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Wissenschaftliches Angeln

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Insgesamt 60 Grundeln fingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juni 2024. Bild: Eva-Maria Cyrus (AVN)
Insgesamt 60 Grundeln fingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juni 2024. Bild: Eva-Maria Cyrus (AVN)

Auf den Spuren einer eingeschleppten Fischart im Mittellandkanal: Ende Juni rückten 15 Anglerinnen und Angler aus, um im Sehnder Mittellandkanal Schwarzmundgrundeln zu fangen, eine nicht-heimische Fischart, die sich in Deutschland zusehends verbreitet.

Die Angelaktion ist Teil eines langangelegten Bürgerwissenschaften-Projekts, welches der Anglerverband Niedersachsen (AVN) zur Untersuchung invasiver Arten ins Leben gerufen hat. Der Verband beteiligte sich mit diesem Angebot an der Woche der Natur der Bingo-Umweltstiftung. Die Teilnehmenden konnten sich aus dem ganzen Land freiwillig melden. In Hannover lauschten sie zuvor einem Fachvortrag über gebietsfremde Fisch- und Krebsarten. Anschließend gab es eine Kochshow, bei der frittierte Schwarzmundgrundeln und gekochte Signalkrebse gekostet werden konnten. Nach dem Motto: „Was man nicht mehr loswird, kann man zumindest essen.“

Grundeln ergründen…

Unter diesem Veranstaltungsnamen trafen sich am 20. Juni Anglerinnen und Angler aus Braunschweig bis Buxtehude in Hannover und Sehnde. Ihre Mission: Sich mit Angelrute, biologischem Wissen und Bratpfanne mit einer Fischart zu beschäftigen, die einst als ungebetener Gast aus dem Schwarzen Meer einreiste.

Die Schwarzmundgrundel wurden erstmals im Jahr 2012 im Mittellandkanal festgestellt und verbreitet sich seitdem rasant. Bild: Florian Möllers (AVN)
Die Schwarzmundgrundel wurden erstmals im Jahr 2012 im Mittellandkanal festgestellt und verbreitet sich seitdem rasant. Bild: Florian Möllers (AVN)

Ein blinder Passagier macht sich breit

Im Jahr 2012 wurden die ersten Schwarzmundgrundeln im Mittellandkanal entdeckt und breiten sich nicht nur dort in rasantem Tempo aus. Denn die kleinen Eroberer von maximal 25 cm Körperlänge sind extrem anspruchslos. Eingeführt wurden die Grundeln mit Schiffen, in denen sie als blinde Passagiere im Ballastwasser mitkamen. Auf dem Speiseplan der an Grund lebenden Fische stehen Muscheln, Krebstiere, kleine Jungfische und Laich. Dabei verdrängen sie mitunter auch heimische Fischarten, wie beispielsweise die Mühlkoppe. Diese hat eine ähnliche Lebensweise, aber viel höhere Ansprüche an die Gewässerqualität, sodass sie in Konkurrenz mit der Schwarzmundgrundel den Kürzeren zieht.

Angeln nach wissenschaftlichen Standards

Das Team vom AVN will wissen, wie es um die Verbreitung nicht-heimischer Fischarten in Niedersachsens Gewässern bestellt ist: Wo kommen sie vor, wie wachsen sie, wovon ernähren sie sich? All das sind Fragen, die der Fischerei- und Naturschutzverband klären möchte. Aus diesem Grund hat das Team ein auf lange Zeit angelegtes Bürgerwissenschaften-Projekt initiiert: Zweimal im Jahr rückt eine Gruppe von Anglerinnen und Anglern aus, um an immer gleichen Stellen im Mittellandkanal, mit gleichem Gerät und Ködern eine zeitlich exakt festgelegte Probebefischung durchzuführen. Die Fänge werden bestimmt, gemessen und gewogen, die Daten im Nachhinein ausgewertet. Zudem hat der Verband eine sogenannte Alien-Spotter-App, worüber Anglerinnen und Angler das ganze Jahr über ihre Fänge oder Beobachtungen gebietsfremder-Fisch- und Krebsarten (auch Aliens genannt) melden können.

Die gefangenen Fische werden gemessen und gewogen, die Ergebnisse genau notiert. Bild: Eva-Maria Cyrus (AVN)
Die gefangenen Fische werden gemessen und gewogen, die Ergebnisse genau notiert. Bild: Eva-Maria Cyrus (AVN)

Möglichkeiten der Bekämpfung

Schwarzmundgrundeln sowie nicht-heimischen Marmor- und Kesslergrundeln ist gemein, dass sie – einmal im Gewässer angekommen – eigentlich nicht mehr loszuwerden sind. „Darum ist Vorsorge die beste Nachsorge,“ betont Fischereibiologe Andreas Maday bei seinem Fachvortrag. Menschen sollten nicht leichtsinnig Grundeln in Gewässer setzen und Angelvereine darauf achten, dass bei Fischbesatz keine ungewollten Fischarten mit eingebracht werden. Zudem gibt Maday zu bedenken, dass naturferne, vom Menschen stark veränderte Gewässer, eine Art Highway für invasive Arten darstellen. Denn diese kommen mit den unwirtlichen Bedingungen gut klar, wohingegen heimische Arten auf natürliche Gewässerstrukturen angewiesen sind. Immerhin gibt es eine Fischart, die sich hierzulande als effektive Grundeljägerin einen Namen gemacht hat: die Quappe. Der AVN vermehrt diesen nur noch selten vorkommenden Raubfisch und siedelt ihn in geeigneten Flüssen wieder an. Doch auch dieser natürliche Fressfeind von Grundeln benötigt naturnahe Fließgewässer für eine erfolgreiche Vermehrung.

Kulinarische Tipps: Wenn sonst nichts mehr hilft…

Andreas Maday ist sich sicher, dass die Schwarzmundgrundel im Mittellandkanal bleiben wird. Ein kleiner Trost: In Panade frittiert sind die „lästigen Beifänge“ durchaus schmackhaft. Die Gräten werden dann so weich, dass sie beim Verzehr gar nicht mehr wahrgenommen werden. AVN-Freiwilligendienstler Jarle Langner hat den Veranstaltungsteilnehmenden sein Spezialrezept verraten und in einer Koch-Show Tipps und Tricks gezeigt. Gekochte, invasive Signalkrebse aus der Örtze erweiterten das Angebot. „Manchmal muss man aus der Not eine Tugend machen“, erklärt Maday das ungewöhnliche Menü. Das sei aber kein Grund sich über diese Arten zu freuen oder sie gar noch mehr zu verbreiten. Denn der ökologische Schaden, den sie anrichten können, ist teils immens. Vielmehr ginge es darum, diese Geschöpfe wenigstens sinnvoll zu verwerten.

Info: Alien-Spotter-App zur Erfassung von Schwarzmundgrundeln, Wolgazandern und anderen gebietsfremden Arten: https://www.av-nds.de/wolgazander/

-Pressemitteilung AVN-

Jarle Langner, er macht ein Freiwilliges Ökologisches Jahr beim AVN, serviert die frittierten Grundeln den Teilnehmern. Bild: Eva-Maria Cyrus (AVN)
Jarle Langner, er macht ein Freiwilliges Ökologisches Jahr beim AVN, serviert die frittierten Grundeln den Teilnehmern. Bild: Eva-Maria Cyrus (AVN)
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