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Fisch der 1.000 Würfe?

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Bild: Marcus Lüpke
Meerforellen-Spinnfischer müssen hart im nehmen sein. Bild: Marcus Lüpke
Bild: Marcus Lüpke
Bei ungewöhnlich mildem Novemberwetter ist das Brandungsspinnfischen ein richtiges Vergnügen. Bild: Marcus Lüpke

Frische Seeluft, Möwengeschrei, Brandungsrauschen, beeindruckende Sonnenaufgänge und die begehrten „Silberbarren“ und „Ostsee-Leoparden“ – Spinnfischen an der Küste ist ein Erlebnis.

Von Marcus Lüpke

Zwei begehrte „Silberbarren“ im Kescher. Bild: Marcus Lüpke

Endlich ist es soweit, das Warten hat ein Ende. Vier Tage Spinnfischen im November an der Ostsee, es soll auf Meeresräuber gehen. Mein Angelkumpel Martin, bis dato völlig unerfahren in Sachen Ostseeangeln, ist gespannt und lauscht geduldig meinen Ausführungen. „Die Meerforelle wird auch der Fisch der 1.000 Würfe genannt“, bei diesem Satz horcht er auf. Wie viele Schneidertage werden uns erwarten? Werden wir überhaupt einen Fisch an den Haken bekommen?

Tourplanung

Sehr hilfreich für die Planung einer Meerforellen-Tour ist das umfangreiche Informationsangebot im Internet. Über Google-Earth sichten wir im Vorfeld gute Plätze, messen Entfernungen ab und per Windfinder.com analysieren wir schon vor der Abfahrt genau, an welchem Tag wir mit welchen Wind- und Brandungsbedingungen zu rechnen haben.

Reiz des Küstenangelns: Endloser Horizont und ein schöner Fisch im Netz. Bild: Marcus Lüpke

Wir entscheiden uns für die harte Tour, das bedeutet: den Wind von vorn und mitten rein in die Brandung! Der Vorteil liegt auf der Hand, denn die Zielfische Dorsch und Meerforelle kommen hier dicht unter Land und hoffen auf viel freigespülte Nahrung – so hoffen wir jedenfalls. Als Spot wählen wir einen gut im Wind liegenden Küstenbereich mit viel Leopardengrund und riffähnlichen Strukturen, vor allem auch eine Stelle, an der wir etwas weiter in die Ostsee hineinwaten können. Die Wetterbedingungen sind uns dabei egal, denn aufgrund des milden Winteranfangs ist das Ostseewasser noch relativ warm und wir sind mit Mütze, Watjacke und fünf Millimeter dicken Neopren-Wathosen gut eingepackt. Wind, Schnee oder Regen – wir haben uns auf alles eingestellt. Doch es herrscht schönstes Angelwetter. Das Fischen im milden Spätherbst ist ein echter Genuss!

Köder-Tuning

Passende Spinnrollen mit dünner Geflochtener, dazu eine gute Auswahl Springer-Fliegen. Bild: Marcus Lüpke

Wir binden unsere Montagen und bauten zu allererst die ausgewählten Köder um. Dabei erweist sich die Sprengringzange als wichtiges Utensil, um die Sprengringanzahl auf zwei zu erhöhen und ultrascharfe Einzelhaken an den Ködern zu montieren. Wir entscheiden uns für 0.10er geflochtene Hauptschnur, 2000er-3000er Rollen und ein vorgeschaltetes, 0.30 bis 0.35 mm dickes Fluorocarbon-Vorfach in zweifacher Rutenlänge. So wollen wir sichergehen, dass ein gehakter Fisch die Schnur im Drill nicht an Felsen oder Muscheln durcharbeitet. Dass selbst diese Vorsichtsmaßnahme kein Garant für einen sicheren Drill ist, sollten wir später erfahren. Um die Köder möglichst weit auswerfen zu können, fischen wir Meerforellenruten mit langen Griffstücken in einer Länge von wenigstens 3.15 Metern und einem Wurfgewicht bis 40 Gramm. Es kommen Ködergewichte von 15 bis 25 Gramm zum Einsatz.

