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Rolle oder Fliegendose?

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Angelrolle oder nicht? Eine der ersten Abbildungen einer europäischen Angelrolle in
Angelrolle oder nicht? Eine der ersten Abbildungen einer europäischen Angelrolle in "The Experienced Angler" von Robert Venables, 1662.

Regen, Kälte und Hochwasser halten die meisten von uns gerade vom Angeln ab. Statt dicke Fische zu drillen, lautet die Devise Rollen ölen und mit frischer Schnur bespulen. Doch seit wann gibt es eigentlich Angelrollen. Schaut man sich einen Kupferstich aus dem Jahre 1662 an, so kommt man ins Grübeln.

Vielleicht wäre das Buch „The Experienced Angler“ des Briten Robert Venables (1613–1687) heute in Vergessenheit geraten, wenn es auf seinem Titelblatt nicht ein Detail enthalten würde, das Generationen von Anglern noch immer Rätsel aufgibt: Handelt es sich bei dem runden Teil in der oberen rechten Bildecke um eine Angelrolle oder nicht?

Runder Dreh- und Angelpunkt

Diese Frage ist alles andere als leicht zu beantworten, denn auf den ersten Blick würde jeder moderne Angler darin eine Multirolle erkennen. Doch ist dies in einem Zeitalter vorstellbar, in dem man den Fischen mit Weidenruten und aneinander geknüpften Pferdehaaren nachstellte? Befürworter der Rollenansicht verweisen seit langem auf eine Stelle im Buch, in der Venables über das Hechtangeln schreibt, dass man beim Schleppen mit Kunstködern auf die Unterstützung mittels einer Winde zurückgreifen sollte sowie an der Spitze seiner Rute einen Ring anzubringen hätte, durch den die Schnur laufen soll. Zugleich empfiehlt er aber im Kapitel über das Fliegenfischen auf Forellen nur die doppelte Rutenlänge Schnur und verliert dort kein Wort über eine Winde, obgleich einfache Fliegenrollen, die wir aus dem 18. Jahrhundert kennen, vermutlich schon im 17. gebräuchlich waren. Wenn die Winde also das ultimative Instrument zur Bezwingung kapitaler Hechte war, warum hat sich diese Erfindung im 17. und 18. Jahrhundert nicht durchgesetzt? In den Texten anderer Angelbücher und auf den vielen Abbildungen jener Zeit sucht man Rollen jedenfalls vergeblich und selbst auf Bildern es 19. Jahrhunderts haben sie Seltenheitswert.

Ein Bestseller des 17. Jahrhunderts

Dass das Buch von Venables noch zu seinen Lebzeiten fünf Auflagen erlebte, lag wohl weniger am rätselhaften Titelkupferstich, sondern hatte eher damit zu tun, dass kein geringerer als der Altmeister des Angelsports schlechthin, Izaak Walton (1593–1683), das Vorwort verfasst hatte. Walton, der selbst zu den spätberufenen Angelbuchautoren zählte und seinen Klassiker „The Compleat Angler“ (Der vollkommene Angler) erst im Alter von 60 Jahren zu Papier gebracht hatte, versicherte den Lesern: „Ich habe viele Bücher über das Angeln gelesen und viel aus ihnen gelernt. Doch habe ich nie ein Buch wie dieses mit all seinem Sachverstand und all seiner Vernunft in Händen gehalten.“ Und in der Tat ist „The Experienced Angler“ nicht allein im Hinblick auf die Frage nach einer funktionierenden Rolle noch heute ein hochinteressantes Werk. Ob es sich bei der vermeintlichen Rolle aber nicht doch um eine Dose zur Aufnahme der ebenfalls dort abgebildeten Fliegen handelt, ist eine Frage, die noch lange diskutiert werden dürfte.

Dr. Markus Bötefür

Link-Tipp: Wer erfand die Angelrolle?

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