Nach aufregendem Drill ist ein kapitaler Lachs aus dem Kymijoki reif für die Landung. Stolz präsentiert der Fänger den 18 Pfund schweren, silberglänzenden Prachtfisch. |
Der russische Zar Alexander der III. zog sich bis zu seinem Tod im Herbst 1894 regelmäßig zum Lachsangeln in seine Fischerhütte an den Stromschnellen des Kymijoki in Finnland zurück. Heute kann jeder auf seinen Spuren wandeln, ohne adelige Preise zahlen zu müssen. Rainer Pollmeier flog Ende Mai nach Kotka und stieß auf einige Überraschungen.
Von Rainer Pollmaier
Die Hafenstadt Kotka hat gut 56.000 Einwohner und ist seit der Öffnung der russischen Grenzen wieder der Knotenpunkt zwischen Ost und West. Sie liegt an der E 18 nur 130 Kilometer östlich von Helsinki und 280 Kilometer von St. Petersburg entfernt. Wer das Meer liebt, ist hier richtig, denn die teilweise völlig unberührten Schären und Inseln im Nationalpark vor Kotka gehören zu den schönsten im finnischen Meerbusen und bieten einmalige Erlebnisse: Seehunde fühlen sich hier wohl, zahlreiche Vogelarten finden ungestörte Nistplätze, und im Frühjahr und Herbst ziehen Hunderttausende arktischer Vögel auf ihrer Flugroute vorbei. Kein Wunder, dass Naturfreunde und Segler dieses faszinierende Gebiet längst entdeckt haben, während es in das Bewusstsein der Angler noch nicht eingedrungen ist. Dabei wimmelt es im Meer voller baltischer Lachse.
Zur Einstimmung lohnt es sich, im Restaurant „Wanha Fiskari“, zu deutsch „Der alte Fischer“, direkt im Bootshafen einige heimische Spezialitäten wie Ostseelachs, Renke, Zander oder Quappe zu kosten. Der Besitzer Matti Horto lebte jahrelang vom Lachsfang und fährt seine Gäste auch heute noch gern mit seinem Fischerboot „Sami“ zu den Jagdgründen zwischen den Schären. Dabei hat man die Möglichkeit, die Silberschätze auf die traditionelle Art der Berufsfischer mit Heringen als Köder an Langleinen „zu heben“. Selbstverständlich kann statt dieser schweißtreibenden Arbeit auch geschleppt oder gepilkt werden. Insgesamt ist das Boot aber eher geeignet, mit der Familie die Schönheit der Schären zu erkunden. Wer Familienurlaub und Angeln verbinden möchte, sollte ab dem nächsten Sommer unbedingt die Insel Karhusaari ansteuern. Hier entsteht zur Zeit nach den Ideen von Matti ein neues Ferienzentrum, um nach Herzenslust fischen, saunen und das Inselleben genießen zu können.
Silberblanke Kraftpakete
Trollingä-Fans und Uferangler kommen aber auch in diesem Herbst schon voll auf ihre Kosten, wenn sie den Lachsen und Meerforellen nachstellen. Die „Zeit der Ernte“ gilt als beste Periode, die silberblanken Kraftpakete zu fangen. Nach 40minütiger Bootsfahrt erreicht man die kleine Insel Tynnyrkari, wo Hausherr Gustafsson seine Gäste in einem herrlichen Blockhaus erwartet, das 36 Personen Platz bietet. Die Abgeschiedenheit der Insel, die einzigartige Atmosphäre des Holzhauses und der Rundumservice sind ideal, um richtig auszuspannen. Damit der Adrenalinspiegel nicht zu sehr fällt, stehen zwei komplett ausgerüstete Trolling-Boote – auf Wunsch mit Guide – zur Verfügung. Und der beteuert: „Mindestens zwei Lachse pro Ausfahrt knallen ins Geschirr!“
Solche Fanggarantien hätte er vor einigen Jahren sicher nicht ausgesprochen, denn da mästeten sich nur noch vereinzelte Exemplare an den Strömlingen, wie die kleinen Heringe hier genannt werden.
Der Grund für den einstigen Rückgang der Fischbestände im berühmten Lieblingsfluss des Zaren: Im Kymijokital wurden im Zuge der Industrialisierung Papierfabriken und Kraftwerke gebaut. Der mächtige Fluss verkam zur Kloake. „Die Industrie brachte aber auch den Wohlstand nach Kotka“, sagt Pauli Lindström, mein Gastgeber, und ergänzt: „Es wurden Sägewerke gegründet und Schiffe, beladen mit Teer und Holz – dem grünen Gold Finnlands – liefen aus zu den anderen Häfen der Ostsee.“
Doch die gemeinsamen Anstrengungen von Anglern, Industrie, der Stadt Kotka und des WWF haben dazu geführt, dass die Fische in den Fluss zurückkehrten. Heute ist der Kymijoki wieder ein „Klondike für Lachsangler“. Allerdings scheint die Kunde vom Salmoniden-Reichtum noch nicht über die finnischen Grenzen hinausgedrungen zu sein.
