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Dem Gletschersee auf den Grund gehen

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Gletschersee
Das neue Forschungsboot vermisst die Tiefe des Gepatsch-Stausees im österreichischen Kaunertal. Bild: Klenk/upd

Die Geographen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) besitzen neuerdings ein Boot, das mit einem hochpräzisen Echolot ausgestattet ist. Damit kann der Untergrund von Seen, Flüssen und im Meer vermessen werden.

Erstmals kam die Technik nun im Rahmen eines Forschungsprojektes im österreichischen Kaunertal zum Einsatz, wo KU-Wissenschaftler seit mehreren Jahren die Auswirkungen des Klimawandels untersuchen, auch in einem Gletschersee.

Tiefenmessung im Gletschersee mit Fächer-Echolot

Dr. Florian Haas, außerplanmäßiger Professor am Lehrstuhl für Physische Geographie, hat am Steuerruder des Bootes Platz genommen, neben ihm der wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Manuel Stark. Vor beiden auf einem fest eingebauten Tisch: ein Laptop, Bildschirme und etliche technische Geräte. Kabel führen von dort zu einer Konstruktion, die an die Außenwand des Bootes angebracht ist und ins Wasser ragt: das so genannte Fächer-Echolot. Es sendet strahlenförmig Schallwellen in den Gletschersee aus und misst die Reflexionen am Grund des Sees. So kann die Tiefe des Gewässers Zentimeter genau berechnet werden – und zwar nicht nur an einem Punkt, sondern über eine mehrere Meter breite Bahn hinweg. Dazu ist das Messinstrument mit einem Satellitennavigationssystem versehen, sodass zu den Messwerten jeweils die exakten Positionsdaten mitgespeichert werden. Fährt man ein Gewässer damit systematisch in Bahnen ab, erhält man ein detailliertes Unterwasser-Geländemodell. Florian Haas schiebt den Gashebel des Motors nach vorne, das Aluminiumboot mit den beiden Forschern beschleunigt und steuert die Mitte des Kaunertal-Stausees an.

Auswirkungen des Klimawandels auf Gletscher und Flüsse

Rund um den Gepatschferner, der zweitgrößte Gletscher Österreichs, halten sich Geographen seit mehreren Jahren immer wieder zu Forschungszwecken auf. Im Rahmen des internationalen Projekts „Sensitivität HochAlpiner Geosysteme gegenüber dem Klimawandel ab 1850“ (SEHAG) geht eine von der KU koordinierte DFG-Forschungsgruppe der Frage nach, welche Auswirkungen der Klimawandel im alpinen Raum auf Gletscher und Flüsse, die Vegetation und die Geomorphologie haben. Beteiligt sind neben den Wissenschaftlern aus Eichstätt auch Forscherinnen und Forscher aus Bern, Bozen, Bremen, München, Innsbruck und Wien. Das Projekt rekonstruiert die Veränderungen durch das Abschmelzen des Gletschers rückwirkend für die Zeit seit 1850, misst aktuell stattfindende Prozesse und versucht so eine möglichst genaue Prognose für die Zeit bis 2050.

Gletschersee
Florian Haas kontrolliert während der Vermessungsfahrt am Rechner die Tiefendaten aus dem Echolot. Bild: Klenk/upd

Gletscher schrumpft 50 Meter pro Jahr

Bisher waren Haas und seine Kollegen meist zu Fuß auf dem Gletscher unterwegs. In regelmäßigen zeitlichen Abständen untersuchen sie mit einem Laserscanner und Drohnenaufnahmen die Berghänge, die durch das zurückgehende Eis des Gletschers instabil werden. Mit Hilfe eines auf einen Schlitten gebauten Radargeräts wird diese Dicke des Eises gemessen, die durch die hohen Temperaturen rapide abnimmt – um gut 50 Meter pro Jahr schrumpfte zuletzt die Länge des Gepatschferners, kein anderer Gletscher in den Alpen schmilz so schnell. Daneben ist Florian Haas regelmäßig mit dem Hubschrauber unterwegs. An ihn wird ein Laserscanner montiert, sodass auch aus der Luft Vermessungen der Geländeoberfläche möglich sind.

Gletschersee mit mehr als 100 Meter Wassertiefe

Das Schmelzwasser verlässt die Eisfläche an ihrem unteren Ende am so genannten Gletschertor. Dabei nimmt der Bach auch Gestein und Sedimente mit und trägt das Material talabwärts. „Für unsere Erforschung der landschaftlichen Veränderungen im Gebirgsmassiv und an der Talsohle ist es auch eine wichtige Frage, wieviel Kies und feinere Sedimente vom Schmelzwasser mitgerissen werden“, erklärt Florian Haas. Am Gletscherbach direkt lasse sich das aber nur schwer bestimmen, so der Geograph. Eine bessere Möglichkeit bietet sich im Kaunertal: Dort befindet sich unterhalb des Gletschers ein Wasserspeicher, der vor rund 60 Jahren durch den Bau einer Talsperre angelegt wurde, um über ein Kraftwerk Strom für die Region zu produzieren. Der Gletschersee-Staudamm war zum Zeitpunkt ihres Baus mit einer Länge von 600 Metern und einer Höhe von über 150 Metern der zehnthöchste Staudamm weltweit, die Wassertiefe des Sees beträgt an manchen Stellen mehr als 100 Meter.

Kies und Sediment lagern sich im See ab

„Wir kennen aufgrund von Daten und Aufnahmen das Geländeprofil aus der Zeit vor dem Bau des Gepatschstausees und können nach einer nun erfolgenden neuen Vermessung des Seeuntergrunds berechnen, welche Mengen an Kies und Sediment der Gletscherbach seit der Inbetriebnahme des Wasserspeichers in den See transportiert hat und wo sich das Material abgelagert hat“, erklärt Florian Haas. Daraus lasse sich eine durchschnittliche jährliche Sedimentfracht in den Gletschersee berechnen und auch in die Zukunft prognostizieren. Dies sei nicht nur für das SEHAG-Projekt ein wichtiger noch fehlender Baustein, sondern auch eine nützliche Erkenntnis für die Betreibergesellschaft des Stausees.

Vermessung von Staustufen

In regelmäßigen Bahnen – ähnlich wie ein Landwirt mit dem Traktor auf dem Feld – fährt das KU-Forschungsboot die Seeoberfläche ab. Auf dem Bildschirm kann Florian Haas die Angaben über die Wassertiefe ablesen und sieht auf einer Kartendarstellung, welchen Bereich des Seegrunds das Echolot abgedeckt hat. Die Technik könne auch für andere Forschungsprojekte und -orte eingesetzt werden, geplant seien beispielsweise Vermessungen in Flüssen nahe an Staustufen. „Mit der neuen Ausrüstung können wir Fragestellungen bearbeiten, die beispielsweise mit der Morphologie, den Eigenschaften und der Veränderung von unter Wasser liegenden Teilen der Erdoberfläche zusammenhängen.“ So wird das KU-Forschungsboot, das zuvor als Feuerwehrboot eingesetzt und gebraucht erworben wurde, noch bei weiteren Forschungsvorhaben zum Einsatz kommen.

Pressemitteilung Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

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