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Frühlingsgefühle

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Helden werden am Wasser geboren. Bilder: Matze Koch

Immer das gleiche Theater. Nur, weil ich es nicht abwarten kann. Kalt, kalt, kalt. Nein, nicht der Winter. Der nun gerade nicht. Er war viel zu mild und bescherte mir eine hundsmiserable Hechtsaison. Seit Januar ertrage ich Aprilwetter. Wo kommen wir denn da hin? Am Ende fängt der August noch an, sich wie November zu benehmen.

Thermometer raus. Boing! Das Ding bleibt auf dem Eis liegen. Nur ein blöder Witz, aber gefühlt war es so. Beim Posenangeln ist mir das wirklich mal passiert. Spiegelglatt lag das Wasser da. Dass es bereits zu Eis erstarrt war, merkte ich tatsächlich erst nach dem Aufprall. Gut, dass es nie jemand erfahren wird, liebes Tagebuch.

Das Messgerät taucht ein und sinkt. Es zeigt die Temperatur in allen Wasserschichten. Fortschritt. Doch was nützt mir das, wenn es oben 7,9 und unten, in zwei Metern Tiefe, 7,8 Grad sind. Das hätte mein altes Badewannenthermometer auch gewusst. Ein Meteorometer wäre mir lieber. Mit dem kann man exakt die gewünschte Temperatur, Windrichtung und -stärke, sowie die Niederschläge des Tages ein- oder abstellen. Aber wenn das nicht mal der Kachelmann kann, wird es wohl noch dauern, bis so ein Gerät auf dem Markt ist.

Wie bitte, ich guck wohl nicht richtig.

Zwei Tage ungeduldige Thermometerblicke später sind die gewünschten 10 Grad zum Karpfenangeln zum Greifen nah. Kurze, sonnige Abschnitte brachten das Wasser auf wahnwitzige Thermalbadwerte von 8,8 Grad. Die logische Rechnung: Übermorgen haben wir zweistellige Werte. Ich füttere erwartungsfroh einige vorsichtige Spombladungen Dosenmais.

Dosenmais und Maispellets sollen einen Fisch bringen.
Nur eine Spomb-Ladung pro Topspot sollte nicht zu viel sein.

Der nächste Tag bringt Wind. Und Regen. Und, .. äh.., Hagel? Seit wann macht der März Aprilscherze? Im Dezember hätte ich Hagel noch sinnvoll einsetzen können. Man, ich kann nicht mehr. Noch einen Tag warten. Dann muss es einfach klappen.

Da steh ich nun ich armer Tor und bin verhagelt wie zuvor.

Der Folgetag, er wird nicht besser.

Trotzdem fahre ich an mein Gewässer.

Mir ist nur noch kalt.

Als stünd ich im Wald.

Schon fliegt er raus, mein Tiefenmesser.

 

Aus lauter Verzweiflung fange ich schon zu reimen. Was einem beim Tagträumen so alles einfällt. Absurd. Warum reime ich? Warum messe ich überhaupt? Es könnte ja ein Wunder geschehen sein. So eine Art warme Wunderquelle, die plötzlich aufbrach. Oder ein warmer Bruder hat im See gebadet. Für diesen unerlaubten Nachkarnevalswitz im AKK-Stil, pfeift mir der deutsche Mimosenwind eisig um die Ohren, und zieht mir dermaßen weit den Brustkorb runter, dass ich die nächsten Tage meinen Arm kaum noch bewegen kann. Macht nichts. Sollte ich Boilies sticken müssen, schwimme ich sie raus. Einhändig, wenn es sein muss! Ich gehöre noch zur Heldengeneration.

Zeit zum Faulenzen ist nicht - mir kriecht die Kälte die Karpfenliege hoch.

Der spannende Moment. Mein Wundergerät zeigt 6,8 Grad. 6,4 im Tiefen. Das muss ein technischer Fehler sein! Das bisschen Hagel kann doch nicht so hart reinhauen. Meine Gesichtszüge spiegeln sich vor Entsetzen entstellt im Fishhawkdisplay. Obwohl nichts anderes zu erwarten war. Die Sehnsucht ist größer als die Wahrheit. Die kalte, bittere, herzlose Wahrheit. Und die bringt in den nächsten drei Tagen Nachtfröste.

Bin ich Angler oder Pussi? Seit wann lässt man sich von technischen Geräten vom Angeln abhalten? Ich schleppe mein Karpfenzeug 650m mit dem Trolley ans Wasser. Einfach so. Könnte ja klappen. Auch bei einem Tageskurzansitz braucht man sein Zeug. Wie wenig sich das vom mehrtägigen Ansitz unterscheidet wundert mich. Der Trolley ist irgendwie… voll!

Raus mit den Montagen. Da liegen sie gut. Sechs Stunden lang liegen sie gut. Die Dosenmaiskörner sind unberührt. Ebenso gut könnte ich in meinem Regenwassertank angeln. Ich hätte dort sogar von Hand ablegen können.

Unermüdliche Sportler sind nicht totzukriegen.

Hab ich ein Glück, dass ich Matze Koch bin. Denn der fängt ja immer. „Für den werden sogar die Polder extra besetzt“, schrieb kürzlich jemand. Richtig, und die Ablösesumme wenn die Firma Balzer mich freigibt, beträgt 48 Millionen Euro.

Nein. Es gibt keine Ablöse. Es gibt auch keinen Matze Koch Fischbesatz. Und ich fange auch öfter mal nichts. Manchmal sogar nur deshalb, weil ich unvernünftig war.

Euer Matze Koch

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