Gute Chancen auf 40-pfünder
„Dies hier ist weltweit die beste Stelle zum Fliegenfischen auf Lachse“, meint Angelführer Kari Taimisto, ohne rot zu werden, als wir in Siikakoski auf einer gut 300 Meter langen Strecke unsere Schussköpfe gegen den Wind werfen. Auf meinen ungläubigen Blick reagiert er mit Fakten: „Allein im September werden hier jedes Jahr gut 1,5 Tonnen baltischer Kraftpakete gelandet. Der größte Lachs 1996 wog 18,75 Kilo, die schwerste Meerforelle 16 Pfund“. Ich war sauer, dass ich mich hatte breitschlagen lassen, bereits im Mai nach Kotka zu reisen. Kari spürte sofort, was los war und tröstete mich, als sich eine Äsche an meiner Meerforellenfliege vergriff: „Ein seltener Fisch im Kymijoki, davon werden jedes Jahr nur 30 bis 40 gefangen.“ Ich nahm es gelassen, denn jetzt war klar: Im September oder Oktober werde ich wieder an dieser Stelle stehen und eine große Tubenfliege an der 15-Fuß-Zweihandrute mit schwerer Sinkschnur in den Fluten versenken. Dann sind die Chancen einmalig, dass sich der Kiefer eines Kapitalen schließt und der Traum von explodierendem Wasser und krummer Rute wahr wird. Und dafür muß ich nicht einmal tief in die Tasche greifen, denn die sympathischen Finnen sind keineswegs bereit, astronomische Preise für Angelscheine zu nehmen oder selbst zu zahlen. Die Lizenz kostet lediglich 70 Finnmark, das sind knapp 26 Mark.
Fischen mit der »Spinfluga«
Sie müssen allerdings kein Fliegenfischer sein, um mit den Rekordlachsen des Kymijoki anzubändeln. Unterhalb der Flugangelstrecke in Siikakoski stehen Spinnanglern etliche Kilometer mit herrlichen Stromschnellen, riesigen Gumpen und ruhig fließenden Abschnitten offen. Die populärste Methode am Kymijoki ist jedoch nicht das Fischen mit Spinnern, Löffeln oder Wobblern, sondern die sogenannte „Spinfluga“: An die 0,50 oder 0,55 Millimeter starke Hauptschnur wird ein Dreiwegewirbel geknotet. In die seitliche Öse kommt ein zehn bis 30 Zentimeter langes Stück 45er Monofil mitsamt einem 30 bis 50 Gramm schweren Blei, in die andere Öse ein Seitenarm für die Tubenfliege in Rutenlänge. Am beliebtesten sind kräftige Spinnruten um die drei Meter in Kombination mit Multi- oder Stationärrollen, die mindestens 150 Meter Hauptschnur fassen.
Die Montage wird im Winkel von 90 Grad gegen die Strömung geworfen. Nie flussaufwärts, weil man dann garantiert ständig Blei und Fliege abreißt. Die Kunst besteht nun darin, das Blei über den Flussgrund rollen zu lassen, so dass der Köder mit der Strömung immer über dem Boden spielt, wo die Lachse in den Vertiefungen auf der Lauer liegen. Wenn Sie Widerstand spüren, haben Sie entweder einen Fisch oder einen Stein gehakt. Letzteres ist die Regel. Andernfalls kommt es darauf an, die Ruhe zu bewahren und den Lachs „laufen“ zu lassen, ohne viel Druck auszuüben. Auch wenn sich das Muskelpaket endlich zeigt, sollten Sie den Drill keinesfalls forcieren, denn der Fisch wird garantiert noch einmal flüchten: Je mehr Sie sich zügeln, desto größer sind die Chancen, den Salmoniden ins Fangbuch eintragen zu können.
Die Tubenfliege am Seitenarm ist auch in Korkeakoski die mit Abstand fängigste Methode. Der gut 200 Meter lange Angelsteg direkt unterhalb eines unüberwindlichen Kraftwerks an einem Nebenarm des Kymijoki gilt als absoluter Spitzenplatz in Finnland, um große Salmoniden auf die Schuppen zu legen. Zahlen lügen nicht: Die Saison 1996 brachte hier 777 Lachse und 247 Meerforellen mit einem Durchschnittsgewicht von 5,3 beziehungsweise 3,5 Kilogramm ans Tageslicht. Aber Korkeakoski ist auch berühmt für den Maränen-Fang mit Würmern und Shrimps am Paternoster. Vom 14.9. bis zum 31.12.1996 wurden sage und schreibe 2.860 Kilogramm Coregonen gelandet.
