bild: Ralf Gerken (AVN)

Weil aktuell nicht abschließend geklärt ist, welche Faktoren zu diesem unerwartet starken Fischsterben geführt haben, fordert der Präsident des Anglerverbandes Werner Klasing eine lückenlose Aufklärung dieser überregionalen Umweltkatastrophe. Landkreisübergreifend müsse nun geklärt werden, warum die vielerorts herbeigesehnten Regengüsse und die daraus resultierende Staunässe auf Grünlandflächen – die früher im Sommer Gang und Gäbe waren – plötzlich für unsere Gewässer toxisch werden konnten. Nur so kann eine Wiederholung gleichartiger Katastrophen an den gleichen oder ähnlichen Orten in Niedersachsen möglicherweise verhindert werden.

Unterstützung für Angelvereine

Ralf Gerkens Mission in Niedersachsens Nordwesten wird wohl noch eine Weile weitergehen. „Unsere Angelvereine sind wichtige Natur- und Artenschützer die sich vielerorts mit erheblichem finanziellem und zeitlichem Aufwand für den Erhalt bedrohter Gewässerlebensräume einsetzen. Auch in die Wiederansiedlung gefährdeter Fischarten wie Lachs, Meerforelle oder Aal wurde in den geschädigten Regionen erheblich investiert,“ erklärt der Experte. Die Biologen des Anglerverbandes helfen den Angelvereinen nun bei der Schadensermittlung. Betroffene Vereine können sich melden.

-Pressemitteilung Anglerverband Niedersachsen-

Null Sauerstoff: Die Messungen der Angler dokumentieren die verheerenden Auswirkungen des Fischsterbens, hier in der Aue-Mehde bei Zeven. Bild: Florian Präger
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