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Die Meister aus München

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Die Meister aus München

Sie produzierten vor über 100 Jahren die ersten gespließten Ruten Deutschlands, drehten wahre Rollenkunstwerke aus Metall: die Münchner Drechslermeister Jakob Wieland und Heinrich Hildebrand.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts mussten Rute, Rollen uns Zubehör noch aus England und den USA nach Deutschland importiert werden. Erst um 1850 entwickelte sich bei uns eine eigenständige Angel-Industrie. In diesem Zusammenhang spielt die Münchner Angelgeräte-Fabrik „Heinrich Hildebrand“, später „H. Hildebrand’s Nachf. Jakob Wieland“, eine zentrale Rolle. Dort, in der Ottostraße 3b, baute man die erste Gespließte Deutschlands, auch gingen hier schon Testangler ein und aus. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich München zum Zentrum des deutschen Angelsports gemausert. Vor allem gut betuchte Künstler und Beamte frönten damals in der bayerischen Hauptstadt dem Angelsport.

Jakob Wieland über die Geschichte der Firma Hildebrand, für die er zuerst arbeiten und die er schlussendlich übernehmen sollte: „Englische Ruten hatten einen guten Namen in Fischerkreisen, noch ehe man in Deutschland überhaupt an deren Herstellung dachte. Diese Tatsache und die drängenden Wünsche vieler Sportfreunde veranlassten im Jahre 1843 den Drechslermeister Heinrich Hildebrand in München, ein eigenes Spezialgeschäft für Angelgeräte zu gründen, um damit dem seit langem bestehenden Bedarf an besseren Geräten abzuhelfen.“ Hildebrands Firma hatte einen Vorläufer: In der Literatur wird als erster Angelrutenhersteller in München die Manufaktur Hinkert erwähnt. Hinkert fertigte seine Ruten aus verschiedenen Hölzern: die Handteile aus Ahorn, Ulme oder Esche, das Mittelteil aus Hickory oder Lanzenholz, die biegsame Spitze wurde schon aus Bambus hergestellt. In die Familie Hinkert heiratete Hildebrand ein, als Schwiegersohn übernahm er bald das Geschäft.

Auf der Drehbank zauberte Jakob Wieland wahre Rollenkunstwerke.

Hildebrand orderte die besten englischen Ruten und studierte eingehend deren Konstruktion. Max von dem Borne, der damals bekannteste deutsche Sportfischer, stand ihm als Ratgeber zur Seite. Borne war weitgereitst, bis in die USA, und kannte die Produkte der Konkurrenz aufs Beste. Schnell produzierte die Firma Hildebrand die erste gespließte Rute Deutschlands, eine dreiteilige Fliegenrute. Natürlich legte sich auch Dr. Heintz gleich ein solches Exemplar zu. Sie sollte seine Lieblingsrute auf Äschen und Forellen werden, aber auch einen 20-pfündigen Huchen konnte er damit landen. Heintz arbeitete in der Folgezeit eng mit Hildebrand und Wieland zusammen, sie tüftelten zahlreiche Geräteinnovationen aus. Borne war wohl der erste und Heintz der zweite Testangler in der deutschen Angelgeschichte.

Noch 1950 wurden bei Hildebrand in München die originalen Heintz-Blinker aus Blechen gestanzt.

Bahnbrechendes aus Bambus

Jakob Wieland wurde am 13. April 1857 in München als ältester Sohn des Drechslereibesitzers Johann Wieland geboren. Schon sein Vater fertigte in den fortschrittlich eingerichteten Metall- und Holzbearbeitungswerkstätten Angelgeräte für die Firma Hildebrand. Der hochbegabte Jakob wurde von seinem Vater auf die Universität geschickt, doch leider musste er aus gesundheitlichen Gründen das Studium bald aufgeben. Er trat in den väterlichen Betrieb ein, ging dort in die Lehre. Mehrere Jahre arbeitete er bei anderen in- und ausländischen Angelgeräteherstellern, wohl auch in England, und besuchte internationale Fischereiausstellungen. Wieder daheim, übernahm er das Geschäft des Vaters. Auch Jakobs Brüder arbeiteten in der Firma, darunter auch Bonifaz, der später eine eigene Rutenproduktion eröffnen sollte.

