Buntbarsche zeigen unterschiedlich stark ausgeprägte Neugierde. Die Ursache dafür liegt in den Genen der Fische, wie Forscherinnen und Forscher der Universität Basel im Fachmagazin Science berichten. Diese Eigenschaft beeinflusst ihre Anpassungsfähigkeit an neue Lebensräume.
Das Neugierverhalten gehört zu den grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften von Tieren und diese beeinflussen unter anderem ihre Überlebenswahrscheinlichkeit. Beispielsweise können neugierige Individuen andere Bereiche in ihren Lebensräumen besiedeln als vorsichtigere Artgenossen. Gleichzeitig setzen sie sich jedoch vermehrt der Gefahr aus, entdeckt und dann gefressen zu werden.
Neugier als Evolutionsfaktor
Die Buntbarsche im afrikanischen Tanganjikasee zeigen eine außerordentliche Vielfalt an Gestalt, Ernährungsweisen, Lebensraum und Färbung. Diese ermöglicht es ihnen, verschiedene ökologische Nischen zu besiedeln und sich auf diese Weise gegenseitig weniger Konkurrenz zu machen. Schon lange vermutete die Forschung, dass auch Neugierde die Bildung von neuen Arten und somit biologischer Vielfalt begünstigt. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Walter Salzburger von der Universität Basel hat nun am Beispiel der äußerst artenreichen Buntbarsche im Tanganjikasee untersucht, welche Rolle Verhaltensunterschiede bei der Anpassung an unterschiedliche ökologische Nischen spielen.
Während insgesamt neun Monaten erfasste Dr. Carolin Sommer-Trembo am Südufer des Tanganjikasees in Sambia das sogenannte Explorationsverhalten von 57 verschiedenen Buntbarscharten. Dafür zeichnete die Zoologin per Video auf, wie sich die rund 700 im See gefangenen Buntbarsche in einer für sie neuen Umgebung in Form von großen Versuchsbecken verhielten. Danach entließ sie die Tiere wieder in die freie Wildbahn.
Zurück in Basel, bestimmte Sommer-Trembo auf Basis dieser Videos, welche Bereiche des Versuchsbeckens jeder Fisch innerhalb von 15 Minuten erkundete. „Insgesamt zeigten sich große Unterschiede im Neugierverhalten zwischen den einzelnen Buntbarscharten, die sich auch unter Laborbedingungen bestätigten“, sagt sie. Eine genaue Analyse der Daten ergab einen starken Zusammenhang zwischen dem Neugierverhalten und dem Lebensraum sowie der Körperform der jeweiligen Buntbarschart. So sind beispielsweise ufernah-lebende Arten mit gedrungener Körperform neugieriger als längliche Arten, die sich im offenen Wasser aufhalten. „Damit rückt tierisches Verhalten als treibende Kraft hinter wichtigen evolutionären Prozessen in den Fokus“, so die Evolutionsbiologin weiter.
Mutationen machen Fische neugieriger
Um die genetische Basis der beobachteten Verhaltensunterschiede bei Buntbarschen zu untersuchen, entwickelten das Forschungsteam in Zusammenarbeit mit Dr. Milan Malinsky von der Universität Bern ein neues Verfahren zur Analyse der vorhandenen Genome, um die Daten von verschiedenen Arten miteinander vergleichen zu können.
Mit der neuen Methode konnten die Forschenden eine genetische Variation im Genom der Buntbarsche identifizieren, die eine nahezu perfekte Korrelation mit dem Neugierverhalten zeigt: Arten mit einem “T” an einer bestimmten Stelle der DNA sind neugierig, während Arten mit einem “C” wenig explorativ sind.
Nahmen sich die Forschenden die entsprechende Region im Genom mittels der Genschere CRISPR/Cas9 vor und bewirkten damit gezielte Mutationen, änderte sich das Explorationsverhalten der Fische – sie wurden neugieriger. Außerdem konnte das Team mithilfe von künstlicher Intelligenz sowie mit Informationen zur genetischen Variation, zum Körperbau und zum Lebensraum das Explorationsverhalten von vorher nicht getesteten Buntbarscharten vorhersagen.
Hinweise auf menschliche Eigenheiten?
Die von den Forschenden identifizierte Genvariation befindet sich in unmittelbarer Nähe des im Gehirn aktiven Gens cacng5b. Dieses ist die „fischige“ Version eines Gens, das auch in anderen Wirbeltieren vorkommt. Die menschliche Variante wird beispielsweise mit psychiatrischen Krankheiten wie Schizophrenie und bipolaren Störungen in Zusammenhang gebracht, die wiederum mit Persönlichkeitsstörungen korreliert sein können.
„Wir interessieren uns zwar dafür, wie sich Persönlichkeitsmerkmale im Tierreich auf Mechanismen der Biodiversität auswirken können“, so Carolin Sommer-Trembo. „Doch wer weiss: Vielleicht lernen wir am Ende auch etwas über die Grundlagen unserer eigenen Persönlichkeit.“