Was bedeuten eigentlich die seltsamen Bezeichnungen auf den Hakenpäckchen: Mustad O’Shaughnessy, Partridge Extra Long Limerick oder Aberdeen Perfect? Von Thomas Kalweit
Unser wichtigstes Utensil? Eindeutig der Angelhaken! Eigentlich doppelt gemoppelt, denn mit dem Wort „Angel“ wurde ursprünglich nur ein gebogener Haken bezeichnet, eine Türangel etwa. Erst in jüngster Zeit wurde aus der „Angel“ die Angelrute. So schrieb der Münchner Angelgerätefabrikant H. Stork noch 1898: „England und Irland produzieren unstreitig die besten Angeln und beherrschen im feineren Genre seit urdenklicher Zeit und auch heute noch den Weltmarkt. Von der Vorführung deutscher Angeln will ich absehen, weil solche in Feinheit der Ausführung und Güte des Stahls den englischen etwas nachstehen und sich daher weniger für Sportfischer eignen.“ Die besten Haken kamen lange Zeit von den britischen Inseln. In verschiedenen Städten und Werkstätten bildeten sich dort mit den Jahrhunderten typische Hakenformen heraus. Haken werden bis heute vor allem nach der Form des Hakenbogens benannt. Doch ist eine genaue Zuordnung oft schwierig, gibt es doch unendlich viele Misch- und Zwischenformen.
Der Ursprung
Der „Kirby“ (1) ist die ursprünglichste Hakenform, der erste Haken, der von einem spezialisierten Hakenschmied hergestellt wurde. Vor Charles Kirby wurden die Haken von groben Dorfschmieden aus einfachen Stecknadeln oder kleinen Nägeln gehämmert. Die englische Firma war zwischen 1650 und 1775 der weltweit führende „hook maker“. Altmeister Izaak Walton über Kirby: „Der exakteste und beste Hakenhersteller, den die englische Nation hervorgebracht hat!“ Ansässig war die Firma in Harp Alley, Shoe Lane, London. Nur die Kirbys kannten damals das Geheimnis von für Haken geeignetem Karbonstahl. Sie lieferten in die ganze Welt. Das geheime Stahlrezept Kirbys soll übrigens Prinz Rupert von der Pfalz erfunden haben. Der deutsche Duke von Cumberland und Earl von Holderness war Oberbefehlshaber im englischen Bürgerkrieg und einer der führenden Naturforscher seiner Zeit. Rupert residierte damals ebenfalls in London, nur einige Straßen von Kirby entfernt. Dort tüftelte er Schießpulverrezepte aus und spezielle Legierungen für den Kanonenguss, darunter das bis heute nach ihm benannte „Prinzmetall“. Alle Kirbyhaken hatten eine Eigenheit: Die Hakenspitze wurde seitwärts abgewinkelt. Bis in die heutige Zeit steht „Kirby“ deshalb oft auch als Synonym für „Spitze seitwärts“, gleich welche Form der Hakenbogen hat. Im Englischen hat sich sogar das Verb „kirbed“ für geschränkt daraus entwickelt. Doch der Kirby ist keine altmodische oder ausgestorbene Hakenform. Einer der berühmtesten Karpfenhaken, der Partridge Jack Hilton, ist ebenfalls ein Kirby.