Anzeige von 1925: „Das Vollkommenste in Spinnruten auf Hechte und Huchen.“

Schon um 1880 stellte Jakob Wieland auf maschinellem Wege gespließte Ruten her. In seiner Geschäftschronik erwähnt er dazu voller Stolz: „Von dieser Zeit an datiert die Herstellung gespließter Ruten in Deutschland. Die Firma H. Hildebrand hat den Vorzug, die ersten gespließten Ruten eigener Fabrikation in Deutschland zum Verkauf gebracht zu haben.“ Im Jahre 1900 heiratete Wieland Johanna Gierer, die Tochter eines Arztes. Seine Frau brachte ihm 6 Kinder auf die Welt, 2 Jungs und 4 Mädchen. Ebenfalls im Jahr 1900 übernahm er die Firma „Heinrich Hildebrand“. In den nächsten 15 Jahren sollte er aufs Engste mit Dr. Heintz zusammenarbeiten, der fast täglich die Werkstatt besucht haben soll. Nicht zuletzt dank dieser Kooperation erlangten Wielands Geräte bald Weltruhm, bis heute gelten sie als das Beste was in Deutschland produziert wurde. Selbst über hundert Jahre alte Gespließte aus seiner Werkstatt sind noch heute kerzengerade und durchaus fischbar. Auf Fischereiausstellungen in der ganzen Welt gewannen seine Ruten und Rollen unzählige Diplome, Goldmedaillen und 1. Preise, seine Geräte ließen die englische und amerikanische Konkurrenz oft hinter sich. Schnell wurde ihm der Ehrentitel „Königlich Bayerischer Hoflieferant“ verliehen.
Jakob selbst errang nicht weniger Preise mit seinen Produkten als Turnierwerfer: In Berlin 1927 den 1. Platz im Fliegen- und Spinner-Weitwurf, im gleichen Jahr in München wurde er in den Disziplinen wieder erster, 1928 in Berlin sahnte er wieder alle Preise ab, in Wien wurde er im gleichen Jahr sogar dreifacher Europameister und in Hannover mehrfacher Deutscher Meister.

Ein gestandenes Münchner Mannsbild: Jakob Wieland im Alter von 55 Jahren.
Casting-Legende: Jakob Wieland auf dem Bayerischen Wurfturnier 1929.

 

Testangler Heintz

Jakob Wieland arbeitet über 30 Jahre eng mit Profiangler Dr. Heintz zusammen: „Angeregt durch das Beispiel seiner Sportfreunde, die gerne bei Hildebrand sich zusammenfanden und dort ihre Erlebnisse und auch ihre Enttäuschungen besprachen, war in Dr. Heintz allmählich der Entschluss gereift, der Verbesserung der Angelgeräte seine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Zu diesem Zweck setzte er sich mit Hildebrand in Verbindung, und in diesem Zusammenschluss wurde der Grund gelegt, für die so mühevolle aber desto erfolgreichere Zusammenarbeit zwischen dem damals im besten Lebensalter stehenden Dr. Heintz und Hildebrand, dessen Nachfolger ich später wurde. Nun begann die Zeit der ununterbrochenen Versuche am Wasser und in der Werkstatt. Mit größter Ausdauer widmete Dr. Heintz einen großen Teil seiner Zeit um seinen Ideen und Erfahrungen feste Form zu geben; es wurde konstruiert, geprobt und geprüft, vielfach wieder verworfen und verbessert, bis die vielen noch heute so bewährten Heintzgeräte zur Welt gebracht waren“. Nicht nur der noch heute bekannte Heintzblinker entstammt dieser fruchtbaren Zusammenarbeit, verschiedene Spezialruten für die Forellen- und Huchenfischerei sowie Spinnsysteme wurden entwickelt. Darunter auch ein Köderfisch-System mit Zelluloid-Turbine mit dem Heintz 1909 im Inn einen 47 Pfund schweren Huchen überzeugen konnte.

Heute leider vergessen: Der „Röhrchenspinner“ von Dr. Heintz und Jakob Wieland ließ sich auf die verschiedensten Arten mit einem toten Köderfisch bestücken.

Wieland weiter über Dr. Heintz: „Als langjähriger Mitarbeiter Hildebrands stand ich in engster Beziehung zu all diesen Versuchen und Neuerungen und durfte teilnehmen an den mehr oder weniger erfüllten Erwartungen und Erfolgen des intelligenten Mannes. In persönliche Verbindung trat ich jedoch erst, als ich Hildebrands Geschäft übernahm. Ich rechne es mir heute in meinen vorgerückten Lebensjahren noch zu Ehre an, dass ich den Ideen von Dr. Heintz bis in die kleinste Einzelheit zugänglich war und gleich ihm den brennenden Wunsch hatte, eigene deutsche Geräte zu schaffen, bei denen in Formgebung, Größe und Ausführung den Eigenarten der deutschen Gewässer und der in Deutschland vorkommenden Fischarten genau Rechnung getragen und auch den deutschen Freunden des Angelsports zu größeren Erfolgen verholfen wurde.“ Wieland fertigte den Röhrchenspinner und den Ideal-Wobbler, beides Spinnsysteme für den toten Köderfisch, nach Vorgaben von Dr. Heintz. Beide verbesserten das englische Krokodilsystem der Firma Hardy, tüftelten an zusammenklappbaren Gaffs, Keschern und Schleppbleien.

