Und noch einer zum Vorzeigen: Während Ihres Trips fingen Dr. Wolfgang Stoltenberg und sein Sohn Tim mehere Kings zwischen 20 und 40 Pfund. |
Auch in kleinen, weniger bekannten Flüssen British Columbias brodelt während der Angelsaison das Wasser: Dolly Varden, Regenbogenforellen, Namaycush, Steelheads, Rotlachse und vor allem Königslachse lassen Anglerherzen höher schlagen.
Von Dr. Wolfgang Stoltenberg
Der Westen Kanadas ist bekannt für seine großen Lachsflüsse. Doch nicht nur dort, auch an abseits gelegenen, kleineren Flüssen ist die Fischwaid vielversprechend. Diese Tatsache nahm ich zum Anlass, meinem Sohn Tim ein Abitur-Geschenk der besonderen Art zu machen: einen Angeltrip an die weniger bekannten, nicht so stark frequentierten Gewässer British Columbias. Eine Reise, die ich schon immer machen wollte… Mein Ziel war es, endlich Lachse zu fangen, darunter unbedingt welche mit der Fliege.
Die Organisation unseres Trips übernahm Michael Schneider von Trembleur Fishing Adventures in British Columbia. Ein Gastgeber, der nur kleine Gruppen individuell betreut, aber eine große Auswahl an Gewässern, für die er eine Guide-Lizenz besitzt, zu bieten hat.
Und so stehen Tim und ich nun Mitte Juli auf einer schmalen Kiesbank im Middle River, dem Hauptzufluß des Trembleur Lake. Das Wasser schwappt uns in die Wathose. Gegen den enormen Wasserdruck waten wir Richtung Ufer, das undurchdringlich mit überfluteten Büschen bewachsen ist. Irgendwo dort befindet sich auch die Mündung eines Baches.
Ich lasse die graue Goldkopfnymphe direkt am Buschrand vorbeitreiben. Plötzlich ein Ruck in der Rute, und schon tanzt der Regenbogner an der Oberfläche. Zweiter Wurf: Wieder will sich zwei Pfund Sprungkraft mit mir messen. Jetzt hat auch Tim einen Fisch an der Angel, steht mit gebogener Rute da. Mindestens 15 Forellen haken wir ohne Fehlwurf – eine nach der anderen. Großartig.
Die ersten Rotlachse
Etwas weiter in einem vier Meter tiefen Pool: Meine Sink-Tip-Schnur zeigt noch ins Tiefe, während sich die Regenbognerin am Vorfach aus dem Wasser katapultiert. Tim geht es ebenso. Direkt vor meinen Füßen sehe ich einige Rotlachse, leider nur die Vorhut des großen Runs, der Anfang August hier sein müsste. Schade.
Nächster Tag: Unser Ziel ist der 45 Kilometer lange Trembleur Lake, der einen guten Bestand an Dolly Varden, Rainbows und Namaycush hat. Mit der Fliege, aber auch beim Schleppen mit Blinker und Wobbler fangen wir mehrere gute Fische. Wir teilen uns das riesige Gewässer lediglich mit Weißkopfadlern.
Die kleine, gemütliche Lodge auf einer mückenfreien (!) Halbinsel ist Ausgangspunkt eines Trips zum Moose Lake, der in Luftlinie etwa vier bis fünf Kilometer entfernt mitten im Wald liegt. Dorthin führt Michael Schneider auch seine Jagdgruppen, die Elch, Schwarzbär und Grizzly nachstellen.
Der Winter hat ganze Arbeit geleistet, reihenweise Baumriesen umgeworfen. Der Marsch entwickelt sich zu einem Hindernisparcours. Wichtiger Tip: Nach etwa einer Stunde am Elchschädel rechts abbiegen! Traumwandlerisch findet Michael den richtigen Pfad, und schließlich erreichen wir einen See in atemberaubender Umgebung.
Tim und ich waren wohl die ersten, die hier jemals eine Forelle mit der Fliege gefangen haben. Faszinierend wie die Fischwaid sind auch die Biber, die geschäftig bei der Arbeit sind, die Elchkuh mit Kalb, welche sich zirka 70 Meter entfernt nicht beim Äsen stören lässt, sowie der Grizzly, der sich zum Glück nur am anderen Ufer zeigt. Als wir abends vom Rückmarsch noch ziemlich erschöpft auf der Veranda sitzen, ist uns klar, dass allein dieser Tag voller tiefer Eindrücke die Reise wert war.
Über Stock und Stein
Doch was ist mit den Lachsen? Am Cranberry, einem Nebenfluss des Skeena-Systems, campieren wir eine Woche lang mit dem Wohnmobil. Die Abfahrt von der sich Highway nennenden Geröllpiste hätte ich glatt übersehen. Eigentlich fahren wir direkt in den Urwald, aber die elf Jahre Wildniserfahrung unseres Gastgebers zahlen sich aus.
