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Unser Angelpapst

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Unser Angelpapst
Flotte Erscheinung: Heintz machte den bayerischen Rucksack unter Anglern in ganz Deutschland populär.

 

Dr. Karl Heintz – durch sein Wirken bildete sich in Deutschland ein eigenständiger Angelstil heraus. Vor ihm fischte man hierzulande wie die Engländer, nach ihm angelte man nur noch wie Heintz. Von THOMAS KALWEIT

“Am 10. Januar 1925 starb der deutsche Izaak Walton, der Altmeister der Deutschen Angelkunst, Dr. Karl Heintz, im 76. Lebensjahre. Was für die Engländer Izaak Walton war, der heute noch von ihnen hoch gefeiert wird, das wird für uns Deutsche allezeit Dr. Karl Heintz, der wahre Begründer des Deutschen Angelsports sein!“ Diese Todesanzeige in der Fachzeitschrift „Der Sportfischer“ erschütterte die Angler europaweit. Schriftleiter Dr. Hanns Schindler würdigte den großen Angler in einem Nachruf: „Mögen andere ihre nicht zu leugnenden Verdienste vor ihm und nach ihm gehabt haben, das eine bleibt sicher, dass er wie kein anderer es verstanden hat, durch seine persönlichen Erfolge, durch seine Methoden und Erfindungen und durch sein groß angelegtes Werk ‚Der Angelsport im Süßwasser’ die Allgemeinheit für die Sportfischerei zu interessieren, und die sehr oft früher in einer lächerlich einfachen Weise betriebene und daher auch manchmal zu Recht verlachte Angelfischerei zu einer Kunst und zu einer Wissenschaft zu erheben, die der Jagd in keiner Weise nachsteht, sondern sie vielfach sogar übertrifft.“
Schindler weiter: „Der ‚Anglerpapst’, so wurde er anfangs wohl mit einem leichten Anflug von gutmütigem Spotte genannt, weil er seine Ansichten, sobald er sie einmal als richtig erkannt hatte, auch mit der ganzen Zähigkeit seiner Persönlichkeit durchzusetzen und zu verteidigen verstand. Sehr bald aber wurde ihm dieser anfängliche Spottname zum Ehrentitel, denn man erkannte bald die ganz außerordentliche Bedeutung dieses Mannes.“

Schweres Huchengerät und wasserdichte Regenbekleidung: Dr. Heintz entwarf so ziemlich alles.

Karl Heintz entstammte einer wohlbetuchten Familie. Sein Vater, Dr. Carl Friedrich von Heintz, war bayerischer Staatsrat und Justizminister. Der kleine Karl, das letzte von sieben Kindern, erblickte am 12. November 1849 abends um halb sieben in München das Licht der Welt. Wir dürfen uns bei Heintz aber keinen altbayerisch knödelnden Urmünchner vorstellen. Die Familie stammte ursprünglich aus Zweibrücken in der Pfalz, und Karl besuchte in Speyer das Gymnasium, dort wohnte er bei der Schwester – und schloss natürlich mit der „ersten Note“ ab. Zum Medizinstudium zog es Heintz aber wieder nach München. Seinen Doktor der Medizin machte er dort 1874, wieder mit der Note 1 „cum nota eminentiae“. Es folgten medizinische Studien in Wien, Paris, London und Schottland. 1876 heiratete er Anna Heck in Zweibrücken. Im Mai 1876 eröffnete er eine Arztpraxis in der bayerischen Hauptstadt, Heintz war 27 Jahre alt.

Massenauflauf an der Donau bei Wien: 1910 machte Heintz dort eine Wurfvorführung.

1903 musste er aufgrund eines Nierenleidens seine Praxis aufgeben, er nutzte die Krankheitszeit und verfasste das Werk „Der Angelsport im Süßwasser“. Von den üppigen Honoraren leistete er sich große Reisen. Mit dem bekannten Jagdschriftsteller Anton Freiherr von Perfall besuchte der ebenfalls passionierte Jäger Bosnien und die Herzegowina. Kurze Zeit später machte er mit seiner Frau sogar eine Radtour durch den Balkan, allzu krank kann er also nicht gewesen sein…

Der Angelprofi

Denn nicht nur die Krankheit ließ Heintz mit 54 Jahren den Job an den Nagel hängen, verriet sein Freund Prof. Dr. C.W. Lutz: „Günstige Lebensverhältnisse gestatteten es dem Dr. Heintz frühzeitig seinen Beruf als Arzt aufzugeben und sich ganz und gar dem Angelsport zu widmen.“ Kurz gesagt: Heintz war reich und wurde zum ersten deutschen Angelprofi. Über viele Jahre pachtete er 70 Kilometer Fluss-Strecken, weitere Gewässer wurden sogar zu seinem Eigentum. 800 Huchen soll er in seinem Leben gefangen haben, darunter zahlreiche Exemplare zwischen 30 und 40 Pfund.

