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Mehr Sauerstoff für den Sander See

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Unter dem Rohr hängt eine 10 x 6 Meter große Plane in der Mitte des Sees Foto: Henning Stilke

Der Sander See bei Wilhelmshaven leidet alljährlich im Sommer unter der Blaualgenblüte. Jetzt wurde in einem gemeinsamen Projekt des Sportfischervereins Wilhelmshaven mit der Gemeinde Sande, der DLRG und Professor Dr. Ing. Jürgen Michele vom Institut für Energie-, Verfahrens- und Umwelttechnik (EVU) der Jade Hochschule in Wilhelmshaven eine Maßnahme getroffen, die für eine Anreicherung des Sees mit Sauerstoff und damit zur Bekämpfung der Blaualgenblüte sogen soll.

Das zentrale Instrument zur Sauerstoffanreicherung bildet dabei eine 10 x 6 Meter große Kunststoffplane. Sie ist unter Wasser wie ein Segel gespannt. Von der Oberfläche, an der sie an einem schwimmenden Rohr befestigt ist, reicht sie in 6 Meter Tiefe herunter. Dabei wird die Plane nach unten mit Gewichten gespannt, und die gesamte Konstruktion ist mit einer fest verankerten Boje verbunden.

Umwälzung durch Unterwasser-Segel

Das Ganze hat den Sinn, für Umwälzung des Wassers und für einen Transport von Sauerstoff in die tieferen Wasserschichten und insgesamt für eine Sauerstoffanreicherung zu sorgen. Der erhöhte Sauerstoffgehalt des Wassers soll dann wiederum einer Blaualgenblüte entgegenwirken.

Das Prinzip, für die Umwälzung ein „Unterwasser-Segel“ zu nutzen, entstand bei der Beobachtung von Flugdrachen. Damit sich ein Flugdrache in die Luft erhebt, wird der Schwung des herannahenden Windes heruntergedreht, wodurch eine aufwärts gerichtete Kraft entsteht. Ähnlich wie ein Flugdrache in die Höhe gebracht wird, soll die durch den Wind entstandene Oberflächenströmung in einem See mit Hilfe der Plane aufgefangen und in die Tiefe gelenkt werden. Hierdurch soll die natürliche Zirkulation des Wassers unterstützt werden, um die temperaturbedingte Schichtung im See aufzuheben und den Transport von oberflächennahem sauerstoffreichem Wasser in die Tiefe zu ermöglichen.

Professor Michele, der die Methode maßgeblich mitentwickelt hat, befasst sich bereits seit 30 Jahren mit der Frage, wie man die Schichtung von Gewässern auflösen und einen Sauerstofftransport in die Tiefe erreichen kann. Dabei steht er im Austausch mit Wissenschaftlern verschiedener Länder, die sich ebenfalls mit dieser Problematik befassen. Seine fachlichen Veröffentlichen zu dem Thema wurden in 100 Ländern gelesen.

Die Plane mit einer Fläche von 60 Quadratmetern. Foto: Heinz Gräßner

Nach vorherigen Versuchen im Accumer See in Schortens und dem Banter See in Wilhelmshaven, wurde nun im Mai 2021 erstmals eine Vorrichtung genau nach den Vorstellungen von Professor Michele im Sander See eingebracht.

Zu dem Projekt kam es, nachdem die Gemeinde Sande im Frühjahr mit Heinz Gräßner als Vorsitzenden des SFV Wilhelmshaven, der den See gepachtet hat, Kontakt aufnahm, um das Problem der Blaualgenblüte zu besprechen. Für die Gemeinde werden die Blaualgen – genau genommen handelt es sich um Cyanobakterien – vor allem deshalb zum Problem, weil sie dafür sorgen, dass der beliebte Badestrand an dem See geschlossen werden muss.

An der Wasseroberfläche bilden abgestorbene Blaualgen eine übelriechende Schicht, die bei direktem Kontakt zu Haut- und Schleimhautreizungen führen kann. Dies bedeutet nicht nur ein Schwimmverbot für Badegäste, sondern schränkt auch das Angeln ein. Für das Ökosystem in einem See ist die Algenblüte eine extreme Situation, unter der auch der Fischbestand leidet.

