Semiparabolisch oder progressiv, Parazoom oder Fast Taper… Für Rutenaktionen gibt es viele Namen. Thomas Kalweit erklärt, woher sie kommen und was sie bedeuten.
Stets haben Rutenbauer versucht, das Unvereinbare miteinander zu kombinieren: Rückgrat mit Sensibilität, Eleganz mit Kraft. „Die ideale Rute ist sicherlich jene, bei der die Spannkraft zum Werfen, die Antennenwirkung zum Führen und Fühlen und das Rückgrat zum Anhieb und Drillen optimal zusammentreffen“, so bringt es die Firma Abu 1977 auf den Punkt. Um das zu erreichen, haben die Rutenbauer den besten Tonkin-Bambus gehobelt, später Glasfasermatten zugeschnitten, gewickelt und verklebt, dann mit Kohlefaser, Kevlar und Boron experimentiert. Im 1977er Katalog des schwedische Geräteherstellers Abu finden wir eine interessante Abhandlung über das Biegeverhalten von Angelruten. Etwas für Mathematikfreunde ist die dort dargestellte Aktionseinteilung in „unbeugsame“ Viertel und Achtel: Demnach wird eine extreme Spitzenaktion als 7/8-Aktion bezeichnet – sieben Achtel bleiben steif, nur das letzte Achtel im Bereich der Spitze biegt sich im Drill. Es folgt die ebenfalls noch spitzenbetonte 3/4-Aktion. Eine fast vollständig durchgebogene Rute mit Vollaktion wird nach dieser genialen Logik 1/8-Aktion genannt, 7 Achtel biegen sich, nur der Bereich des Handteils bleibt steif. Die Marketingabteilung machte den Abu-Ingenieuren aber einen Strich durch die Rechnung: zu kompliziert! Fortan bezeichnete Abu die Spitzenaktion als „Zoom“, die Vollaktion als „Parazoom“, andere Aktionen gab es für die Firma nicht mehr.
Aktionsreich
Bei der Spitzenaktion (1) biegt sich die Rute nur im Spitzenbereich. Solche Ruten werden auch Fast-Taper-Ruten genannt, weil sich der Rohling besonders schnell verjüngt. Vor allem lange beringte und unberingte Stippruten zum feinen Posenfischen besitzen diese Aktion. Sie ist sehr präzise zu werfen und besonders schnell, weil keine Anschlagsenergie in einer weichen Rute verpufft. Die Spitzenaktion taugt aber nicht zum Drillen großer Fische. Denn die Rute federt kaum und die Schläge des Fisches gehen ungepuffert direkt in den Arm des Anglers, was ziemlich ermüdend ist. Populär wurde die Spitzenaktion vor allem in den 60er und 70er Jahren. In einer Zeit, als Hohlglasruten ihren Siegeszug antraten und Wettfischen eine verbreitete Angelart war. Konstruktionsbedingt besaßen die extrem langen Ruten ein steifes Mittel- und Handteil und eine weiche Spitze. Man findet heute die Spitzenaktion auch bei steifen Spinnruten mit einer „Peitschenspitze“: Das sorgt für hohe Zielgenauigkeit bei Wurf, und direkte Kraftübertragung beim Anschlag.
Bei der Halbaktion (2) biegt sich die Rute ab der Mitte des Blanks. Die auch als semiparabolisch oder halbparabolisch bezeichnete Biegekurve ist ein Mittelding aus Spitzenaktion und Vollaktion. Zuweilen wird sie auch „erweiterte“ Spitzenaktion genannt. Semiparabolische Ruten sind die perfekten Geräte für den Allroundeinsatz.
Ruten mit progressiver Aktion (3) beschreiben einen flachen Kreisbogen. Sie sind die „eierlegenden Wollmilchsäue“ unter den Angelruten – der perfekte Kompromiss aus Spitzen-, Halb- und Vollaktion: Bei geringer Belastung zeigt ein progressiver Blank eine angedeutete Spitzenaktion, bei mittlerer Belastung biegt sich das Mittelteil wie bei einer semiparabolischen Rute, bei Extrembelastung beugt sich auch das Handteil. Denn das Wort „progressiv“ meint nichts anderes als „stufenweise fortschreitend“. Moderne Karpfen-, Spinn- und Fliegenruten weisen diese Aktion auf, sie wurde erst durch den Einsatz von Kohlefaser richtig möglich.