Huchenfang eines Tages: Der 54-jährige Angelpapst mit seiner Lieblingsbeute.

1906 ging es dann nach Norwegen zum Lachsfang, wo er auf die Idee zu seinem Heintzblinker kam. Er kehrte gerade noch rechtzeitig zurück, um im Juli die Hochzeit seiner Tochter Else mit Oberleutnant Hänlein im Hotel „Vier Jahreszeiten“ zu feiern. Das Glanzstück der Tafel war ein von Heintz selbst gefangener, 29-pfündiger Lachs aus dem Fluss Voss bei Bergen. 1909 ging es nach Griechenland und Ägypten, 1911 nach Nordafrika, über die Balearen und Kanaren, schließlich nach Spanien. Mit einem schweren Darmleiden endete diese Reise. In einer Operation auf Leben und Tod mussten ihm 20 Zentimeter des Dickdarms entfernt werden. Doch es war nicht vorbei mit seiner Reise- und Angellust: 1913 machte er als Gast des holländischen Adeligen Boreel de Mauregnault per Auto und Privatjacht eine Tour durch die Niederlande. Doch dann ging es bergab: Der erste Weltkrieg brach aus, Heintz litt unter chronischer Bronchitis, 1923 brach er sich unglücklich den Oberschenkel, 1924 stürzte er nochmals, am 10. Januar 1925 starb er dann.

Stolzer Angler: Auf diesen Huchen kann man sich eine Zigarre gönnen.

Der Huchenkönig

Seinen ersten Huchen fing Heintz bereits als kleiner Junge. Mit einem „Degenstock“, einer versteckten Klinge in einem Spazierstock, wilderte er ihn aus einem trockengefallenen Isar-Seitenarm bei Thalkirchen. Heintz fischte an Iller, Wertach, Lech, Isar, Ammer, Amper und Inn. Er fing Huchen in Massen, durch seine hervorragenden Kontakte zu Großindustriellen und Elektrizitätswerksdirektoren bekam er Einladungen an sonst unzugängliche Privatstrecken. Mit der Eisenbahn ging es von der bayerischen Hauptstadt aus ans Wasser. Mehrere Huchen an einem Angeltag waren keine Seltenheit. Einmal fing er in der Iller acht Exemplare der heute seltenen Fische in nur fünf Stunden im Gesamtgewicht von 84 Pfund. Ein anderes Mal hakte er im Lech mit vier Würfen vier Huchen hintereinander, alle zusammen brachten 65 Pfund auf die Waage. Fast immer angelte er mit totem Köderfisch am Spinnsystem. Auch in der Münchner Isar fing er zahlreiche „Donaulachse“ bis über 30 Pfund, aber dann wurde das Fischwasser durch die Fäkalienabfuhr, wenigstens für Edelfische, ganz entwertet.“
Ein Bild über den Menschen gibt uns folgende, von Heintz selbst überlieferte Anekdote: „Eines Tages beim Huchenangeln war ich im Begriff, einer hohen Felswand entlang bis an die Knie im Wasser zu waten, als ich hinter mir einen Schmerzenslaut hörte. Mein Bootführer war mir unbemerkt gefolgt, ohne dazu aufgefordert zu sein. Er war meiner Gerte, von der der Köder nach rückwärts baumelnd herabhing, zu nahe gekommen, und wie es kam, weiß ich nicht, aber der eine Haken des Schweifdrillings hatte seine Unterlippe vollständig durchschlagen, so dass sogar der Widerhaken oberhalb des Zahnfleischansatzes zutage kam. Was blieb mir übrig, als, in der rauschenden Strömung stehend, mit dem Bistouri, das ich glücklicherweise bei mir hatte, den Haken herauszuschneiden, was sich übrigens der mit glücklichen Nerven gesegnete Bauernbursche gefallen ließ, ohne zu mucksen.“ Da wurde kein Drilling des kostbaren Spinnsystems für den Bauernjungen geopfert. Zum Glück hatte der Mediziner sein Chirurgen-Messer dabei.

