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Woher kommt die Schwingspitze?

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Woher kommt die Schwingspitze?

Den Bissanzeiger direkt vor der Nase: Das Prinzip ist einfach genial. Dennoch erfand es der Zufall. Von THOMAS KALWEIT

Sie hing nur noch schlapp herunter, die Spitze seiner Rute. Ein erbärmliches Bild! Der Matchfischer Jack Clayton musste es mit dem Schmirgeln etwas übertrieben haben. Doch plötzlich ein Zupfer, die abgeknickte Spitze wippte in Zeitlupe, der Anhieb saß. Biss auf Biss konnte er nun am Fenland-Fluss Witham verwandeln. Der Zufall – und Clayton – hatten die Schwingspitze wiederentdeckt! Die Ruten der englischen Wettangler besaßen in den 50er Jahren möglichst dünne Spitzen aus gespließtem Bambus oder sogar aus Walknochen. Letztere schliff man mit Schmirgelpapier so stark, bis man die Bissanzeige einer Bibberspitze erreichte. „Donkey tops“ wurden solche dünngefeilten Zitterspitzen genannt – Donkey (engl. Esel), wegen der Schinderei des Herunterschmirgelns.
Gegen Ende der 50er Jahre perfektionierte der Gerätehändler Clayton aus Boston, Lincolnshire, seine Zufallsentdeckung: Er verband eine fast 40 Zentimeter lange „Swingtip“ per flexibler Nylonverbindung mit der Rutenspitze. Die Methode war auf scheue Brassen revolutionär: In seinem Angelladen gab es ellenlange Wartelisten, jeder wollte die Neuentwicklung erwerben. Ein teurer Spaß: Die ersten Schwingspitzenruten kosteten den Wochenlohn eines Minen- oder Stahlarbeiters.

In den 60er Jahren säumten in den ostenglischen Fenlands jedes Wochenende Matchfischer die Entwässerungsgräben und Tidenflüsse, nahezu alle fischten mit der Schwingspitze auf Brassen. Die neue Methode war auf die Rüsselmäuler unschlagbar, konnten sie doch den Köder aufnehmen, ohne gleich den Widerstand einer Pose zu spüren. Der Angler hatte alle Zeit, die ersten vorsichtigen Zupfer abzuwarten – erst wenn die Schwingspitze deutlich ausschlug, folgte ein saftiger Anhieb. Aber erst 1976 machte Fred Foster die Methode mit seinem Buch „Swing Tipping“ europaweit populär. Foster war Minenarbeiter, im Nebenerwerb gewann er mit der Schwingspitze eine Menge Geld als Wettfischer. In Deutschland erschienen gegen Ende der 70er Jahre erste Aufklärungsaufsätze in der Angelpresse, doch fehlten leider die entsprechenden Ruten mit Gewinde-Spitzenring in den Angelläden. Rudolf Sack, die deutsche Angler-Legende, entwickelte deshalb die so genannte „Messingnadel“ – eine bleibeschwerte Schwingspitze, die mit einem Karabiner oder Sprengring in den Spitzenring eingehängt wurde.

Ein alter Hut

Mit der Schwingspitze vergleichbare Bissanzeiger gab es allerdings schon weit früher: Im „Angler’s Pocket Book“ von 1805 wird bereits eine ähnliche Einrichtung erwähnt. Der Autor und Erfinder ist leider unbekannt. Die „biegsame oder neu erfundene Überwasser-Pose“ funktionierte wie folgt: Ein Zopf aus geflochtenen Schweineborsten wurde wie eine Schwingspitze an der Spitze einer unberingten Stipprute befestigt. Ans untere Ende des Zopfes knüpfte der Angler die Schnur. „Der Bissanzeiger wird die gleichen Bewegungen wie der übliche Schwimmer machen, obwohl er sich außerhalb des Wassers befindet“ – besser kann man eine Schwingspitze nicht beschreiben. Interessanterweise erschien das Buch in der gleichen Region Englands, wo die Schwingspitze in den 50er Jahren wiederentdeckt wurde, den Fenlands. Ein weiterer Vorläufer der Schwingspitze war eine kleine Teigkugel, die vor der Rutenspitze auf die Schnur geknetet wurde. Beim Biss schlug sie aus, verschwand beim Anhieb allerdings auch auf Nimmerwiedersehen. Robert Venables perfektionierte diesen „doughbobbin“ schon 1662, indem er an einer unberingten Stipprute wenige Zentimeter unter der Spitze eine Pose samt Bleibeschwerung montierte. Der Köder wurde auf Grund gelegt, und beim leichtesten Biss schlug die in der Luft hängende Pose wie eine Schwingspitze aus. Die perfekte Bissanzeige! Wie so oft bewahrheitet sich die Regel: Beim Angeln ist alles schon einmal da gewesen. So manche Neuentwicklung ist in der Tat ein alter Hut.

Im März-Heft 2007 stellt Thomas Kalweit die Geschichte des Futterkörbchens vor.

Fotos: Thomas Kalweit

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