In Anlehnung an den amerikanischen Science-Fiction-Film „Nummer 5 lebt!“, in dem ein Militärroboter nach einem Blitzschlag plötzlich ein Eigenleben entwickelt, hat Gerhard Dee seine Geschichte über eine sehr ungewöhnliche Multirolle betitelt.
Die Rileh Nr. 23 war bisher verschollen und galt als Scherz oder Druckfehler. Jetzt gibt es diese Rolle wirklich! Gerhard schrieb uns per Mail: „Hallo Thomas, kürzlich hat meine DDR-Rollenabteilung spektakulären Zuwachs bekommen. Eigene Recherchen dazu waren erfolglos. Aber wie schon so oft konnte Peter Prokop mit seinem unendlichen Archiv weiterhelfen. Auch Lutz Gehre, Fachmann für altes DDR-Gerät und Rollenbücher-Autor, gab mir einen wichtigen Tipp. Er machte mich auf zwei Werbeanzeigen von Richard Lehmann in der Zeitschrift „Fischen und Angeln“ von 1955 aufmerksam.
Danach konnte ich mich wieder daran erinnern, dass mich die beiden Anzeigen schon vor Jahren zum Schmunzeln gebracht hatten. In der Mai-Ausgabe wurde die „Neuheit! Rilch-Angelrolle Nr. 23“ vorgestellt. Im Juni war dann zwar der Name „Rilch“ in „Rileh“ berichtigt, aber die Rollen-Nr. „23“, die ich für eine verunglückte „2b“ hielt, unverändert. Mein erster Gedanke war damals: Entweder hatte Richard Lehmann eine „Sau-Klaue“ beim Bestellen der Anzeigen oder der Drucker hatte seine Lese-Brille verlegt. Scherzhaft habe ich noch zu meinem Bruder Ludger gesagt: „Du, ich hab eine unbekannte DDR-Rolle entdeckt.“
Wie nahe ich damit bei der Wahrheit lag, war mir damals nicht bewusst. Viele Jahre später habe ich nun tatsächlich eine „Rileh Nr. 23“ gefunden. Sie kam sogar im Original-Karton mit Papieren und scheint unbenutzt zu sein. Gemäß Katalog-Beschreibung ist sie aus einer Aluminium-Magnesium-Legierung hergestellt und zählte mit ihrer Technik zu den fortschrittlichsten DDR-Rollen der Zeit.
Bei anderen Rilehs wird der Freilauf durch einen Knopf am Gehäuserand ein- und ausgeschaltet (ähnlich wie bei der DAM Ever Ready 3125). Die „Nr. 23“ hat so einen Schalter nicht. Bei ihr wird die Spule freigeschaltet indem man die Kurbel eine Viertel-Umdrehung rückwärts dreht. Die Anpassung der Bremskraft an die jeweilige Schnurstärke erfolgt über eine eingebaute Rutschkurbel.
Die Metall-Spule ist kugelgelagert und kann über gefederte Schraublagerbüchsen nachreguliert werden. Die rückseitig montierte Bremsschraube ermöglicht eine Fein-Einstellung auf jedes Wurfgewicht. Neben der ungewöhnlichen zweistelligen Nummer fällt auch die Farbe aus dem von Rileh gewohnten Rahmen. Die Seiten der „23“ sind zweifarbig (hellgrün/grau-marmoriert) eloxiert. Der Anblick erinnert ein wenig an eine leicht gekräuselte Wasseroberfläche. Der Fuß ist einfarbig blassgrün. Die Gebrauchsanleitung trägt noch den Aufdruck „D.R.G.M.“ und „D.R.P.ang.“ Die Rolle selbst ist nicht damit gemarkt. Sie hat nur das Prüfsiegel des DAMW (Deutsches Amt für Material- und Warenprüfung) sowie eine entsprechende Prüfnummer. Warum ist eine so innovative Rolle heutzutage so schwer zu finden? Wie viele wurden überhaupt produziert/verkauft und in welchem Zeitraum? Warum ist der Name Rileh auf der Gebrauchsanleitung geschwärzt? Vielleicht gibt es ja unter den Lesern jemanden, der die eine oder andere Frage beantworten kann? Herzliche Grüße, Gerhard“
Hallo Gerhard, da hast Du eine wirklich spektakuläre Multirolle erwischt! Auch ich habe dieses Modell noch nie gesehen oder davon gehört. Besonders interessant finde ich, dass auf der beiliegenden Beschreibung der Markenname Rileh geschwärzt wurde. Da die Rolle aus der Zeit ab 1955 stammt, könnte es mit der beginnenden Verstaatlichung von privaten Betrieben in der DDR zusammenhängen. Da aber in den Zeitungsanzeigen munter „Rileh“ verwendet wurde, müsste sie aus der späten Verkaufszeit dieses Modells stammen.
Oder es hat doch markenrechtliche Probleme mit diesem Firmen-Namen gegeben, das hatten wir ja beim Namenswirrwarr Rile/Rileh auch schon einmal vermutet. Ein ganz tolles Stück in jedem Fall, vor allem in diesem makellosen Zustand mit allem Zubehör! Zum Thema Druckfehler in Anzeigen: Das ist früher häufiger vorgekommen, weil die Annoncen handschriftlich aufgegeben und aufgenommen wurden. Ich kann mich da an so einige Fälle erinnern… Warum diese Rolle so extrem selten ist, ist ebenfalls eine interessante Fragestellung. Genau in dieser Zeit kamen die ganzen neuen Stationärrollen auf, vielleicht hat sich eine Multi nicht so gut verkauft und die Produktion wurde schnell eingestellt. Eventuell war die Rolle auch einfach zu aufwändig und die Staatsführung der DDR hat entscheiden, dass die allseits bekannten preiswerten Rileh-Multirollen in großen Massen produziert werden müssen. Beste Grüße Thomas
Infos, Fragen und Anregungen bitte an thomas.kalweit@paulparey.de