Nicht viel verändert: Schwimmer aus Kork und Federn aus dem Allcock-Katalog von 1885. |
THOMAS KALWEIT über Federn zum Fischen.
Sie liegen einfach herum, dümpeln angeschwemmt im Flachwasser, wollen nur noch aufgesammelt werden: Große Schwungfedern von Schwan und Gans mit prächtigen Kielen. Unsere angelnden Großväter bedienten sich direkt am Wasser und bauten aus diesen Posen zweckdienliche Flossen mit hoher Tragkraft. Flossen? Flosse, Floß, Pose, Flottchen, Schwimmer, Stoppen, Proppen, Zapfen… viele Namen für ein und dasselbe Ding. Die altertümlichen Begriffe Flosse und Floß gelten als Eindeutschungen des englischen Wortes „float“, denn aus dem Mutterland der Angelfischerei stammte die Fachliteratur unserer angelnden Vorfahren. Die ersten Angelschwimmer waren nicht mehr als eine durchbohrte Korkkugel, in der die durchgefädelte Schnur mit einem Federkiel festgeklemmt wurde. Abbildungen aus dem Mittelalter zeigen diesen Urtyp. Im „Treatyse of Fysshinge wyth an Angle“ präsentierte Juliana Berners zum Ende des 15. Jahrhunderts die erste Bauanleitung: „Du musst dein Floß folgendermaßen herstellen. Nehme einen guten Korken, der glatt ist und wenig Löcher hat, und durchbohre ihn mit einem kleinen heißen Eisen, stecke in das Loch einen guten geraden Federkiel. Je größer das Floß, desto größer das Loch und desto größer der Federkiel. Dann schnitze den Korkkörper breit in der Mitte und schmal an beiden Enden zulaufend, am unteren Ende etwas spitzer. Und glätte dein Floß auf einem Schleifstein oder Dachziegel. Für eine Schnur aus einem Pferdehaar sollte das Floß nicht größer als eine Erbse sein. Für eine Schnur aus zwei Pferdehaaren nicht größer als eine Bohne, für eine zwölfhaarige Schnur so groß wie eine Walnuss.“ Vor 500 Jahren hat man also feiner gefischt als heute, unsere Altvordern waren keine groben Plumpsangler! Der Berliner Johann Georg Krünitz gab in seinem Lexikon 1778 weitere Basteltipps für Posenbauer: „Die hierzu bestimmten Federn pfleget man auf mancherlei Weise zu bereiten. Die beste ist wohl, sie in Öl zu kochen, oder sie inwendig mit Ölfirnis zu bestreichen. Die Öffnung der Federspule, wo sie oberwärts gegen das Gefieder abgeschnitten ist, verstopfet man entweder mit einem glatten Hölzchen oder einem Stückchen Kork, welche beide notwendig entweder mit Ölfirnis oder Pech überzogen werden müssen, um das Eindringen des Wassers zu verhüten. Auswendig, unten in den Kork oder in das Hölzchen, wird ein wenig Messing-Draht mit einem kleinen Öhr oder zusammen gebogenen Ringe befestigt, wodurch die Schnur gezogen werden kann.“ Krünitz weiter: „Es ist gewiss sehr gleichgültig, von welchem Tiere die Federspulen zu den Floßen genommen werden. Man sucht oft deshalb große Adler-, Reiher-Federn etc. dazu bekommen. Zu großen und starken Schnüren nimmt man lieber Schwan- und zu kleineren Gänse-Spulen.“
Komische Vögel