Doch kehren wir noch einmal zur Fischerhütte Alexanders zurück, denn die Stromschnellen von Langinkoski sind neben Siikakoski und Korkeakoski der dritte Angelplatz des Kotka Salmon Centre. Diese abwechslungsreiche Strecke ist allerdings den Fliegenfischern vorbehalten. Die Angelerlaubnis für zwölf Stunden kostet in der besten Zeit 100 Fmk. Man muß also kein Geld-Lord sein und braucht sich nicht an anderen teuren Lachsstrecken in Europa oder Übersee zu übernehmen. Wer auf den Spuren des Zaren wandelt, kann heute wieder herrliches Lachsangeln genießen, obwohl der 1896 aufgestellten Rekord von 70 Pfund kaum zu schlagen ist.
Info (Stand 1998)
Angelschein: Personen, die zwischen 18 und 65 Jahre alt sind, benötigen den staatlichen Angelschein (fishing management fee) zum Trolling mit mehreren Ruten. Diese Fischereiabgabe von 80 Fmk für 1997 oder 20 Fmk für sieben Tage kann bei Banken auf das Konto PSP 800016-10210 eingezahlt werden. Der Beleg ist die Legitimation. Zum Süßwasserangeln oder Trolling mit einer Rute reicht die Erlaubnis der Provinz Kymi (lure fishing fee): Girokonto 800013-29544. Preis für das Jahr 1997: 150 Fmk, sieben Tage 35 Fmk. Dazu kommt dann noch der Erlaubnisschein des Gewässerbesitzers.
Meeresangeln: Infos zum Angeln oder einer Kreuzfahrt mit der Yacht „Sami“ sowie einem Aufenthalt im Ferienzentrum auf Karhusaari erteilt: M. Horto, Ruotsinsalmenkatu 1, Fin-48100 Kotka, Tel. ab Deutschland: 00358/52186585. Angelferien auf der Insel Tynnyrkari, I. Gustafsson, Tel. 00358/52600288 oder 500551065, Fax 52184045.
Kotka Salmon Centre
Saison: ganzjährig.
Fischarten: Lachs, Meer- und Regenbogenforelle, Äsche, Hecht, Maräne, Quappe.
Korkeakoski: Angelsteg für 40 Fischer. Lachsangeln kostet vom 1.5. bis 30.6. für zwölf Stunden 80 Fmk, vom 1.7. bis zum 31.10. 100 Fmk und sonst 60 Fmk. Maränenfischen: 30 Fmk für sechs Stunden .Die Karten sind vor Ort erhältlich in der Fischergaststätte Korkeakoski, Kymijoentie 101, Tel. 00358/5281495.
Siikakoski: Lachsangeln mit Fliegen und Spinnrute ohne Tageskartenlimit kostet vom 1.7. bis 31.10. für 24 Stunden 70 Fmk, sonst 50 Fmk. Außerdem gibt es vom 1.7. bis 31.10. Scheine für sechs Stunden zu 40 Fmk, sonst 30 Fmk. Ausgabe vor Ort: Restaurant Munkkisaari, Munkholmantie 101, Tel. 00358/52609301. Oder einfach am Ticketautomaten ziehen.
Langinkoski: Nur Fliegenfischen. Acht Ruten pro Tag. Preise vom 1.1. bis 16.6. für zwölf Stunden 75 Fmk, sonst 100 Fmk. Karten bei der Ausgabestelle in Korkeakoski.
Der besondere Tipp: Gönnen Sie sich eine abenteuerliche Bootstour den Kymijoki hinab mit M. Jussi-Pekka, dem Besitzer des Restaurants Munkkisaari.
Empfehlenswerte Unterkunft: Ferienhaus Mäntyniemi, H. Einola, Venehkorventie 30, Fin-46930 Huruksela, Tel. 00358/400765103, Fax /53675902.
Pauschalangebot: Finnair schnürt für Sie ein komplettes Paket zum Lachsangeln am Kymijoki oder zum Fischen auf der Insel Tynnyrkari. Infos gibt’s in jedem guten Reisebüro.
Weitere Infos: Allgemeine Fischereiauskünfte unter der Telefon-Nummer 00358/52344335. Im Internet außerdem Tipps sowie ein wöchentliches Update der Fänge: http://www.kotka.fi/~huusko/index2.htm. Auch das Touristenbüro der Stadt Kotka, Keskuskatu 7, FIN-48100 Kotka, Tel. 00358/52344424, Fax 5215676, informiert gern ausführlich über die Angel- und Freizeitmöglichkeiten.
Foto: Verfasser, K. Taimitso