Kendal (2), eine im nordwestenglischen Cumbria gelegene Stadt mit ehemals großer Hakenindustrie. Hier begann der Nadelschmied Hutchinson bereits 1745 mit seiner Produktion. Typisch für den Kendalhaken ist der wie ein gotischer Spitzbogen aussehende Hakenbogen. Berühmt ist Kendal heute nur noch für typisch englische Pfefferminzschokolade und Pfeifentabak. Limerick (3): feindrähtiger Haken mit einer geraden, senkrechten Spitze – und dem charakteristischen Limerickknick. Seit etwa 1790 produzierte in der irischen Stadt am Shannon eine große und bedeutende Nadel- und Hakenindustrie. Der wichtigste Hersteller von Limerickhaken war die Firma Sell in der Limericker Quay Lane. Vom typischen Limerickhaken gibt es vier besonders bekannte Abwandlungen: Crystal, O’Shaughnessy, Jamison und Pennell. Der Crystal (4) besitzt eine deutlich kürzere Spitze als der klassische Limerick und einen weiteren Bogen. Er ist bis heute der in England beliebteste Matchhaken auf Brassen und Rotaugen. Mit dem „Kamasan Crystal Whisker Barb B 520“ in der unglaublichen Größe 20 erangelte sich 1985 der Engländer Dave Roper den Weltmeistertitel, er landete mit dem Hakenwinzling sogar zwei Karpfen bis 4 Pfund. Eigentlich ist der Crystal durch die kurze Spitze zum Großfischangeln nicht besonders gut geeignet. Die typische Limerickhakenform wurde seit dem frühen 19. Jahrhundert vor allem von Lachsanglern zum Binden ihrer Fliegenkunstwerke bevorzugt. Auch die 1795 gegründete Firma O’Shaughnessy produzierte in Limerick. Ihre Variation des Limerickhakens war dickdrähtiger, die Spitze elegant nach außen geschwungen. O’Shaughnessy-Haken (5) waren zum Lachsangeln ohne Zweifel die besten, gefragtesten und teuersten der damaligen Zeit. Für Normalsterbliche unerschwinglich. Eine heute nicht mehr geläufige Abwandlung ist der Jamison (6): Ein Limerick ohne Widerhaken, mit schlangenförmig gebogener Spitze. Der Coburger Bürgermeister und Angelgerätehändler Karl Fliege schwärmte noch 1932 über den bartlosen Schonhaken: “Die eigenartige Biegung der Hakenspitze und die durch das Fehlen des Widerhakens bedingte kleine Einstichöffnung bewirken, dass dieser Haken den Fisch ebenso gut hält wie ein gewöhnlicher Haken.“ Heute ist das Modell leider ausgestorben. Eine weitere, bekannte Variante ist der Pennell-Haken (8), eine Zwischending aus Limerick und Sneckbend mit einem nach innen gebogenen Öhr. Bis heute wird eine solche Hakenöse deshalb Pennellöhr genannt. Diesen speziellen Hakentyp hat H. Cholmondeley-Pennell im 19. Jahrhundert für die Herstellung von Spinnsystemen aus mehreren Haken entwickelt.
Krumme Dinger
Der Sneckbend (7), auch kurz „Sneck“ genannt, ist eine auf den ersten Blick leicht zu erkennende Hakenform mit dem typischen zweieckigen Bogen. Auf deutsch wird er auch „Eckbogen-Haken“ genannt. In den englischen Form wird er immer am Ende mit „d“ geschrieben, nicht mit „t“, wie man oft liest.
Aberdeen (12): Ein sehr dünndrähtiger, langschenkliger Aalhaken mit weitem Rundbogen aus der schottischen Küstenstadt, der eher verbiegt als dass er bricht. Durch den Rundbogen lassen sich Würmer leichter aufziehen, durch den langen Schenkel tiefsitzende Haken problemlos lösen. Der klassische Butthaken wurde unter dem Namen Carlisle (13, gesprochen „Karleil“) bekannt, er ist dickdrähtiger als der Aberdeen, und hat einen kleineren Bogen. Das nordwestenglische Städtchen an der schottischen Grenze liegt nur 60 km nördlich von Kendal entfernt. Heute wird oft auch jeder schlichte Rundbogen als Carlisle-Haken bezeichnet. Weitere Hakenformen: Sproat (10), hier ist die Hakenspitze nach innen gebogen und zeigt fast in Richtung Öhr. Dieses Muster hat sich ein gewisser Mr. Sproat 1880 bei Hutchinsons in Kendal speziell anfertigen lassen. Eine klassische Form für Fliegenhaken. Italian oder Perfect (11): Beides sind Synonyme für ein und denselben Haken – ein kurzschenkliges, geschränktes Rundbogenmodell. Der Perfect wurde von Richard Walker als bester Karpfen- und Specimenhaken empfohlen. Gladia (9): im Grunde ein kurzschenkliger, dickdrähtiger Sneckbend, „der“ Großfischhaken für die Meeresangelei.