ANZEIGE

Hecht-Wissen zum Saisonstart

1698
Spinnsysteme für tote Köderfische waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der letzte Schrei und mussten eigenhändig gebaut werden. Bilder: M. Bötefür
Spinnsysteme für tote Köderfische waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der letzte Schrei und mussten eigenhändig gebaut werden. Bilder: M. Bötefür

Am 1. Mai geht es endlich wieder los. Dass Meister Esox für manche Petrijünger weit mehr als ein Raubfisch ist, wusste der britische Angelpapst Henry Cholmondeley-Pennell schon vor über 150 Jahren und brachte ein dickes Buch für Hechtangler heraus.

Über Hechte wurden viele Bücher geschrieben. Wie es in der Geschichte der Literatur aber häufig vorkommt, ist die erste Monografie über eine Fischart auch zugleich die exotischste und kann von keinem nachfolgenden Titel jemals übertroffen werden. Dieses Kunststück gelang Henry Cholmondeley-Pennell 1865 mit seinem Werk „The Book of the Pike“.

Der Brite griff in einer Zeit zur Feder, in welcher der Hecht, oder Jack, wie er damals liebevoll von den Engländern genannt wurde, keineswegs auf der Liste der sportfischereilichen Begehrlichkeiten ganz oben stand, sondern im Schatten von Forellen und Lachsen, ein weitestgehend unbeachtetes Dasein fristete. Die Niederschrift des Buches war somit ein recht mutiger Schritt, der freilich nur im Mutterland der Angelsportliteratur und der Skurrilität gegangen werden konnte.

Wissenschaftlich und amüsant

Typisch britisch verweist Cholmondeley-Pennell im ersten Kapitel Berichte, wonach bereits Hechte von mehr als 66 Kilogramm auf die Schuppen gelegt worden seien, dass die Fische bis zu sechs Meter lang würden oder mehre hundert Jahre leben könnten, nicht nur ins Reich der Fabel, sondern versieht sie mit süffisanten Kommentaren, wie „klein schlechter Fang also“.

Neben englischem Humor zeichnet sich sein Buch aber vor allem durch wissenschaftliche Exaktheit aus. Im Vergleich zu anderen Angelbuchautoren wusste er Ammenmärchen nämlich auf den Grund zu gehen und sie als ausgemachten Quatsch zu deklarieren. Der Fachmann ging sein Thema wissenschaftlich an und machte sich z.B. die Mühe, die Preisentwicklung für Hechtfleisch auf den Märkten seiner Heimat vom Spätmittelalter bis in seine Tage zu vergleichen, um so Rückschlüsse auf die historischen Bestandsschwankungen bzw. die Beliebtheit der Fische in England ziehen zu können.

Doch nicht allein dies macht das Buch bis heute „spleenig“. Auch die Akribie, mit der sein Autor alles zu seiner Zeit über Hechte Bekannte zwischen zwei Buchdeckel packte, ist noch immer imponierend. Die Kapitel reichen von der Verbreitung der einzelnen Hechtarten auf der Nordhalbkugel über biologische Besonderheiten bis zu den damals modernsten Erkenntnissen über den „Verstand“ der Fische.

Um Ammenmärchen von Fakten zu unterscheiden, verwendete Cholmondeley-Pennell Abbildungen von wissenschaftlich vermessenen Hechten, wie diesen Kiefer eines Rekordfisches.

Sportlicher Fang

Die meisten Kapitel beschäftigen sich jedoch mit der Frage nach den Vor- und Nachteilen von unterschiedlichen Köderfischen, der Empfehlung von Haken und Hakenformen oder der sicheren Landung der Fische. Das damals erst ein paar Jahrzehnte alte Spinnfischen, schien Cholmondeley-Pennells besonderes Steckenpferd gewesen zu sein; wobei es dabei weniger um den Einsatz der zwar schon bekannten Kunstköder (Blinker, Spinner, Wobbler) ging, als vielmehr um die Verwendung von Köderfischen an Systemen (auch von Meeresfischen). Dass es beim Bau dieser aus Drähten, Blechen und Drillingshaken bestehenden Spinnsysteme genau so viel zu bedenken gab, wie beim Einsatz der geeigneten Köderfische, erschließt sich dem Leser an vielen Stellen des Buches, denn auch im fischreichen 19. Jahrhundert war es nicht egal, wann, wo und mit welchen Ködern Jack auf die Schuppen gerückt wurde.

Und so erfahren Cholmondeley-Pennells Hechtfreunde sehr viel über die passenden Köderfische fürs Angeln in fließenden bzw. stehenden Gewässern, lernen die passenden Ruten, Rollen und Schnüre auszuwählen und wissen nach der Lektüre auch, wie sie Köderfische in Mixturen aus Wein, Essig und anderen Flüssigkeiten konservieren konnten, schließlich waren solche Rezepte ebenso „geheim“, wie die fängigsten Futtermischungen der seinerzeit erfolgreichen Friedfischangler. Dr. Markus Bötefür

Sportliches Hechtfischen sah damals oft etwas anders aus als heute.
Sportliches Hechtfischen sah damals oft etwas anders aus als heute. Hier wurden Legeangeln ausgelegt.
ANZEIGE
Abo Fisch&Fang