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Woher stammt das Quecksilber in den Meeren?

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Quecksilber
Flüssiges Quecksilber bildet kleine silbrige Kugeln auf einer Gesteinsprobe von heißen Quellen in der Bay of Plenty vor der Küste Neuseelands. Foto: R. Kelly, Geological Survey of Canada/GEOMAR

Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat die erste globale Schätzung der Quecksilber-Emissionen aus hydrothermalen Quellen an den mittelozeanischen Rücken erstellt, die auf Messungen beruht.

Dabei konnten die Forschenden zeigen, dass der größte Teil des im Ozean vorhandenen Quecksilbers seinen Ursprung in menschlichen Aktivitäten hat – und daher auch wieder reduziert werden kann. Ihre Ergebnisse sind jetzt im Fachjournal Nature Geoscience erschienen.

Quecksilber reichert sich in Fischen an

Vor zehn Jahren haben sich die Vereinten Nationen darauf verständigt, die Quecksilberbelastung in der Umwelt zum Schutz der menschlichen Gesundheit zu minimieren: 2013 wurde in Genf die Minamata-Konvention beschlossen. Mit ihr verpflichten sich die unterzeichnenden Staaten, die Freisetzung von Quecksilber zu kontrollieren und zu minimieren. Ein Hauptrisiko ist der Verzehr von belasteten Fischen, denn in diesen reichert sich im Meerwasser gelöstes Quecksilber an. Schätzungen gehen davon aus, dass sich der globale Quecksilbergehalt im Ozean durch menschliche („anthropogene“) Aktivitäten um 21 Prozent erhöht hat. Doch diese Zahl ist schwer zu verifizieren, denn bislang war nicht genau bekannt, wie viel natürliches Quecksilber vor dem Beginn anthropogener Emissionen im Ozean vorhanden war. Daher lässt sich ebenso schwer sagen, wie sehr diese die Quecksilberwerte in Fischen beeinflusst haben.

Um diese Wissenslücke zu füllen, hat nun ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des französischen Wissenschaftszentrums CNRS (Centre national de la recherche scientifique) erstmals eine globale Schätzung der Quecksilber-Emissionen aus hydrothermalen Quellen an den mittelozeanischen Rücken, vulkanisch aktiven Bereichen in den Weltmeeren erstellt, die auf Messungen beruht.

Natürliches Quecksilber aus hydrothermalen Quellen

Dr. Sven Petersen, Geowissenschaftler in der Arbeitsgruppe „Marine Mineralische Rohstoffe“ am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, wo Metalle im Ozean einen wichtigen Forschungsschwerpunkt darstellen, ist Mitautor der Studie. „Hydrothermale Schlote sind die wichtigste direkte Quelle von natürlichem Quecksilber im Ozean“, erklärt er, „doch bislang schwankten die Angaben darüber, wie viel Quecksilber sie eintragen zwischen 20 und 2.000 Tonnen pro Jahr.“ Das sei vor allem darauf zurückzuführen, dass frühere Studien nur auf Messungen der heißen Lösungen beruhten, die aus den Quellen austreten. Für die aktuelle Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neben den ausströmenden Flüssigkeiten auch Schwebstoffwolken, die so genannten Plumes, Meerwasser und Gesteine untersucht. Die Proben wurden während Expeditionen im Rahmen von GEOTRACES und ODP (Ocean Drilling Program, Vorläufer des Integrated Ocean Drilling Programs, IODP) gesammelt. Die GEOTRACES-Expeditionen konzentrieren sich auf die Erforschung von Spurenmetallen und deren Verteilung in den Ozeanen, während bei ODP-Fahrten Fahrten Gesteinsproben vom Meeresboden erbohrt werden.

Schwarzer Raucher
Durch Schwarze Raucher (hydrothermale Quellen) - wie hier am Mittelatlantischen Rücken - wird auch natürliches Quecksilber ins Meer gespült. Foto: ROV-Team, GEOMAR

Natürlicher Eintrag vergleichsweise gering

„Unsere kombinierten Beobachtungen legen nahe, dass der Großteil des in den heißen Lösungen angereicherten Quecksilbers im Meerwasser verdünnt wird“, sagt der Leitautor der Studie, Dr. Lars-Eric Heimbürger-Boavida, CNRS Wissenschaftler am Mediterranean Institute of Oceanography (MIO). Nur ein kleiner Teil werde lokal ausgefällt und verbleibe am Meeresboden. Insgesamt zeigten die Ergebnisse, dass der weltweite hydrothermale Quecksilberfluss von den mittelozeanischen Rücken im Vergleich zu anthropogenen Quecksilberemissionen gering ist. Erstautorin Natalia Torres-Rodriguez, Doktorandin am MIO: „Das bewegt sich so zwischen 1,5 bis 65 Tonnen pro Jahr.“ Dies deute darauf hin, dass der größte Teil des im Ozean vorhandenen Quecksilbers anthropogenen Ursprungs ist. Mit diesem Ergebnis verbinden die Forschenden die Hoffnung, dass die strikte Umsetzung von Emissionsreduktionen im Rahmen der Minamata-Konvention die Quecksilberwerte in Fischen und die menschliche Belastung verringern wird.

Häufiger Verzehr größerer Fische kann zu Vergiftungen führen

Quecksilber (Hg) ist ein Schwermetall, das metallisch, oxidiert oder organisch gebunden vorkommt. Neben akuten Vergiftungen beim Umgang mit elementarem Quecksilber geht die größte Gefährdung für den Menschen und die Umwelt von Methyl-Quecksilber aus. Die Verbindung reichert sich in der Nahrungskette an und kann vor allem durch überdurchschnittlich hohen Verzehr größerer Fischarten zu Vergiftungen und irreversiblen Hirnschäden führen, insbesondere bei Föten und Kleinkindern.

Quecksilber wird auf natürlichem Wege durch Vulkanausbrüche, Geysire oder wenn ⁠Biomasse⁠ verbrennt (zum Beispiel Wald- oder Steppenbrände) in die Atmosphäre freigesetzt. Zusätzliche Freisetzungen erfolgen durch menschliche Aktivitäten wie den Abbau von Quecksilbererzen und anderen quecksilberhaltigem Gestein wie Kalkstein oder Kohle. Quecksilberemissionen verbreiten sich weltweit, so dass auch nicht-industrialisierte Gebiete belastet sind. Laut einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2018 werden durch menschliche Aktivitäten jährlich etwa 3.100 Tonnen Quecksilber freigesetzt.

Vor diesem Hintergrund haben 128 Staaten, darunter auch Deutschland, im Jahr 2013 die „Minamata Konvention“ des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, UNEP) zur weltweiten Minderung von Quecksilberemissionen beschlossen. Benannt ist sie nach der Bucht in Japan, in der Mitte des 20. Jahrhunderts quecksilberhaltige Industrieabwässer Tausende von Menschen vergifteten, was zu schweren Gesundheitsschäden führte, die als „Minamata-Krankheit“ bekannt wurden.

-Pressemitteilung GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel-

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