Die nadelscharfen Owner-Einzelhaken werden mit zwei Sprengringen montiert. Bild: Marcus Lüpke

Aus verschiedenen Gründen statten wir unsere Meerforellenblinker mit zwei Sprengringen und scharfen Einzelhaken aus. Zum einen hat das Abwandern der Meerforellen in ihre Laichgebiete schon begonnen, deshalb müssen laichreife Fische in brauner Färbung ausnahmslos zurückgesetzt werden. Das Abhaken fällt mit Einzelhaken viel leichter und für die Fische schonender.

Dank Einzelhaken ist das schonende Enthaken der Fische kein Problem. Bild: Marcus Lüpke

Der entscheidende Vorteil der Einzelhaken ist die geringere Hängergefahr an Felsen und Muschelbänken. Im Übrigen haben wir trotz Einzelhaken keinen einzigen Fisch verloren, vermutlich auch dadurch bedingt, dass sich die Fische dank der zwei Sprengringe am Haken nicht aushebeln können. Alle Fische sind perfekt gehakt und können optimal ausgedrillt werden. Einzig ein strammer Dorsch von über 70 Zentimetern schafft es, das Fluorocarbon-Vorfach durch Kopfstöße in Richtung Grund durchzuscheuern. Der gute Fisch beißt weit draußen und ist wirklich schwer zu bändigen. Wer zum ersten Mal einen Dorsch an der vergleichsweise leichten Rute spürt, der weiß wovon die Rede ist. Die Kampfkraft dieser Fische ist enorm. Auf den letzten Metern, kurz vor der Landung, mobilisiert der Fisch alle Reserven und hat Glück. Das Vorfach reißt und zurück bleibt ein sprachloser, mit offenem Mund in der Brandung stehender Angler.

Ran ans Wasser

Die Angeltage starten wir früh am Tag, denn nach unserer Erfahrung muss man mit Beginn der Morgendämmerung am Spot stehen. In der Regel sind die Fische dann auch gegen 9 Uhr auch wieder verschwunden. Und so geht es im Dunkel der Nacht ans Wasser. Angekommen am Wasser gibt es erst einen Schluck warmen Kaffee und dann waten wir in die verheißungsvoll Richtung Ufer krachende Brandung.

Eine wasserdichte Watjacke ist unbedingt empfehlenswert. Bild: Marcus Lüpke

Die Meerforelle, der Fisch der 1.000 Würfe? Keine Regel ohne Ausnahme. Schon der erste Wurf bringt eine Meerforelle, die den Dega-Jumper in 25 Gramm direkt in der Brandung über einem relativ flachen Felsbereich nimmt. So darf das weitergehen, wobei ich nicht verheimlichen möchte, dass komplette Schneidertage auch nicht selten sind. Mit einer Länge von knapp 40 Zentimetern, damit knapp unter dem geforderten Mindestmaß, hat der Fisch nicht die notwendige Größe. Er wird schonend zurückgesetzt.

Sonnenaufgang an der Ostseeküste: Der frühe Morgen ist die beste Meerforellenzeit. Bild: Marcus Lüpke

Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Platz. Die Brandung kracht uns mitten vor die Brust, der Wind pfeift uns um die Ohren – so wollen wir das. Der Wind frischt sogar noch auf und teilweise schlagen uns die brusthohen Brandungsbrecher von vorn und von der Seite fast um. In dieser Phase kann Martin einen Dorsch haken. Er nimmt ebenfalls einen Dega Jumper im weiß-pinken Dekor, allerdings im tieferen Wasser und weit draußen. Mit seinen 58 Zentimetern Körperlänge liefert der Ostsee-Leopard einen harten Kampf, der Martin viel Feingefühl abverlangt, immer wieder geht der Fisch in die Bremse. Am Ende aber kann er sicher gekeschert werden.