Die gute Seele: Jakobs Schwester Marie Wieland kümmerte sich über 50 Jahre um die Fliegendbinderei und das Ladengeschäft.

Jakob Wielands Schwester, Fräulein Marie Wieland, war die Fliegenbinderin im Hause. Zusammen mit Dr. Heintz verfeinerte sie die damals üblichen Fliegenmuster. Als besonderes Highlight ist die „Heintz’sche Eisvogelfliege“ zu nennen, ein regelrechter Brummer, der einen ins Wasser stoßenden Vogel imitieren soll. Marie feierte am 8. August 1925 ihr 50-jähriges Betriebsjubiläum im „ersten Hause der Angelgeräte-Industrie“. Sie stand täglich im Ladengeschäft und beriet die Angler, abends und am Wochenende band sie Fliegen.

Wertarbeit aus Bavaria: Die Wiege der deutschen Angelindustrie stand in München.

Schwere Zeiten

Jakob Wieland hatte nicht nur Angelzeug im Kopf: Er engagierte sich in seiner Stadt im sozialen und politischen Bereich. Lange Jahre hatte er das Amt eines Armenpflegschaftrates inne, für sechs Jahre wurde er als Bevollmächtigter in das Gemeindekollegium der Stadt München gewählt. Seinem Engagement machte der Ausbruch des 1. Weltkrieges ein Ende. Auch die Firma hatte zu knabbern: Material zum Ruten- und Rollenbau war kaum noch zu beschaffen, geeignete Arbeitskräfte nicht zu bekommen. Nach dem Krieg sorgten Inflation und Wirtschaftkrise für fehlenden Absatz. Für den bereits über 60-jährigen Wieland war diese Zeit schwer zu verkraften. „Am 20. September 1926 verschied in München im 70. Lebensjahre Jakob Wieland, der Senior der deutschen Angelgerätefabrikanten, weit über Deutschlands Grenzen hochgeachtet von allen, die zu St. Peters Gilde zählen. Wie der Mann war, so wurde sein Werk: zuverlässig und gediegen. Jedes Stück, das den Namen seiner Firma hinaustrug ins Reich oder über dessen Grenzen, war eine Rechtfertigung des Vertrauens, das ihm durch fast fünf Jahrzehnte in ständig wachsendem Maße aus den Kreisen der Angler entgegengebracht wurde“, schwärmte Paul Rauser, Redakteur von „Der Angelsport“, in einem Nachruf. Jakob Wieland verschied während eines Erholungsaufenthaltes an Herzlähmung.

Der grüßende Angler: das Firmenlogo von Hildebrand’s Nachf. Wieland.

Sein ältester Sohn Jakob Junior übernahm nach dem Studium 1927 die Leitung der Fabrikation und des Ladengeschäftes. Auch Wielands Schwager, Diplom-Ingenieur Franz Menzebach, arbeitet in der Firma. Der Westfale Menzebach (1898-1984) sollte später als Fliegenfischer und Buchautor einen hohen Bekanntheitsgrad erlangen („Fischgerechtigkeit“ 1960, „So fängt man mit der künstlichen Fliege“ 1964, „So fängt man Äschen“ 1966). Beide führten die Firma im Sinne von Jakob Senior weiter, „in ständiger Fühlung mit den Prominenten des Angelsportes“. Ein Geschäftsgrundsatz, der bei allen erfolgreichen Angelgeräteherstellern bis heute Gültigkeit hat. Jakob Wieland Junior fiel im 2. Weltkrieg, noch ein paar Jahre führte Franz Menzebach die Firma „Hildebrand’s Nachfolger Jakob Wieland“ in München fort. Es wurden Angelruten, Kunstköder – vor allem die begehrten Heintzblinker – Fliegen und Bleie gefertigt. 1956 ging dann ein Stück deutscher Angelgeschichte zu Ende.

Aus dem Hildebrand-Katalog von 1880: Rollen und eine Maschine zur Vorfachherstellung (unten), gefertigt in München.

Loblied der Zeitgenossen

John Horrocks, ein englischer Fliegenfischer, der im thüringischen Weimar lebte, schrieb 1874 über den Kauf von Angelruten: „In London, oder sonst einer großen Stadt Großbritanniens, kann jeder Anspruch sofort befriedigt werden; in Deutschland aber ist das ganz anders, denn man ist einzig auf Hildebrand in München angewiesen, der allein eine Angelruthe, die mit einer englischen zu vergleichen wäre, anfertigt und verkauft. Man kann auch in Berlin, Frankfurt und in einigen anderen Städten Angeln kaufen, aber was für Angeln, meine Freunde! Nur solche, die ein Schulknabe mit einem Wurm, oder ein Grundfischer, der durch Kraftanwendung, einen armen Fisch aus einem Loch hervorzieht, brauchen könnten.“

Titelblatt eines Hildebrand-Kataloges, etwa von 1880.

