In Berliner Gewässern finden sich mehr “menschliche Bakterien” als in den Seen des Umlands, darunter auch Krankheitserreger. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW).
Gemeinschaften von Bakterienarten (Mikrobiome) sind in einer bestimmten Umgebung oft stabil und gut an sie angepasst, sei es in der menschlichen Mundhöhle oder in einem See. Der Mensch verändert naturnahe Lebensräume immer schneller – im Zuge der Verstädterung insbesondere Städte und ihr Umland. Ein Team unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchte nun im Rahmen des Leibniz-Forschungsverbundes „Infektionen“ Bakteriengemeinschaften in städtischen Gewässern und Abwässern in Berlin und verglichen sie mit Gemeinschaften aus weniger vom Menschen beeinflussten Seen aus dem ländlichen Umland.
Auch mehr Antibiotika
Die Ergebnisse zeigen, dass die Verstädterung große Mengen an Nährstoffen, chemischen Schadstoffen und antimikrobiellen Produkten in Gewässer verbringt und dadurch die Zusammensetzung des Mikrobioms zugunsten von Bakteriengruppen verändert, die humanpathogene Bakterien enthalten – mit noch unbekannten Folgen für die Funktion der Lebensräume und für die Gesundheit von Mensch und Tier. Die Publikation ist heute in der Fachzeitschrift „Science of the Total Environment“ erschienen.
Deutliche Unterschiede zu ländlichen Gewässern
Ob in der Achselhöhle, im Gartenboden oder im Wasser – fast jeder Ort auf der Erde hat eine natürliche bakterielle Gemeinschaft. Indem der Mensch seine Umwelt verändert, verändert er auch die bakterielle Zusammensetzung nahezu aller Ökosysteme: Er schafft neue Bedingungen, die einige Bakteriengruppen gegenüber anderen begünstigen. In einer Untersuchung analysierten Forschende von IGB und Leibniz-IZW zusammen mit Kollegen und Kolleginnen aus dem Leibniz-Forschungsverbund „Infections“ diese mit der Verstädterung verbundenen Veränderungen in der Bakterienzusammensetzung und zeigten, dass sich die Bakteriengemeinschaften in städtischen Gewässern und Abwässern in Berlin deutlich von denen ländlicher Seen in den umliegenden Regionen der Bundesländer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern unterscheiden. Darüber hinaus werden durch die Verstädterung nicht nur menschliche Bakterien eingeführt („Humanisierung“), sondern auch übermäßige Mengen an Nährstoffen („Eutrophierung“), chemischen Schadstoffen und antimikrobiellen Produkten wie Antibiotika. Diese komplexen Veränderungen begünstigen bestimmte Bakterien gegenüber anderen drastisch und können die Zusammensetzung und die Funktion des Mikrobioms erheblich verändern.
Signaturen der Verstädterung
„Wir wollten wissen, ob städtisches Wasser ‚Signaturen der Verstädterung‘ aufweist, die Vorhersagen über das Auftreten bestimmter Bakterienstämme in einer mikrobiellen Gemeinschaft innerhalb von Städten zulassen“, sagt Prof. Hans Peter Grossart vom IGB, einer der Hauptautoren der Publikation. Die Ergebnisse zeigen, dass mehrere Bakteriengruppen in städtischen Gewässern angereichert sind, wobei die meisten anthropogenen Bakterienstämme in den Zu- und Abflüssen einer Kläranlage gefunden wurden, was auf eine „Humanisierung“ des Mikrobioms städtischer Seen und Fließgewässer hinweist.
Häufig pathogene Arten
„Überraschenderweise sind die angereicherten Bakteriengruppen in städtischen Umgebungen diejenigen, die häufig pathogene Arten enthalten. Das deutet darauf hin, dass ein Krankheitserreger, wenn er in eine solche Umgebung gelangt, ein sehr günstiges Umfeld vorfindet, in dem er wachsen kann“, sagt Prof. Alex Greenwood, Leiter der Leibniz-IZW-Abteilung für Wildtierkrankheiten und einer der Hauptautoren des Aufsatzes. Dies könne möglicherweise zu Ausbrüchen in solchen Umgebungen führen. Dies steht im Gegensatz zu ländlichen Gewässern, die eher ungünstige Bedingungen für Krankheitserreger bieten.
Risiko einer Kontamination steigt
Die Autoren und Autorinnen schließen aus ihrer Untersuchung, dass die Reinhaltung und Aufbereitung des städtischen Wasser in der Zukunft stärker auf Bakteriengemeinschaften und das Mikrobiom ausgerichtet werden müsse, um wieder natürlichere Wasserökosysteme zu schaffen. Dies werde zunehmend wichtiger und zugleich schwieriger werden, da durch den Klimawandel viele städtische Gebiete trockener und nährstoffreicher werden, wodurch sich die Bakteriengemeinschaften in städtischem Wasser noch extremer ändern werden. Dies könnte tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren haben, da das Risiko einer Kontamination mit Krankheitserregern steigt.
Publikation: Numberger D, Zoccarato L, Woodhouse J, Ganzert L, Sauer S, García Márquez JR, Domisch S, Grossart HP, Greenwood AD (2022): Urbanisierung fördert bestimmte Bakterien in Süßwasser-Mikrobiomen, einschließlich potenzieller Krankheitserreger. Science of the Total Environment 845, 157321; https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.157321.
-Pressemitteilung IGB-