Heinz Gräßner steht schon länger in Kontakt mit Professor Michele und regte deshalb sofort an, die von ihm entwickelte Methode anzuwenden. Dass es so schnell zur Umsetzung kam, ist der Gemeinde Sande und der DLRG zu verdanken, die für eine ordnungsgemäße und sichere Abwicklung der Installation sorgten. Beschleunigend wirkte aber auch der Umstand, dass die Methode sehr kostengünstig ist. Das Material für Plane, Seile, Gewichte und Boje für einen Betrag von rund 200 Euro organisiert der SFV Wilhelmshaven. Dann kamen noch ein paar Arbeitsstunden hinzu. Den Rest erledigen nun Wind und Strömung.

Im Sander See werden regelmäßige Messungen durchgeführt, um die Wirkung der Anlage zur Sauerstoffanreicherung zu dokumentieren. Im Laufe des Jahres wird sich dann zeigen, in welchem Maße die Algenblüte bekämpft werden konnte.

Zum Hintergrund:

In vielen Seen kommt es im Sommer zu Blaualgenblüten, was über Wochen das Erscheinungsbild der betroffenen Gewässer trübt. Da sich Blaualgen wie andere Bakterien durch Zellteilung vermehren, können sie sich unter günstigen Bedingungen sehr schnell ausbreiten. Die massenhafte Ausbreitung der Blaualgen wird durch Sonnenlicht, Wärme und vor allem durch einen erhöhten Nährstoffgehalt im Gewässer begünstigt. Nach dem Absterben sinken die Blaualgen auf den Seegrund und werden unter Sauerstoffverbrauch von Organismen mikrobiell abgebaut. Dies kann sehr schnell zu Fäulnisprozessen und einem Sauerstoffmangel im Gewässer führen.

Bei der Verfügbarkeit von Sauerstoff in Seen hat die temperaturbedingte Schichtung des Wassers einen entscheidenden Einfluss. Die Schichtung wird hervorgerufen durch die Dichteeigenschaften des Wassers. Wasser hat bei 4 Grad seine höchste Dichte und ist bei dieser Temperatur demnach am schwersten. Durch die Sonne wird das Oberflächenwasser erwärmt, wogegen im Tiefenwasser kältere Temperaturen vorherrschen. Das Oberflächenwasser (Nährschicht), welches als Epilimnion bezeichnet wird, lagert somit über dem Tiefenwasser (Zehrschicht), dem Hypolimnion. Die beiden Schichten werden durch eine Zwischenschicht getrennt, der sogenannten Sprungschicht (Metalimnion). Es handelt sich hierbei um eine dünne Schicht, die den Übergang zwischen Epilimnion und Hypolimnion bildet. Die stabile Schichtung des Wassers (Stagnation) stellt sich außer im Sommer auch im Winter ein.

In unserer Klimazone wird das Wasser im Frühjahr und Herbst durch den Wind durchmischt. Dabei kommt es auch zur Umverteilung von Sauerstoff und Nährstoffen. Im Sommer und Winter wird, bedingt durch die Sprungschicht, der Stoffaustausch zwischen dem Oberflächen- und Tiefenwasser verhindert. Demnach wird nicht nur der Wärmetransport, sondern auch der Transport von Sauerstoff in die Tiefe des Sees unterbunden. Da im Tiefenwasser weiterhin der Abbau von Biomasse durch sauerstoffverbrauchende Organismen erfolgt, kommt es durch den fehlenden Nachschub an Sauerstoff aus den oberflächennahen Schichten zur Sauerstoffzehrung im Hypolimnion. Bei Mangel an Sauerstoff unterhalb der Sprungschicht kann die Zersetzung von Biomasse zu einer Rücklösung von Phosphat aus dem Sediment führen, welches folglich dem Ökosystem wieder zur Verfügung steht. Unter der Verfügbarkeit von Sauerstoff (aeroben Bedingungen) würde der Nährstoff in den Boden eingelagert werden.

Das Ziel der Methode von Professor Michele ist es, die wärmebedingte Schichtung des Wassers aufzubrechen (künstliche Destratifikation), um den Transport von oberflächennahem, sauerstoffreichem Wasser in die Tiefe zu ermöglichen. Die Methode stellt eine kostengünstige Möglichkeit dar, die Bildung einer Sprungschicht in einem See zu verhindern oder zu verzögern, damit Sauerstoff in die tieferen Bereiche eines Sees gebracht wird.

-Henning Stilke-

Von links: Heinz Gräßner, Vorsitzender des SFV Wilhelmshaven, Stephan Eiklenborg, Bürgermeister von Sande, und Professor Jürgen Michele am Sander See. Foto: Henning Stilke
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