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Fliegenfischers Farbenlehre

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Farbenlehre
Bunte Fliegenschnüre betrachtet der Autor mit Argwohn.
Reizfliegen
Reizfliegen müssen sich nach Ansicht des Autors von der natürlichen Umgebung möglichst stark abheben.

Die Wahl der Köderfarbe liefert Fliegenfischern immer wieder Gesprächsstoff, weil der Erfolg wesentlich von der Gestaltung des Kunstinsekts abhängt. Doch Phill Williams richtet sein Augenmerk auch auf die jeweils gerade herrschende Wassertönung sowie die Einfärbung von Fliegenschnur und Vorfach, um besser zu fangen.

By Phill Williams

Welche die „richtige“ Farbe der Fliege gewesen wäre, weiß der Petrijünger leider meist erst am Ende des Angeltages – und da hat er möglicherweise schon mehrere Stunden ein untaugliches Muster angeboten. Es gibt zwar je nach den Gewässerverhältnissen grobe Faustregeln: So soll leuchtendes Orange angeblich an heißen, sonnigen Tagen wirken oder Schwarz früh in der Saison zum Erfolg führen. Leider wissen die Forellen von solchen Grundsätzen nichts und werfen sie nur zu gerne über den Haufen.

Reizfliegen mit Kontrast

Wonach ich mich richte? Beim Fischen mit Reizfliegen wie Streamern wähle ich Muster, die sich von den herrschenden Verhältnissen eher abheben als mit ihnen harmonieren. Beispielsweise bedeutet das, im Licht der Abendsonne einmal nicht auf die sonst so beliebten, poppigen Muster in Rottönen zurückzugreifen, sondern etwa auf Modelle in leuchtendem Grün oder Blau.

Insgesamt müssen wir bei der Reizfliegen-Farbwahl keine Gedanken an mögliche natürliche Vorbilder verschwenden. Solche Verführer imitieren eben keine im Gewässer vorkommenden Futterorganismen – auch keine Kleinfische, wie manchmal angenommen wird. Welcher Brütling ist schon knallbunt?

Meiner Ansicht nach wirken leuchtende Farben besonders gut, wo das Wasser stark getrübt ist. Dort, wo die Sichtigkeit höher ist, versprechen insgesamt dunkle Fliegen an hellen Tagen und helle bei bedecktem Himmel beste Erfolge. Hohe Kontraste sind angesagt, besonders bunt müssen die Muster jedoch nicht sein.

Im Gegensatz dazu steht der Einsatz von naturnahen Imitaten, wie beim Nymphen- oder Trockenfliegenfischen. Hier versucht der Angler, sich bei der Köderwahl und -führung nach Aussehen und Verhalten der natürlichen Vorbilder zu richten. Ich bin mir jedoch sicher: Die meisten der entsprechenden Fliegen fangen weniger wegen ihrer hohen Ähnlichkeit mit tatsächlichen Nahrungsorganismen, sondern auch sie verführen den Fisch vornehmlich durch ein generelles Farb- und Formschema sowie ihrer Bewegung.

Viele Binder übersehen in ihrem Eifer beim Nachbilden der Naturnahrung, dass sie eigentlich sich selbst und nicht den Fisch überlisten. Denn auch wenn die Fliege absolut perfekt gebunden ist, bleibt der Erfolg ohne die entsprechende Führung aus. Richtig angeboten genügt es hingegen, wenn die Fliege lediglich ein paar Schlüsselreize in Form und Farbe aufweist – ob ein Beinchen mehr oder weniger dranhängt, interessiert keine Forelle!

An der Grenze zum Trüben fischen

Das Fliegenmuster nach den Gewässerbedingungen zu wählen, heißt, auf die jeweilige Sichtigkeit des Wassers zu achten. Beeinflusst wird sie beispielsweise durch Regenfälle, Zu- und Nebenflüsse, Wellenschlag sowie Algenwachstum – letzteres vornehmlich in Stillgewässern. Alle Faktoren trüben das Wasser und geben ihm eine mehr oder weniger auffällige Farbe.

Dies aber häufig nur in bestimmten Abschnitten des Gewässers, so dass es an anderen Stellen noch vergleichsweise klar ist. Besonders dort, wo sich beide Gebiete berühren, lohnt sich ein Angelversuch. Gerade Forellen lieben es, in dieser Mischwasserzone zu patrouillieren. Sie schwimmen auf der klaren Seite und warten auf Futterorganismen, die leicht orientierungslos aus dem weniger sichtigen Bereich kommen.