Kein Kind von Traurigkeit: Als Student genoss Heintz das Leben.

Heintz verzehrte seine Huchen nie frisch, er ließ die Fische „abliegen“. „Da ich wiederholt die Erfahrung gemacht habe, dass frisch nach dem Fang zubereitete Fische, wenn sie einmal eine gewisse Größe erreicht haben, lange nicht den Wohlgeschmack haben, wie nach längerer Lagerung im Keller“, erklärte er. Wie lange, darüber schweigt sich Heintz aus, jedenfalls aß er nie Fische mit Leichenstarre: „Man sollte nie einen Fisch genießen, so lange er totenstarr ist, sondern entweder bevor die Starre eintritt oder wenn sie sich wieder gelöst hat.“ Guten Appetit! Heintz war aber nicht nur Huchenfischer. „Knüpfen sich doch mindestens die Hälfte meiner Erinnerungen als Angelfischer an den feinsten Sport mit der künstlichen Fliege.“ An einem Tag fing er in der Sempt über 100 Äschen und Forellen.

Heintz-Spinner: Spezialköder zum Schleppen auf Hecht.

 

Der Seenfischer

Heintz liebte auch die Angelei in stehenden Gewässern: Mit seinen Eltern verbrachte er die Sommerfrische oft am Starnberger See in der eigenen Villa in Tutzing. Als Knabe fischte er dort auf Weißfische und Barsche. Hier kam es zu einer schicksalhaften Begegnung. Im Jahr 1863 besuchte der Königliche Ökonomierat Wilhelm Bischoff das Landhaus der Familie Heintz. Der Bayerische Hofgärtner sollte eine neue Konzeption für die Gartenanlagen der Familie entwerfen. Bischoff war nicht irgendwer, er war der vor Heintz wohl berühmteste deutsche Angelautor. Sein 1859 erschienenes Standardwerk „Anleitung zur Angelfischerei“ muss der kleine Karl damals verschlungen haben. Durch Bischoff kam der 14-Jährige zum Kunstköderangeln, zum Schleppfischen auf Hechte. Beide fuhren häufig zusammen auf den See hinaus. Dieser Kontakt zu der Anglergröße war wohl die Initialzündung zu seiner späteren Entwicklung. Zusammen mit seinem Bruder fing er im Würmsee in den 1870er Jahren in einem Sommer 460 Pfund Hechte, die allesamt in der elterlichen Küche landeten. Beide jungen Männer hatten dazu zusammen einen speziellen Köder, den Heintzspinner, konstruiert. In späteren Jahren pachtete Heintz sogar den Haldensee in Tirol, um dort auf Hechtjagd zu gehen. In der Nähe baute er sich in Tannheim eine Villa als „Landaufenthalt“. „Den Blinker kannte ich noch nicht, weshalb wir ausschließlich Plötzen an den Chapmanspinner köderten; mit lebenden Ködern haben wir uns nicht abgegeben.“ Er und seine Mitangler fingen im Haldensee Hechte bis 25 Pfund. Auch ging Heintz dort auf Saiblingsjagd. Mit seiner speziell entwickelten „Tiefseeangel“ fing er gezielt und in Massen die verborgen lebenden Salmoniden.

1906 erfunden: Heintzblinker in Originalbauweise.

Der Erfinder

Heintz tat sich mit den Münchner Angelgeräteherstellern Heinrich Hildebrand und seinem Nachfolger Jacob Wieland zusammen. Sie entwickelten in fruchtbarer Zusammenarbeit die leichte, mittelschwere und schwere Heintzgerte, letztere wurde auch als „Heintz-Weitwurfrute“ bekannt. Der Doktor erdachte den Zelluloidspinner zum Huchenfang, der tote Köderfisch wurde an diesem Spinnsystem mit einer durchsichtigen, für den Fisch unsichtbaren Turbine zur Rotation gebracht. Er fing damit im Inn einen 47-Pfünder. Weitere Spinnsysteme entwickelte er: Den Röhrchenspinner und den Ideal-Wobbler, auch verbesserte er das Krokodil-Spinnsystem der Firma Hardy. Uns heute noch bekannt, ist vor allem sein Heintzblinker. „Viele Versuche und langwierige Kleinarbeit waren nötig, um herauszubringen, welche Form die beste sei, welche Montierung anzubringen war und wie diese eingehängt werden musste, damit Fehlbisse möglichst vermieden werden. Alle diese Probleme wurden von Dr. Heintz glänzend gelöst, so dass heute von jedem richtigen Sportfischer anerkannt werden muss, dass der Heintzblinker unter den erfolgreichen künstlichen Ködern an erster Stelle steht“, schwärmte Wieland 1925 über den „jederzeit liebenswürdigen, feingebildeten Mann lautersten Charakters“. Heintz erfand auch ein zusammenklappbares Gaff und einen transportablen Kescher, konzipierte eigene Vorfächer, verbesserte Schlepp- und Grundbleie und das Paternostersystem. Mit der Eisvogelfliege entwickelte er einen der ersten Großstreamer zum Hecht- und Huchenfang.

