Im April dieses Jahres wurden die letzten noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) kann damit künftig einen zuverlässigen Markierstoff („Tracer“) nicht mehr zu Forschungszwecken nutzen: Das Tritium.
Mit diesem konnten die BfG-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler die verschiedenen Prozesse im Wasser- und Stoffkreislauf eines Flusses nachvollziehen. Daher wurde die letzte Möglichkeit vor der Abschaltung genutzt, um unter natürlichen Bedingungen am Neckar zu untersuchen, wie sich der ebenfalls als Tracer geeignete Farbstoff Amidorhodamin G im Vergleich zum Tritium bei der Ausbreitung im Fluss verhält.
Tritium stammte aus Kernkraftwerken
Zusammen mit anderen BfG-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen die Physikerin Dr. Svenja Sommer und der Limnologe Dr. Tim Scheufen am Neckar, wie sich der für das Gewässer und den Menschen unschädliche und noch in sehr geringen Konzentrationen nachweisbare Farbstoff Amidorhodamin G im direkten Vergleich zu Tritium im Fluss verhält. Denn bei Neckarwestheim leitete das gleichnamige Kernkraftwerk im Routinebetrieb bis zu dessen Abschaltung Tritium mit dem Kühlwasser unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben in den Fluss ein. Eine ideale Punktquelle also, denn die genaue Konzentration und der Zeitpunkt der Einleitung sind hier bekannt. „Tritium ist aufgrund seiner Eigenschaften eigentlich ein idealer Markierstoff“, erklärt die BfG-Umweltwissenschaftlerin Dr. Annika Linkhorst, die ebenfalls zum Forscherteam gehört. Tritium, eingebaut in ein Wassermolekül, reagiere nicht weiter in der Umwelt und werde daher als konservativer Tracer bezeichnet. „Durch das Abschalten der Kernkraftwerke in Deutschland steht uns aber dieser zuverlässige „Gratistracer“ in Zukunft nicht mehr zur Verfügung“, so Linkhorst.
Markierstoffe werden in der Hydrologie vielseitig eingesetzt und sind oft bei speziellen Fragestellungen hilfreich, zum Beispiel wie sich Stoffe in Flüssen ausbreiten, wie hoch die Uferfiltrationsrate ist, wie viel Grundwasser neu gebildet wird oder wie Oberflächen- und Grundwasser in Verbindung stehen.
Prognose von Schadstoffwellen
Die Ergebnisse des Markierungsversuchs, und somit der direkte Vergleich zwischen den beiden Markierstoffen, fließen in Projekte ein, die sich unter anderem mit Modellen beschäftigen, die die zeitliche und räumliche Verteilung der Stoffkonzentration in Flüssen simulieren. Mithilfe der neuen Daten können die Modelle zuverlässigere Ergebnisse liefern. Im Falle einer unfallbedingten Gewässerbelastung kann so der Zeitpunkt des Eintreffens, die Dauer sowie die Maximalkonzentration einer Schadstoffwelle unterhalb eines angenommenen Unfallortes bestimmt werden. Ein Prognosewerkzeug erlaubt den betroffenen Unterliegern, im Alarmfall rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minimierung von Folgeschäden in die Wege zu leiten.
Sieben Messstellen, etwa alle 25 Flusskilometer eine, haben die BfG-Wissenschaftler/-innen entlang des Neckars vom KKW bis zur Mündung in den Rhein bei Mannheim aufgebaut. An den Stationen wurden per Sonde vor Ort die Amidorhodamin G- und später im Labor die Tritiumkonzentration bestimmt. Insgesamt decken die Messstellen eine Strecke von 125 Flusskilometern ab. Neun Tage nach Einleitung des Farbstoffes und des Tritiums sind beide Stoffe in Mannheim angekommen. Die Ergebnisse des Versuchs werden im Laufe des Sommers vorliegen und zeigen, ob Amidorhodamin G für die Untersuchungen in Oberflächengewässern eine gute Alternative zu Tritium darstellt oder ob weitere Alternativen gefunden werden müssen.
-idw/Bundesanstalt für Gewässerkunde-