Auch Angelautor Wilhelm Bischoff empfahl 1859 die damals noch ungespließten Modelle: „Hier sind besonders die Hildebrand’schen Angelruthen in München zu empfehlen, welche sich jeder englischen an die Seite stellen können und mit vorzüglicher Arbeit ganz außerordentlich billige Preise verbinden“. Im Vergleich zu den englischen Modellen kosteten die Münchner Ruten nur die Hälfte.
Dr. Heintz, 1903: „Ich benutze seit 20 Jahren ausschließlich dreiteilige Gerten aus der rühmlich bekannten Werkstätte von Hildebrands Nachfolger Wieland, Ottostraße München, und ich bin damit in jeder Beziehung außerordentlich zufrieden.“ Dr. Hanns Schindler, 1926: „Wer Jakob Wieland, seinen rastlosen Fleiß, sein großes Interesse für die Entwicklung des deutschen Angelsports und seine stets freundliche, bescheidene, wohlwollende Art gekannt hat, wird ihm stets ein treues Gedenken bewahren; ebenso steht in der Geschichte der deutschen Sportfischerei der Name Jakob Wieland mit nie verlöschenden Lettern eingegraben.“

Der „Läutapparat“: Am Ende des 19. Jahrhunderts präsentierte Hildebrand einen auf die Rute zu schraubenden, akustischen Bissanzeiger.

Geschichte der Gespließten

Aus vier Bambusrohr-Spleißen zusammengeleimte Rutenspitzen waren bereits ab 1800 in England verbreitet. Das aufwändige Spleißen und Zusammenkleben war aus der Not geboren, war der importierte Bambus doch oft mangelhaft. Zum ersten Mal wird das revolutionäre Bauprinzip 1801 von Charles Snark in einem Angelbuch erwähnt. 1847 beschreibt Edward Fitzgibbon in seinem „Handbook of Angling“ schon das hexagonale Bauprinzip aus sechs Spleißen, allerdings nur für Spitzenteile. Schon zwei Jahre zuvor präsentierte J.D. Dougall aus Glasgow, Schottland, die erste dreifach gespließte Rute auf einer Ausstellung in Manchester. Die Londoner Firma Ustonson hatte sogar schon um etwa 1830 komplett gespließte Ruten aus drei Spleißen im Angebot. Die Firma Blacker aus London lieferte 1852 sogar schon Gespließte in die USA.

Eine gespließte Rute wird aus sechs Bambusspleißen zusammengeleimt.

Als erster Rutenbauer, der vier Bambusspleiße zu einem kompletten Rutenblank verklebt haben soll, wird oft Samuel Phillippe aus Easton in Pennsylvania, USA, genannt. Diese vollständig gespließte Fliegenrute soll der Geigenbauer und Waffenschmied um 1845 gefertigt haben. Phillippes Sohn Solon baute 1859 die allererste sechskantige „Splitcane“ der USA. Um 1870 verkaufte die US-Firma Leonards solche Ruten an den Endverbraucher, zeitgleich tauchten auch in England in den Angelkatalogen von Allcock, Hardy und Farlow ebenfalls sechskantige Ruten auf. 1880 brachte Wieland dann die erste deutsche Gespließte dieser Machart zur Marktreife.

Das Beste vom Besten: gespließte Ruten von „Hildebrand’s Nachfolger Jakob Wieland“.

Möglicherweise hat ein Bayer die erste Gespließte moderner Bauart erdacht: Der Angelautor Wilhelm Bischoff erwähnt 1882, dass er den eigentlichen Erfinder der Sechsfach-Gespließten kenne. Die Neuentdeckung sei „eine Idee, welche schon von einem vor Jahren verstorbenen Mitgliede des bayerischen Fischerei-Vereins, Herrn Thoma, Abjunkt der königlichen Bergwerks- und Salinen-Administration, ausgeführt wurde und für diesen wohl mit Recht betreffs der Urheberschaft vindiziert werden kann.“ Noch 1899 konnte man in der „Angler-Schule der Deutschen Fischereizeitung“ lesen, dass die Idee von Herrn Thoma nicht nur in Deutschland umgesetzt wurde, sondern auch in England und Amerika.

Messestand der Firma Hildebrand’s Nachf. Wieland aus dem Jahr 1951.

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