Vier Kilometer Schrittempo, Äste und Bäume, die aus dem Weg geräumt werden müssen, überflutete Strecken – fast hätten wir vom Wagen aus fischen können. Nach mehr als zwei Stunden erreichen wir eine Lichtung direkt am Flussufer, und nur fünf Minuten flußab befindet sich der erste tiefe Pool: etwa 30 Meter breit und diagonal von der starken Strömung durchflossen. Gute 100 Meter weiter beginnt eine lange Rieselstrecke. Viel Platz für vier Angler.
In den Cranberry steigen im Laufe des Jahres nacheinander alle pazifischen Lachsarten und Steelheads auf, die jedoch mit unterschiedlichen Techniken befischt werden. Jetzt, Ende Juli, ist die Zeit der Königslachse, und schnell stellt sich heraus, dass Fische im Fluss sind. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte Michael uns sechs weitere Flüsse anbieten können. Spontaner Ortswechsel mit Lachsgarantie? Kein Problem.
Ein „Bus“ an der Angel
Gefischt werden darf mit Natur- und Kunstködern. Die effektivste Methode, mit der wir den Königslachsen nachstellen, ähnelt sehr dem Angeln mit dem Tiroler Hölzel. Tim hat die Technik schnell im Griff: Mit der von Michael gestellten drei Meter langen Rute und Multirolle wirft er über die Strömung hinweg zum gegenüberliegenden Ufer. Dort muß der Köder, eine Oktopus-Kombination, spielen. Tim spürte jeden Kiesel, über den das Blei hinweggleitet. Bleibt das Blei auch nur einen Augenblick stehen, kann das ein größerer Stein sein, oder etwas anderes hält den Köder fest. Anhieb! Tim hat den Eindruck, einen Bus gehakt zu haben. Die fest eingestellte Bremse gibt ohne Rucken beständig Schnur frei, die Rute biegt sich gewaltig und wird fast parallel zur Wasseroberfläche gezogen.
„Rute hoch! Gegenhalten!“ Während der King stromab stürmt, reines Adrenalin durch Tims Adern fließt, kommen die Tipps des Guides ruhig und überlegt. Nach etwa 50 Metern stoppt der Lachs. „Bremse etwas fester. Pumpen.“ Denkste, meint das Phantom am Ende der Schnur und schießt weiter stromab, bis es am Ende des flacher werdenden Pools das Wasser durchbricht.
„Erreicht er die Stromschnellen, ist er weg! Bremse zu! Pumpen!“ Michael weiß, wovon er spricht. Und es klappt! Fast eine halbe Stunde dauert es, bis die Widerstandskraft des Lachses gebrochen ist, Tim ihn an die Oberfläche bringen kann. Was für ein Fisch! 35 Pfund wird er haben. – Tim strahlt wie ein König. Ich bin sicher, daher haben die Kings ihren Namen.
„Lachse zu haken ist kein Problem, sie zu landen schon“, hatte Michael prophezeit. Und er hatte recht. Etwa 50 Prozent der Fische gehen während des Drills verloren. Dass der Haken ausschlitzt, ist selbst nach mehrmaligem, kräftigem Anhieb nicht immer zu vermeiden. Dazu kommen Monster, deren Flucht einfach nicht zu stoppen ist. Der Fang zahlreicher Königslachse zwischen 20 und 40 Pfund – auch mit der Fliege – tröstet uns über den Verlust einiger Traumfische hinweg.
Noch heute schließe ich von Zeit zu Zeit die Augen und träume von den phantastischen Tagen mit Tim in British Columbia. Und immer öfter drängt sich dabei der Gedanke auf, dass sich manche Träume vielleicht ein zweites Mal verwirklichen lassen…
INFO
Ausführliche Unterlagen über das beschriebene Angeln in British Columbia sind erhältlich bei TREMBLEUR FISHING ADVENTURES, Michael Schneider, 244 Laurel Crescent, Prince George, B.C., V2N 1K2, Canada. Tel. und Fax aus Deutschland: 001/250/5643062. Michael Schneider ist Deutscher und lebt seit zehn Jahren in British Columbia.
In Deutschland können Sie den Autoren dieses Berichtes, Dr. Wolfgang Stoltenberg, kontaktieren: Tel. 0234/238653, Fax 0234/9250410. Ein 14tägiger Aufenthalt, Vollpension, eine Woche auf Saibling, Regenbogen- und Seeforellen am See mit Boot und eine Woche auf Lachs oder Steelhead am Fluss mit Guide, Unterkunft in der Lodge und im Wohnmobil, kosten etwa 3.800 DM.
Beste Zeit für Königslachse: Mitte Juli bis Mitte August. Rotlachse: August. Silberlachse: Mitte August bis Mitte September. Steelheads: April und September.
(Stand 1999)
Foto: Verfasser