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Warum ganz kleine Gewässer schützenswert sind

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Kleinstgewässer sind ökologisch von höchster Bedeutung. Sie sind durch Austrocknung in Folge des Klimawandels gefährdet. Symbolbild: Redaktion

Kleine Gewässer, also natürliche Teiche, Sölle (kreisrunde, mit Wasser gefüllte Bodensenken im Bereich von Grund- und Endmoränen) und Tümpel, machen weltweit 30 bis 50 Prozent der stehenden Gewässer aus. Doch aufgrund ihrer geringen Größe wurde lange unterschätzt, welche Bedeutung sie haben.

Noch immer finden sie in Regelwerken und gesetzlichen Bestimmungen deshalb kaum Berücksichtigung. Inzwischen weiß man: Wegen ihrer Häufigkeit, Heterogenität, außergewöhnlichen Biodiversität und biogeochemischen Potenz spielen Kleingewässer eine wichtige Rolle in Einzugsgebieten, Landschaften und möglicherweise sogar auf kontinentaler Ebene. Anlässlich des Weltwassertags am 22. März blicken Expertinnen und Experten des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) mit uns auf diese eher unscheinbaren Gewässer. Fünf Antworten auf fünf Fragen:

Herr Mehner, im Rahmen eines großen EU-Projekts sehen Sie sich Kleingewässer im Nordosten Deutschlands genauer an. Welchen Nutzen haben Sölle und Tümpel dort und anderswo?

Kleingewässer wie Sölle, Tümpel, Pfuhle und Weiher werden in der seenreichen Landschaft in Nordostdeutschland oft übersehen oder als wenig wertvoll empfunden. Zu Unrecht, denn sie sind von zentraler Wichtigkeit für die aquatische Biodiversität, etwa als Trittsteinbiotope für nahezu 70 Prozent der regionalen Süßwasserarten in Europa. Sie schaffen inselartige Verbindungen zwischen entfernten Habitaten und ermöglichen so die Rück- oder Neubesiedlung von Lebensräumen. Zudem spielen diese Kleingewässer eine wichtige Rolle bei der Abschwächung von Klimafolgen und bei der Klimaanpassung und erbringen vielfältige Ökosystemleistungen, etwa für die Regulierung des Kohlenstoffzyklus, die Wasserversorgung, den Hochwasserschutz, die Grundwasserneubildung oder auch die Naherholung. In unserer Region haben wir allerdings 70 bis 80 Prozent der Sölle und Pfuhle durch Austrocknung verloren – auch in Folge der vergangenen Dürre-Sommer. Welche Folgen das für die Biodiversität und die Ökosystemdienstleistungen hat, ist noch nicht vollständig absehbar.

Frau Wollrab, Sie modellieren die räumliche Verteilung von Arten in der Landschaft. Wie wichtig ist dabei ein solches Netz aus Kleingewässern? Werden wir Arten und Populationen verlieren, wenn die Zahl der Kleingewässer dramatisch abnimmt?

Gerade Kleingewässer wie die Sölle in Nordostdeutschland bieten Lebensraum für viele Arten. Damit erhöhen sie signifikant die Biodiversität in der Landschaft. Dabei haben die Anzahl und räumliche Distanz der Kleingewässer zueinander einen großen Einfluss auf die Artenvielfalt. Je weniger Kleingewässer und je größer die Distanz zwischen ihnen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Arten diese Gewässer erreichen. Vor allem für Arten, die passiv verteilt werden wie Planktonorganismen oder Arten mit geringer Reichweite, hat die Gewässerdichte einen großen Einfluss. Ein Verlust von Kleingewässern durch Austrocknung oder andere Faktoren ist somit immer ein Verlust von wichtigem Lebensraum. Da wir davon ausgehen müssen, dass Kleingewässer im Zuge der Klimaerwärmung häufiger austrocknen oder dauerhaft trockenfallen, wird auch die Anzahl und Abundanz von Arten negativ beeinflusst. Tatsächlich deuten unsere Modellanalysen darauf hin, dass es hier kritische Untergrenzen in der Lebensraumverfügbarkeit gibt, die von der Reichweite der einzelnen Arten abhängen. Für belastbare Zahlen sind hier allerdings weitere Forschungsarbeiten nötig. Kleingewässer sind ja nicht nur Habitate für aquatische Organismen, sondern auch eine wichtige Wasserquelle für Landtiere. Es ist daher wichtig, diesen Lebensraum zu schützen.

Frau Bizic, auch Sie haben zuletzt Kleingewässer in einer nordostdeutschen Agrarlandschaft erforscht und unter anderem mithilfe von eRNA untersucht, wie sich die Art der Landnutzung auf die Lebensgemeinschaften im Wasser auswirkt. Was haben Sie herausgefunden?