Die Compound-Taper-Aktion (4) wird auch als „flache englische Aktion“ oder Spitzen-Griff-Aktion bezeichnet. Der Taper bezeichnet die Verjüngung der Rute, „compound taper“ somit eine zusammengesetzte Verjüngung. Der Konus des Blanks hat keine gleichmäßige Steigung: Das Handteil verjüngt sich schnell, das Mittelteil der Rute bleibt fast parallel, wobei sich die Spitze wiederum stark verjüngt. Die mittlere Sektion ist bei Compound-Taper-Ruten vergleichsweise steif, so kombiniert man Schnelligkeit und Sensibilität der Spitzenaktion, mit den Drilleigenschaften der Vollaktion, ohne einen wabbeligen Lämmerschwanz zu erhalten. Ruten mit der Aufschrift „CT“ fand man häufig bei Hecht- und Karpfenruten der 70er und 80er Jahre.
Ruten mit Vollaktion (5) biegen sich bei Belastung bis ins Handteil zum perfekten Viertelkreis. Dieses Biegeverhalten wird auch „durchgehende“ oder parabolische Aktion genannt. Wobei letzteres nicht ganz korrekt ist. Das Kunstwort Parabolik wurde 1937 vom Fliegenfischergott Charles Ritz erdacht und sollte erwartungsgemäß von der charakteristischen Biegekurve eines Parabelflügels abgeguckt sein. Um die Verwirrung komplett zu machen, ein Zitat des französischen Meisters: „Mein Begriff ist ein reiner Phantasiename, die Biegekurve einer parabolischen Rute hat absolut nichts mit einer Parabel zu tun.“ Mit einem sauberen Viertelkreis aber leider auch nicht – eine parabolische Aktion ist eher eine progressive Aktion, nur keine reine Vollaktion! Seltsam, dass sie von vielen als Synonym dafür benutzt wird. Vollaktion meint eine gleichmäßige, kreisförmige Biegekurve vom Handteil bis zur Spitze. Solche Ruten besitzen einen Slow Taper, sie verjüngen sich kaum vom Handteil bis zur Spitze. Bei der Vollaktion verbraucht die Federkraft des Blanks im Drill die Kraft des Fisches. Deshalb wurde sie vor allem bei Kampfruten zum Fang von Großfischen, Downriggerruten, Big Game-Ruten und bei Vollglas-Spinnruten älterer Bauart eingesetzt. Heutzutage sind solche Ruten oft nicht mehr modern, sie sind langsam, leichtere Ruten schlackern oft wie ein Lämmerschwanz. Trotzdem hat die Vollaktion auch Vorteile: Sie beschleunigt empfindliche Köder wie Würmer oder Köderfische im Wurf fast zärtlich, sie fliegen so nicht so schnell vom Haken.
Eine richtige parabelförmige Aktion – zusammengesetzt aus beiden Flügeln der Kurve – gibt es aber auch: die „englische Mittelteilaktion“. Hierbei knickt sich die Rute unter Belastung in der Mitte fast knieförmig ab, wie ein Bumerang. Die extreme Griffaktion (6) oder Castel-Connell-Aktion ist heute zum Glück ausgestorben. Sie gab es nur bei zweihändigen Lachsruten irischer Bauart aus dem 19. Jahrhundert. Im Drill und beim Wurf bog sich die Rute direkt über dem Handteil extrem. Bei den dreiteiligen Steckruten war das Mittelteil unproportional dünn. So konnte die schwerere Spitze bei jedem Schwung mit der Fliegenschnur regelrecht umklappen. Das Mittelteil dieser extrem kopflastigen Ruten wirkte dabei wie ein Scharnier. Den Namen bekam die Castel-Connell-Aktion nach einem berühmten Lachsangelplatz zu Füßen einer Burgruine am Fluss Shannon.