Der Vordenker

Heintz brachte die Interessen der Sportfischerei in Deutschland erstmals in die öffentliche Diskussion. Er forderte die Einführung von Schonzeiten, Mindestmaßen und einer schlagkräftigen Fischereiaufsicht. Er kämpfte gegen Gewässerverschmutzung und die Regulierung der Flüsse. Mit seinem Denken legte er die Grundlagen unserer heutigen Angelfischerei-Gesetzgebung in Deutschland. In seinem von ihm gegründeten Sportfischerverein „Die Gespließten“ versammelte er die Münchner Prominenz, Künstler und Professoren diskutierten dort übers Fischen. Angeln wurde durch Heintz auch in Deutschland zur angesagten „Trendsportart“ für Intellektuelle, München zu einem Kraftzentrum der deutschen Angelei.

Anzeige aus dem Jahr 1925.

Heintz war überzeugter Spinnfischer, vom Ansitzangeln, dem „Schluckangeln“ mit grobem Gerät, hielt er nichts: Diese Angelmethode „kann nicht ebenso hoch eingeschätzt werden und ist nicht in dem Grade sportmäßig, und zwar aus zwei sehr gewichtigen Gründen: Erstens widerspricht es den Gefühlen eines echten Sportmanns, einen Fisch, die kleinen Exemplare nicht ausgenommen, so zu verangeln, dass der Haken im Magen sitzt, was nicht nur den Ansichten über Schonung und Hegung zuwiderläuft, sondern auch vom humanitären Standpunkte aus angegriffen werden kann. Zweitens fällt gerade bei der Art zu angeln der Hauptgenuss des Sportfischers weg, der Kampf mit dem Fisch und die Ungewissheit über den Ausgang.“ Er war der erste Deutsche, der mit möglichst feinem Gerät großen Fischen nachstellte. Von „Topfjägern“, den reinen Kochtopfanglern, hielt er nichts. Der Doktor war aber in keiner Weise ein „Catch & Release“-Angler im heutigen Sinne. Jeder größere Fisch landete in seiner Pfanne, aber alle kleineren und mittleren gingen wieder zurück.

Dr. Heintz

Heintz-Zitate

– „Das Haupterfordernis für den Angelfischer ist Ruhe und kaltes Blut.“
– „Seien wir uns doch erst darüber klar, dass die Freude am Angelsport doch nicht darin bestehen kann, möglichst viele Fische zu töten. Es ist zwar verzeihlich, wenn der Neuling seine Freude daran hat, einen möglichst großen Korb voll zu erbeuten, der fischgerechte Sportfischer wird aber nur seine Befriedigung finden, wenn das Durchschnittsgewicht seiner Beute ein möglichst großes ist. Die kleineren Exemplare wirft er gerne wieder ins Wasser, hat er doch das Bewusstsein, sie gefangen zu haben, ob er sie nun tötet oder nicht.“
– „Die Flugfischerei ist der Triumph der Kunst über die rohe Naturkraft. Die Fische, welche man mit zierlichen Fliegen aus Federn und Seide fängt, werden kaum verletzt, die Verwundung verursacht keine Schmerzen und gibt dem Fischer die Möglichkeit, die kleinen Exemplare zu schonen und dem Wasser zu erhalten.“
– „Es ist geradezu merkwürdig, wie wenige Menschen es gibt, die beim Anblick eines großen Fisches an der Angel nicht ganz unzurechnungsfähig werden und sofort drauf losstürzen, wie wenn sie einem Ertrinkenden rasche Hilfe bringen wollten.“
Info: Ein Muss für den Bücherschrank – das Standardwerk „Der Angelsport im Süßwasser“ (464 Seiten, 310 Abbildungen, 4 Farbtafeln) ist ab Februar 2008 als Reprint für 49 Euro erhältlich (www.fischueberalles.ch, E-Mail: info@fischueberalles.ch).

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