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Optimale Meeresbedingungen in Braunschweig

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Durch ein großes Unterwasserfenster können die Forscherinnen und Forscher wie bei einem Aquarium in den neuen Wellenkanal schauen. Bild: Kristina Rottig/TU Braunschweig
Durch ein großes Unterwasserfenster können die Forscherinnen und Forscher wie bei einem Aquarium in den neuen Wellenkanal schauen. Bild: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Die TU Braunschweig hat eine salzwassertaugliche Großforschungsanlage in Betrieb genommen, die in ihrer Art europaweit einmalig ist. Der neue Wellenkanal ist 30 m lang, 3 m breit und 2,5 m tief.

Offshore-Windenergieanlagen sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert – zum Beispiel der starken Belastung durch Wind und Wellen, Korrosion oder auch der Besiedlung durch marinen Bewuchs. Wie Muscheln, Algen und weitere Meeresbewohner die Tragfähigkeit von Offshore-Windenergieanlagen und anderen maritimen Bauwerken beeinflussen, wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Braunschweig herausfinden.

Oberflächen unter Meerwasser werden schnell von marinen Organismen besiedelt. So bilden sich auch an den Tragstrukturen und Pfählen von Offshore-Windenergieanlagen kleine Riffe mit Muscheln, Seesternen, Seepocken und Seeanemonen. Was für die Meeresbewohner zum neuen Zuhause wird, beeinflusst jedoch die Belastung der Strukturen durch Meereswellen und Tideströmung. In den üblichen Auslegungsberechnungen der Windenergieanlagen wird zwar berücksichtigt, dass sich die Geometrie der Unterwasserstrukturen durch den Bewuchs verändert, die Auswirkungen auf die einwirkenden Lasten wurden jedoch bislang mangels genauer Daten nur durch konservative Abschätzungen modelliert.

Forschung unter realen Meeresbedingungen

Im neuen Salzwasser-Wellen-Strömungskanal des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau (LWI) der TU Braunschweig, der am 29. April 2024 im Beisein des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil eröffnet wurde und Teil des vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) geförderten Projekts „EnviSim4Mare“ ist, sind jetzt erstmals Messungen unter realen Umweltbedingungen möglich. Neben dem Großen Wellenströmungskanal (GWK+) des Forschungszentrums Küste von TU Braunschweig und Leibniz Universität Hannover kommt nun eine weitere, europaweit einzigartige Forschungsanlage hinzu, die das Alleinstellungsmerkmal des Forschungsstandorts Braunschweig-Hannover im Bereich Küsteningenieurwesen, Seebau und maritimen Technologien noch einmal entscheidend stärkt und das ohnehin schon sehr umfangreiche Portfolio an klein- und großskaligen Experimentaleinrichtungen erweitert.

Lebende Meeresbewohner werden einziehen

„Wir können hier die gesamte marine Umwelt modellieren und erhalten durch den Einsatz spezieller Messtechnik einen genauen Einblick in die Prozesse, die im Umfeld der mit marinem Bewuchs besetzten Strukturen im Meer ablaufen“, freut sich Professor Nils Goseberg, geschäftsführender Leiter des LWI. „Wir können sowohl die Temperatur als auch den pH-Wert, den Salzgehalt und den Sauerstoffgehalt in der Anlage einstellen. So haben wir die Möglichkeit, lebende Meeresbewohner einzubeziehen und die Wechselwirkung der Offshore-Windenergieanlage mit ihrer Umgebung zu modellieren.“ Ziel der Forschung ist es, die Konstruktion von Offshore-Windenergieanlagen zu verbessern, den hohen Unterhaltungsaufwand zu reduzieren und die Laufzeit maritimer Anlagen zu verlängern.

Start des Salzwasser-Wellen-Strömungskanals: Prof. Nils Goseberg (Leichtweiß-Instituts für Wasserbau, LWI), Dieter Janecek (Koordinator für die Maritime Wirtschaft u. Tourismus), TU-Präsidentin Prof. Angela Ittel, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Braunschweigs Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum. Bild: Kristina Rottig/TU Braunschweig
Start des Salzwasser-Wellen-Strömungskanals: Prof. Nils Goseberg (Leichtweiß-Instituts für Wasserbau, LWI), Dieter Janecek (Koordinator für die Maritime Wirtschaft u. Tourismus), TU-Präsidentin Prof. Angela Ittel, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Braunschweigs Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum. Bild: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Aus Braunschweiger Wasser wird Meerwasser

Wie der Name schon sagt, werden in dem 30 Meter langen und drei Meter breiten Kanal Salzwasser, Wellen und Strömung kombiniert. Bis zu 80 Zentimeter hohe Wellen können die beiden eingebauten Wellenmaschinen erzeugen. Zusätzlich sorgen vier Pumpen für die Strömung. Darüber hinaus ist die Anlage auch mit einer Wasseraufbereitung ausgestattet. Um den Verbrauch von Frischwasser zu reduzieren und die geforderten Wasserbedingungen zu regulieren, wird das Wasser aufbereitet und in einem geschlossenen Kreislauf wiederverwendet. Aus normalem Braunschweiger Wasser wird Meerwasser, indem das LWI-Team Meersalzsole in die Wasseraufbereitungsanlage einleitet. „So können wir optimale Meeresbedingungen – ähnlich wie in der Nord- und Ostsee – für die Muscheln bieten“, erklärt Dr. David Schürenkamp, Oberingenieur der Abteilung Hydromechanik, Küsteningenieurwesen und Seebau im LWI.

Dafür ist auch das dreistufige Filterungssystem mit Sandfilter, Abschäumer inklusive Ozonbehandlung und biologischem Rieselfilter notwendig. Bis zu 350 Kubikmeter, also 350.000 Liter, Salzwasser pro Stunde kann die Wasserbehandlungsanlage reinigen. Für die Meeresbewohner – Miesmuscheln, Seepocken und Algen, die zuvor an Offshore-Standorten rund um Helgoland und im Windpark Nordergründe in der Nordsee Versuchskörper bewachsen haben – ist ein extra Hälterungsbecken vorgesehen. Hier sollen sie sich an die Bedingungen im Salzwasser-Wellen-Strömungskanal langsam gewöhnen.

Blick durchs Unterwasserfenster

Schon bald werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die ersten Experimente starten. Beobachten und dokumentieren können sie diese von der Steuerkanzel aus mit verschiedenen Kameras in der Anlage und durch ein großes Unterwasserfenster, durch das die Forscherinnen und Forscher wie in einem Aquarium in den Kanal schauen können.

Vom Kanal selbst ist in der Versuchshalle nicht viel zu sehen. Er hat eine Einhausung erhalten, die für die Experimente mit Schiebeelementen verschlossen werden kann. „Damit haben wir ideale Bedingungen“, so Professor Goseberg. „Die richtige Luftfeuchtigkeit, die Temperatur bleibt in der Luft bzw. im Wasser erhalten und wir können so energieeffizient und nachhaltig forschen.“

-Pressemitteilung Technische Universität Braunschweig-

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