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Der Weiten-Wahn

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Weiten-Wahn
Um eine kapitale Forelle zu verführen braucht es in erster Linie die gelungene Präsentation – und nicht die Wurfweite.
Glücklicher Fänger
Wenn alles geklappt hat, strahlt der glückliche Fänger und präsentiert seinen 45 Zentimeter großen Erfolg.

Wer beim Werfen der Fliegenschnur sein Backing nicht sieht, sieht im Gespräch alt aus aus. So zumindest die Meinung vieler Distanz-Freaks. Hermann Klier kämpft gegen den Weiten-Wahn.

By Hermann Klier

Sobald zwei oder mehr Fiegenfischer beieinander stehen und diskutieren, bricht er aus, der Weiten-Wahn. Da wird mit Metern geprotzt, werden Entfernungen angegeben, dass sich die Balken (oder die Ruten) biegen. Es scheint manchmal, als sei dies die einzig akzeptable Art der Selbstdarstellung innerhalb dieser Angler-Spezies. Ein Imponiergehabe, das sich in den Metern misst, die die Fliege durch die Luft schwirrt. Wobei oft genug der Wunsch der Vater der Strecken-Angabe ist – Fliegenangler-Latein eben. Dabei stellen Wurfdistanzen von 20 und mehr Metern mit einer normalen Standardausrüstung der Schnurklasse fünf schon eine respektable Leistung dar und werden, wenn wir nachmessen würden, tatsächlich nur von wenigen Cracks erreicht.

Zumal solche Reichweiten fast immer überflüssig sind. Denn in mehr als 20 Jahren habe ich fast alle Schuppenträger auf eine Distanz von maximal zehn Metern gefangen. Auch Angelfreunde bestätigen diese Erfahrung immer wieder. Im Nahbereich plagen uns außerdem ganz andere Probleme: zum Beispiel ein präziser Service; oder, was oftmals fangentscheidend ist, mit zwei, drei Leerwürfen auf Weite zu kommen. Und landet der Köder schließlich auf dem anvisierten Wasserflecken, fragt es sich, ob der Vorhalt groß genug ist, um dem Flossenträger die Chance zur Inspektion des Angebots zu geben.

Nahkämpfer fangen besser

Gute, routinierte und erfolgreiche Fliegenfischer testen stets den Nahbereich zuerst. Erst wenn „vor ihren Füßen“ kein Biss die Rute biegt, steigern sie Stück für Stück die Entfernung – aber nicht ins Uferlose, sondern immer nur im Sichtkontakt-Bereich. Denn die Trockenfliege, den Bissanzeiger oder die Schnur im Auge zu behalten, ist für den Anhieb unerlässlich. Schließlich behaupten viele „Altmeister“ der Nymphenfischerei, dass lediglich etwa jedem zehnten Biss auch der Anhieb folgt, weil nur ein Bruchteil der Hakenkontakte erkannt wird. Wer seine Fliege da noch auf unkontrollierbare Distanzen präsentiert, reduziert seine Chancen nahezu gegen Null. Für die Praxis bedeutet dies, dass speziell an langsam strömenden Gewässern – etwa beim Fischen auf Äschen – nicht mehr als zwölf Meter von der Rolle gezogen werden sollen. Stelle ich den Cypriniden nach, deren Sichtweite in ihren Hausgewässern durch Schwebstoffe eingeschränkt wird, beschränke ich mich mit der Nymphe sogar auf nur zehn Meter.

Extrem heißt 16 Meter

Mit einer gut sichtbaren Trockenfliege am Vorfach versuche aber auch ich mein Glück in der Ferne – im Extremfall auf rund 16 Meter. Bereits dann schon wird die Präsentation des Köders zum Glücksspiel. Oft verschätze ich mich, und der Fisch kann nur einen kleinen Teil der Fliegendrift wahrnehmen.

Je schneller und rauer das Wasser daherschießt, desto geringer die Gefahr, dass der Schuppenträger den lauernden Angler erkennt. Es darf also ruhig ein bisschen mehr Distanz sein. Gerade in der starken Strömung eines Bergflusses oder Lachsgewässers haken sich viele Fische selbst. Denn hier muß er innerhalb von Sekundenbruchteilen zwischen „zuschnappen“ oder „hungrig bleiben“ entscheiden. Und entsprechend vehement fällt dann der Anbiss aus. Dass die Sache einen Haken hat, merkt der Fisch erst, wenn er ihm im Maul steckt. Soweit die Theorie. Aber je mehr Schnur wir in die Strömung werfen, desto unkontrollierter schwimmt die Fliege. Also stellt auch hier der Weitwurf die Ausnahme dar.

Werfen ist stets nur Mittel zum Zweck. Und das Präsentieren eines Köders am Wasser unterscheidet sich grundlegend von irgendwelchen Reichweiten-Demonstrationen auf der grünen Wiese. Ich kenne eine Menge Fliegenfischer, die mit einem „bescheidenen“ Kurzwurf-Stil jede Menge Beute landen. Die Weiten-Jäger hingegen beeindrucken durch allerlei Mätzchen. Aber im Ernstfall am Wasser fluchen sie dann über ätzende Brennnesseln, wuchernde Büsche und lästige Äste – Wiesenfischer eben.

Foto: Sven Helmes

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