Wie effektiv das Befischen dieser Stellen sein kann, erlebte ich im vergangenen Frühjahr: Ich beangelte an einem hellen und sonnigen, aber doch windigen Nachmittag einen großen See vom Boot aus. Der Wind hatte das Wasser entlang der Ufer aufgewirbelt, weshalb es zum Land hin wie Milchkaffee aussah. Exakt am Rand dieses trüben Wassers konnte ich mit einer Montana-Nymphe einige gute Fische an den Haken bringen, während die Angler an den anderen Stellen am See durchweg leer ausgingen.

Die Sichtigkeit des Wassers beeinflusst neben der Wahl der Fliegenmuster und des Angelplatzes auch die Entscheidung über die Vorfachlänge. Drei Meter reichen bei eingefärbtem, trübem Wasser aus, während ich unter sehr klaren Bedingungen so lange Ausführungen empfehle, wie sie sich gerade noch werfen lassen. Denn jetzt würde eine Wurfschnur zu nah an der Fliege den Fisch bei der Köderaufnahme alarmieren.

Fliegenschnur oft zu bunt gewählt

Wer im sichtigen Wasser mit einer Sinkleine fischt, sollte unbedingt auf eine Ausführung in einem unauffälligen Grün oder Braun achten, denn die Scheuchwirkung einer kunterbunten Variante wird oft unterschätzt. Auch schwimmende Fliegenschnüre mit einem matten Creme-Ton sind unverdächtiger als wunderbar sichtbare Leuchtfarben.

Viel eher noch als die Wurfleine kann jedoch eine ungünstige Farbe des Vorfachs Fische vom Biss abhalten. Während das an Sinkschnüren noch eine untergeordnete Rolle spielt, kann die Vorfachspitze an einer Trockenschnur selbst in feinster Ausführung noch zu auffällig sein. Deshalb sollten die letzten Zentimeter des Vorfachs beim Trockenfliegenfischen auch immer eintauchen, weil die Sehne im Wasser dann weit weniger gut zu erkennen ist als eine gekräuselte direkt auf der Oberfläche.

Die aufregendsten Erkenntnisse über die Sichtbarkeit von Monofilamenten stammen von einer wissenschaftlichen Untersuchung aus dem Jahr 1991, die zwar auf die Kiemennetze der Berufsfischer im Meer abzielte, jedoch auch für unsere Belange wertvolle Hinweise lieferte. Die Forscher beobachteten und fotografierten in einem Tank unterschiedlich gefärbte Monofil-Abschnitte in verschiedenen Tiefen natürlichen Meerwassers.

„Glänzende“ Vorfachknoten

Unter anderem entdeckten die prüfenden Augen dabei, dass bestimmte Schnurfarben in der Horizontalen sehr leicht zu sehen, senkrecht jedoch kaum auszumachen sind. Andere Farben zeigten den genau umgekehrten Effekt. Das von oben einfallende Licht brachte durchsichtiges Monofil sowie insgesamt die helleren Farben (zum Beispiel Gelb) in der Waagerechten am deutlichsten zur Geltung. In der Senkrechten verloren diese Sehnen hingegen den verräterischen Glanz. Dunkle oder kräftig eingefärbte Schnüre waren im Gegensatz dazu besonders auffällig, wenn sie senkrecht im Wasser hingen, waagerecht waren sie jedoch kaum zu erkennen.

Als besonders fatal erwiesen sich Knoten auf der Schnur. Sie brachten insbesondere durchsichtige Schnüre zum Strahlen: Der Knotenpunkt reflektiert das Licht wie ein Diamant. Damit geraten angebundene Seitenarme beim Fliegenfischen und die aus verschieden starken Monofilabschnitten zusammengeknüpften Vorfächer etwas ins Zwielicht. Auch Windknoten erhalten eine völlig neue Bedeutung, besonders wenn sie nahe am Köder liegen.

Obwohl ich über viele Jahre sowohl an klaren als auch an gefärbten Vorfächern – mit und ohne Knoten in der Nähe zur Fliege – Fische fangen konnte, nehme ich die Forschungsergebnisse ernst. Heute gehe ich nicht mehr nur mit unterschiedlich starkem, sondern auch unterschiedlich gefärbtem Vorfachmaterial ans Wasser.

Auch wenn die durchsichtige Leine waagerecht, also in der beim Fischen üblichen Ausrichtung, eingesetzt, ihre Probleme mit sich bringt, verwende ich sie nach wie vor am häufigsten, besonders an hellen Tagen in den oberen Schichten. Denn hier ist das Wasser so stark lichtdurchflutet, dass die Reflexe des Vorfachs kaum noch ins Gewicht fallen dürften. Wenn ich hingegen tief fische, greife ich lieber zu grünem oder braunem Monofil, weil in unteren Gewässeretagen insgesamt weniger Licht vordringt. Hier würden die „strahlenden“ Eigenschaften einer waagerecht geführten, hellen Schnur eher stören.

Foto: Verfasser

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