Bei unserer Arbeit im Rahmen des Projekts Bridging in Biodiversity Science (BIBS) haben wir DNA und RNA aus der Umwelt genutzt, um ein ganzheitliches Bild der Artenvielfalt im Untersuchungsgebiet zu erhalten. Einerseits nutzten wir die Tiefensequenzierung von Markergenen, um die Verteilung von Organismen – von Bakterien bis zu Säugetieren – in den Kleingewässern und ihrer Umgebung zu verfolgen. Andererseits haben wir aus den RNA-Daten die Identität und die Genexpressionsmuster der aktiven Gemeinschaften extrahiert. Wir verglichen die DNA-Ergebnisse aus dem Teichwasser mit denen aus dem Sediment und fanden heraus, dass es in der Vergangenheit durchaus eine Rolle spielte, ob das Gewässer von einem Wald, einer Wiese oder einem Acker umgeben war, während heute, nach Jahrzehnten intensiver Landnutzung, die biologische Vielfalt mehr oder weniger homogen ist. Die RNA-Analysen ergaben, dass auch diese homogenen Gemeinschaften noch auf Einträge aus der Umgebung, wie zum Beispiel die Düngung von Feldern, reagieren – wenn auch nur für kurze Zeit. Obwohl also die intensive Landwirtschaft der letzten Jahrzehnte die biologische Vielfalt im Vergleich zu dem früheren Zustand bereits verändert hat, reagieren die Gemeinschaften weiterhin auf die Art der Landnutzung. Um den fortschreitenden Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten, ist es daher unerlässlich, die unmittelbaren Auswirkungen der lokalen landwirtschaftlichen Praktiken auf Kleingewässer zu verstehen, und dafür bietet die Umwelt-RNA (eRNA) ein hilfreiches Instrument.

Herr Wolter, anders als Ihre Kollegen und Kolleginnen haben Sie sich vor allem mit urbanen Kleingewässern beschäftigt, konkret mit den mehr als 400 städtischen Tümpeln, Kleinseen und Gräben in Berlin. Welche Rolle spielen diese Gewässer für das Stadtklima, die Naherholung und die Regenwasserbewirtschaftung und was folgt daraus für die Stadtplanung von morgen?

Urbane Kleingewässer sind sehr unterschiedlich und reichen von gepflegten Parkgewässern bis hin zu beinahe vergessenen, eingezäunten Tümpeln. Dementsprechend unterschiedlich ist auch ihre Erholungsnutzung. Grundsätzlich sind Gewässer immer Anziehungspunkte für Erholungssuchende und Spaziergänger. Darüber hinaus sind die für viele Stadtbewohner der erste oder sogar der zentrale Begegnungspunkt mit Natur. Auch wenn innerstädtische Kleingewässer nicht gerade die Hotspots der Biodiversität sind, so sind sie doch sehr wichtige Natur-Erfahrungsstätten. Und sie wirken sich positiv auf das Stadtklima aus, indem sie zusammen mit der mehr oder weniger ausgeprägten Ufervegetation Verdunstungskühle produzieren, was lokal zur Temperaturabsenkung führt. Wasserrückhalt in der Landschaft ist eine weitere wesentliche Funktion von Kleingewässern, die in Berlin noch ausbaufähig ist. Vielerorts wird das Regenwasser über die Kanalisation abgeleitet und fehlt dann in den Gewässern. In den trockenen Jahren von 2018 bis 2020 sind deshalb auch in Berlin viele Kleingewässer ganz oder beinahe trockengefallen. Die Stadtplanung muss daher vermehrt den Rückbau versiegelter Flächen im Einzugsgebiet nicht nur der Kleingewässer vorantreiben und Dachentwässerungen unter anderem vor Ort versickern lassen.

Herr Grossart, die angesprochenen Dürren, die Versiegelung, aber auch Entwässerung graben Kleingewässern in Städten buchstäblich das Wasser ab. Was passiert, wenn Gewässer zeitweise austrocknen?

Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass in den nächsten zehn Jahren 1,1 Milliarden mehr Menschen in urbanisierten Gebieten leben werden. Damit einhergehen eine Versiegelung der Landschaft und starke Eingriffe in die Hydrologie von Gewässern. Das ist problematisch, denn Kleingewässer in urbanen Gebieten trocknen infolge höherer Temperaturen und längerer Dürreperioden schon heute öfter aus. Wie der Kleingewässerreport 2020/21 des BUND zeigt, weisen 55,3 Prozent der Berliner Gewässer große Mängel auf, etwa weil sie trocken liegen oder sehr stark zugewachsen sind. Nahezu 10 Prozent der Kleingewässer waren nicht mehr als solche erkennbar. Diese dramatischen Zahlen zeigen, dass viele Kleingewässer nicht mehr nur zeitweise austrocknen, sondern komplett verschwinden. Für die Artenvielfalt dieser Ökosysteme ist dies verheerend, denn generell ist die Populationsdichte in urbanen Habitaten oft sehr niedrig. Populationen, die an diese Gewässer gebunden sind, zum Beispiel Amphibien, sind durch lokale Extinktionsereignisse sehr viel stärker gefährdet als Populationen in größeren und besser vernetzten Gewässern. Damit ist zu befürchten, dass die Artenvielfalt noch stärker abnehmen wird. Mit dem zunehmenden Austrocknen der Gewässer und dem Verschwinden von Arten aus der urbanen Landschaft verändern sich auch die Ökosystemfunktionen, etwa das Reinigen der Gewässer, die Verfügbarkeit von Sauerstoff oder die Remineralisierung von Kohlenstoff. Häufigere Wetterextreme gefährden diese wichtigen Funktionen zusätzlich. So produzieren verschmutzte, nährstoffreiche Gewässer deutlich mehr der schädlichen Klimagase Methan und Kohlendioxid. Diesen negativen Konsequenzen gilt es deshalb verstärkt durch nachhaltige Maßnahmen – zum Beispiel durch einen besseren Wasserrückhalt in der Landschaft – entgegenzuwirken.

-Pressemitteilung IGB-

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