UFOs kennt man aus Sciencefiction-Romanen, meist mit Außerirdischen aus dem All. Nun experimentieren Forscher an ganz realen UFOs.
Sie sehen futuristisch aus, sind aber für den Einsatz im Meer vorgesehen, und die Abkürzung steht für „Unterwasser-Fisch-Observatorium“. Die Weiterentwicklung dieses neuartigen Systems fördert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen seines Innovationsförderprogramms nun für die nächsten drei Jahre mit 2,7 Mio. Euro.
Empfänger der Fördergelder ist ein interdisziplinäres Forschungskonsortium, das unter Leitung von Prof. Joachim Gröger vom Thünen-Institut für Seefischerei zusammen mit Ingenieuren und Wissenschaftlern des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Fachhochschule Kiel, des Fraunhofer-Instituts Ilmenau und der MacArtney Germany GmbH Kiel daran arbeitet, mithilfe von UFOs das Monitoring von Fischen und anderen Meeresorganismen zu digitalisieren – und zwar von der Erfassung und Identifikation bis hin zur Vermessung. Der Vorteil der neuen Methode: Die Organismen werden in Ihrem natürlichen Lebensraum belassen und müssen nicht gefangen werden.
Überwachung von Fischpopulationen
Das UFO ist eine autonome Beobachtungsstation, ausgestattet mit optischen (Stereokamera) und akustischen (Sonar-) Sensorsystemen. Damit kann es in einem bestimmten Umkreis kontinuierlich die Vielfalt und Dichte von Fisch- und Planktonansammlungen sowie relevante Umweltparameter erfassen. Großes, unmittelbares Anwendungspotenzial der neuen Technologie liegt z.B. in der Überwachung der Entwicklung von Fischpopulationen innerhalb von Schutzgebieten oder Windparks, in denen Fischerei nicht erlaubt ist. Aber auch für die Überwachung der großen, kommerziell genutzten Fischbestände im offenen Ozean kann der UFO-Ansatz eine Keimzelle für zukünftige Entwicklungen sein, die nicht nur Arbeitszeit und Kosten sparen, sondern auch die Präzision durch die kontinuierliche Beobachtung verbessern.
Einblicke in die Unterwasserwelt
Ein Prototyp des UFO hatte seit 2016 in der Kieler Bucht bereits seine Funktionstauglichkeit unter Beweis gestellt. Im Rahmen des jetzt bewilligten Forschungsprojekts „UFOTriNet“ soll das System zu einem neuartigen digitalen Unterwasser-Testnetzwerk weiterentwickelt werden, das aus zwei stationären und einer mobilen UFO-Einheit besteht und zusammen mit weiteren Plattformen in der Kieler Bucht virtuell vernetzt wird. Während die beiden stationären UFOs an biologisch wichtigen, fixen Positionen („Hotspots“) kontinuierlich Informationen unter Wasser erheben, fährt das torpedogleiche mobile UFO auf vorher festgelegten Pfaden zwischen diesen Positionen hin und her und erfasst Daten, um so die Lücke zwischen den stationären UFOs zu schließen. Dadurch wird der Radius bzw. die Reichweite der stationären UFOs vergrößert. Die Daten werden mit weiteren Umweltdaten UFO-externer Stationen kombiniert und zentral im Kieler GEOMAR gespeichert, um das Spektrum an Umweltinformationen zu erweitern. Die anfallenden großen Mengen vielschichtiger Daten (Big Data) werden mithilfe künstlicher Intelligenz verschnitten. „Die durch dieses System generierten Daten können uns völlig neue Einblicke in die Dynamik der komplexen Unterwasserwelt ermöglichen“, ist Joachim Gröger zuversichtlich. Überall dort, wo es in marinen Ökosystemen eingesetzt wird, soll es in Echtzeit den Zustand feststellen und Veränderungen bzw. Abweichungen aufspüren können.
Um einen langfristigen Betrieb der Kamerasysteme im Brack- und Meerwasser zu gewährleisten, muss der Bewuchs von Algen und anderen Organismen auf den Kameralinsen minimiert werden. Deshalb entwickelt das Forscherteam auch ein neuartiges, stromsparendes UV-C/LED basiertes System, das die optischen Einheiten freihalten soll. Damit lässt sich der Energie- und Wartungsaufwand verringern – unter dem Aspekt eines autonomen Unterwasserbetriebs eine wichtige Maßnahme.
Alle Systeme werden online geschaltet sein und Informationen in Echtzeit liefern. Die Daten sind dadurch schnell verfügbar und nachgeschaltete Auswertungen können weitgehend automatisiert erfolgen. Gleichzeitig werden die Ergebnisse im Rahmen einer Kommunikationsstrategie durch „life“-Visualisierung sowohl Experten als auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das geschieht auf einer eigenen Webseite sowie mithilfe eines neuartigen, interaktiven „Digitalen Posters“, das in Zusammenarbeit mit einer Ausgründung der Muthesius-Kunsthochschule entwickelt werden soll. Es kann bei Konferenzen, Messen oder Ausstellungen genutzt werden, um über das Projekt zu informieren. Diese Anwendung – ein großer Monitor mit Touchscreen und Online-Anbindung, der die aktuelle wissenschaftliche Situation vor Ort anzeigt – erzeugt 3D-animierte Infografiken sowie andere Visualisierungen und gibt Videosequenzen wieder.
-pm-