Spürbare Fischkontakte

Der Lohn der Mühen: Angelkumpel Martin mit einer strammen Meerforelle. Bild: Marcus Lüpke

Mit dem sehr beeindruckenden Sonnenaufgang kommen die Fische in Schwung. Gegen den Wind servieren wir unsere Köder. Immer nach dem gleichen Prinzip: Wurf, schnell den Schnurbogen einholen und Kontakt zum Köder aufnehmen, gleichmäßig einholen oder auch mal einen kurzen Spinnstopp einlegen. Was ist das? Tock, tock, tock, deutlich spürbar Fischkontakt. Häufig kündigen sich so Meerforellen an, die den Köder mehrfach anstoßen. Der Fisch schwimmt allem Anschein nach mit und geht den Köder nicht richtig an. Jede Aktion kann nun den Fisch zum Biss verleiten oder ihn vergrämen. In diesem Fall erhöhe ich das Tempo leicht – und zack, plötzlich ist ein deutliches Kopfschütteln am anderen Ende der Schnur zu spüren.

„Fiiisch“, hallt mein Ruf durch den Wind. Martin streckt mir seinen nach oben gerichteten Daumen entgegen. Nach einigen Kurbelumdrehungen kommt die Meerforelle an die Oberfläche, erneut hat eine schöne, aber braune Meerforelle von rund 50 Zentimetern den Köder genommen. Zeitgleich bekommt auch Martin einen Biss, freudestrahlend erkämpft er sich einen weiteren Dorsch. Mit strahlenden Augen blicken wir uns an – es passt alles. Wir sind zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.

Beißflaute bei Windstille

Wenn es läuft, dann läuft es: Beim Meerforellenangeln ist auch ein Doppeldrill möglich. Bild: Marcus Lüpke

Das ganze Schauspiel wiederholt sich leider in den folgenden Tagen nicht, denn der Wind dreht und der „Hot-Spot“ entwickelt sich zum „Cold-Spot“. Die Sonne scheint und eine spiegelglatte Wasseroberfläche erwartet uns vor Ort. Bis auf zwei Anfasser passiert nichts. Wir nutzen den Morgen für ein ausgiebiges Frühstück, fachsimpeln ein wenig, betreiben Materialpflege und genießen einen angelfreien Tag.

Erst am vierten Tag geht der Spuk erneut los. Auflandiger Wind, starke Brandung, viel Wind und Welle – top. In freudiger Erwartung fahren wir rechtzeitig ans Wasser. In der Morgendämmerung beißt gleich eine braune und gut genährte Meerforelle auf einen grün-weißen Meerforellenblinker. Schnell entlassen wir den Fisch wieder in die Ostsee.

Neben Meerforellen steigen auch immer schöne Dorsche ein. Bild: Marcus Lüpke

Der raue Wind pfeift uns in die Ohren als erneut zwei Meerforellen fast zeitgleich unsere Köder nehmen. Es kommt zum nicht so häufigen Doppeldrill. Beide Fische sind komplett silberfarben, also nicht im Laichkleid, haben eine Länge von 58 Zentimetern bei einem Gewicht von 1,5 beziehungsweise 1,7 Kilo. Schon 20 Minuten nach Beginn der Morgendämmerung ist die Beißzeit vorbei. So holen wir uns um 9 Uhr beim nächsten Bäcker eine Tüte Brötchen und lachen beim Frühstück ein wenig über die „1000-Würfe-Weisheit“. An manchen Tagen passt es einfach, das ist Angeln.

Marcus Lüpke

Extra-Tipps: Wichtige Kleinigkeiten, die es zu bedenken gilt: Schuhsohlen der Wathose sollten mit Filz belegt sein (wegen der Rutschgefahr auf veralgten Felsen). Angelrollen nach jedem Angeltag gut in Süßwasser unter der Dusche spülen (und nach der Tour fetten und ölen), Watkescher nicht vergessen, spezielle Watjacke macht Sinn (Schutz vor Wellen, Stauraum, Windschutz).

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