Was muss der Schwimmerbastler noch wissen? Thomas Best verriet 1787 in „The Art of Angling“ ein geheimes Klebstoff-Rezept, um Kork und Federkiel untrennbar zusammenzufügen: „Nehme klein zerbröselten Bienenwachs, fein zerkratzte Kreide und pulverisiertes schwarzes Harz, von jedem die gleiche Menge; schmelze alles in einem Löffel oder in einem kleinen Blechgefäß, und achte darauf, dass sich alles gut vermischt; oder nehme sehr fein gesiebten Ziegelstaub und gewöhnliches Harz, pulverisiert, und schmelze alles wie bereits berichtet.“ Der Engländer Best favorisierte übrigens russische Entenfederkiele zum Posenbau, der Mann hatte einen ausgefallenen Geschmack. Auch hatte er schon eine Rezeptur für rote Schwimmerfarbe in petto: „Um Federkiele rot zu färben, welche für stehende Gewässer besser sind als andere Flöße, nehme etwas Urin, und füge soviel Pulver vom Rotholz hinzu, bis es ein Blatt weißes Papier rot färbt; dann nehme etwas klares Wasser, in das du eine Handvoll Salz gibst, und ein bisschen Weinstein, und rühre bis alles aufgelöst ist; dann koche alles gut in einer Saußenpfanne. Wenn die Lösung erkaltet ist, schabe die Federkiele ab, und lege sie für zehn oder zwölf Tage ein, dann reibe sie trocken mit einem wollenen Tuch.“
Der Wiener Angelschriftsteller Gustav Fellner fasste den Stand der Schwimmerbaukunst zum Beginn des 20. Jahrhunderts folgendermaßen zusammen. „Zur Herstellung eines Floßes werden Kork, Aluminium, dann Gans-, Schwan- und Trappenfederkiele sowie Stachelschweinborsten, ja sogar Glas und sonstiges Material verwendet“ Die heute vom Aussterben bedrohte Großtrappe – ein Vogel mit einer Spannweite von bis zu 2,60 Metern – musste schon damals einige Federn lassen. Die mächtigen Schwungfedern waren ein kostspieliges Vergnügen. „Federkielflöße von Trappen sind schon ziemlich tragfähig, aber teuer“, klagte Fellner 1916.
„Ich gebrauche seit 35 Jahren nur Storchenfedern und bin bis an mein Lebensende damit versorgt“, gestand Wilhelm Doose aus Celle 1927. „Auf dem Vormarsch in Ostgalizien im Jahre 1917 schoss unser Hauptmann einen weißen Storch, dessen Schwingenfedern ich samt und sonders heimbrachte. Kiele von Schwanen-, Gänse- und Putenfedern sind gut als Schwimmer zu gebrauchen, weniger solche von Raubvögeln, welche im Wasser leicht weich werden.“ Zum Köderfischfang bevorzugte Doose Federkiele von Hühnern, auch Möwenkiele waren damals unter Stippern in Mode. Als Geheimtipp für die gröbere Angelei galten schwer zu organisierende Pelikanfedern. In England verwendete man traditionell Krähenfedern zum Posenbau, so genannte Crowquills. Schwimmer aus Kork und Federkiel tun seit Jahrhunderten ihren Dienst. Bis in die heutige Zeit fertigen Angler perfekte Bissanzeiger aus diesen unschlagbaren und preiswerten Naturmaterialien. Auch die Firma Drennan hat immer noch Pfauen-Posen, Peacock-Waggler, im Angebot, die an Tragkraft und gleichzeitiger Sensibilität kaum zu überbieten sind. Schleien-Spezialist Fred J. Taylor bringt es auf den Punkt: „Auch heute macht es mir immer noch Spaß, sie aus Gänse-, Truthahn- oder Schwanenfederkielen zu gestalten, einfach weil ich Kielposen zugetan bin und mich an diesen Naturmaterialien erfreue. Sofern ich vereinzelt Kielposen nur so zum Spaß mache, schenke ich meine Schöpfungen gewöhnlich in der Nähe angelnden Jungens.“
Kunstwerke
Die Engländer Paul Cook und Andy Batchelor haben sich dem historischen Posenbau verschrieben. Aus traditionellen Materialien fertigen sie regelrechte Kunstwerke. Da werden feinster portugiesischer Kork, echte Seide und teurer Bootslack verarbeitet – fast zu schade zum Fischen. Info: Paul Cook, E-Mail: paul@artofangling.net, www.artofangling.net. Andy Batchelor, E-Mail: andybatchelor@freeuk.com, www.handmadefloats.co.uk.