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Zitronenhaie: Lebe schnell, sterbe jung

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Junger Zitronenhai. Den Namen trägt er wegen seiner leicht gelblichen Färbung. Foto: Chelle Blais

Die Persönlichkeit kann die Lebenserwartung beeinflussen. Risikobereite Zitronenhaie wachsen schneller, sie sterben aber auch früher als risikoscheue Individuen.

Unterschiedliche Persönlichkeiten in einer Gruppe  können so letztendlich die gleiche biologische Fitness erreichen, so die Hypothese, die das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) mit einem internationalen Team getestet hat – und nicht zweifelsfrei untermauern konnte.

Das Team um Félicie Dhellemmes vom IGB hat den Zusammenhang zwischen Verhalten und Lebensgeschichte bei jungen Zitronenhaien vor den Bahamas erforscht. Die Forschenden konnten zeigen, dass Zitronenhaie ein individuelles, in sich konsistentes Verhalten haben – eine Persönlichkeit. Diese Persönlichkeit kann unter bestimmten Umständen den Lebensweg vorbestimmen.

No risc, no fun

Die Forschenden untersuchten zwei Haipopulationen zuerst in der Haltung und anschließend in freier Wildbahn, wo die beiden Gruppen unterschiedlichen Umweltbedingungen ausgesetzt waren. In einem Gebiet befanden sich nur wenige größere Zitronenhaie oder andere Haiarten, die als Raubfische die jungen Zitronenhaie bedrohen, in dem anderen Gebiet waren deutlich mehr Raubfische unterwegs. Die Haie, die in der Haltung erkundungsfreudiger waren, gingen auch in der Wildnis mehr Risiken ein und wuchsen schneller. Diese schnell wachsenden, größeren Haie hatten aber eine niedrigere Lebenserwartung.

Noch ungeklärt ist, warum dies nur auf eine der beiden vom Team untersuchten Haipopulationen zutraf. In der Population mit mehr Raubfischen starben schnell wachsende Haie ebenfalls mit höherer Wahrscheinlichkeit, nur konnte ein Zusammenhang zur Persönlichkeit und zum Risikoverhalten hier nicht nachgewiesen werden. „In einer besonders räuberreichen Umgebung verhalten sich die Haie möglicherweise nicht ganz ihrer Persönlichkeit entsprechend, sodass ein Zusammenhang zur Lebensgeschichte nicht nachzuweisen ist“, sagt Félicie Dhellemmes, Erstautorin der Studie.

Das Leben als Kompromiss

Eine evolutionäre Erklärung für Persönlichkeitsunterschiede innerhalb von Tiergruppen bietet das Pace-of-Life-Syndrom. Es besagt, dass ein Zusammenhang zwischen Verhaltensmuster, Stoffwechselaktivität und Lebensgeschichte besteht. Manchmal kann ein Überlebensziel nur auf Kosten eines anderen umgesetzt werden. Dieser „Kompromiss“ ermöglicht unterschiedlichen Persönlichkeiten in einer Gruppe über verschiedene Verhaltensstrategien die gleiche biologische Fitness zu erreichen – also die Sicherung der Nachkommenschaft. Ein schnelles Wachstum kann zum Beispiel auf Kosten des Überlebens gehen, wenn die zusätzliche Futtersuche mit einer verminderten Wachsamkeit gegenüber potenziellen Raubtieren verbunden ist. Schnell wachsende Individuen erreichen schneller die Geschlechtsreife und haben früher Nachwuchs, aber sie sterben auch früher als langsam wachsende Individuen, die erst später geschlechtsreif werden – was in der Population insgesamt zu einer gleichwertigen biologischen Fitness führt.

„Bisher gibt es wenige Studien zu diesem Thema. Wir konnten in dieser und vorherigen Studien zeigen, dass die Verbindung zwischen Persönlichkeit und Lebensgeschichte in einigen ökologischen Kontexten besteht und in anderen nicht. Vor allem die Anwesenheit von Räubern und die Verfügbarkeit von Nahrung scheinen als Faktoren eine Rolle zu spielen“, fasst Félicie Dhellemmes zusammen.

Publikation: https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/1365-2656.13283

-pm-

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