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Ausbaupläne an der Oder gefährden Lebensräume

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Die Oder ist einer der letzten großen, relativ naturnahen Flüsse Europas. Doch die Regierung der Republik Polen plant den Ausbau der Oder mit Mitteln von Weltbank, EU und der Entwicklungsbank des Europarates – und auch Deutschland hat sich in einem beidseitigen Abkommen eigentlich zum Ausbau verpflichtet.

Doch konkrete Umsetzungsplanungen und Zeitschienen auf deutscher Seite sind nicht öffentlich bekannt. Schon jetzt ist klar: Die Maßnahmen werden wertvolle Lebensräume vieler seltener und vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten auf polnischer und deutscher Seite des Flusses unwiederbringlich zerstören. Die Planungen verstoßen in mehrfacher Hinsicht gegen geltendes EU-Recht und gefährden neben der Umwelt auch die Landwirtschaft beidseitig der Oder. Zu diesem Urteil kommen Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Deutschlands größtem Forschungszentrum für Binnengewässer. In einem neuen IGB Policy Brief empfehlen die Forscher daher der Europäischen Kommission, der Bundesregierung und der Brandenburger Landesregierung dringend, weitere diplomatische und juristische Schritte gegen das polnische Ausbauvorhaben einzuleiten und auch die eigenen Ausbaupläne Deutschlands zu stoppen. Stattdessen sollten sich alle Politikebenen für den Erhalt der Oder als ökologisches Vorranggebiet einsetzen.

Letzter barrierefreie Fluss Europas

Auf rund 500 Kilometern (von nahe Wrocław bis Świnoujście) fließt die Oder ohne Barrieren bis ins Meer, umgeben von einer vielerorts intakten und artenreichen Überflutungsaue. Von der Neißemündung bei Ratzdorf bis zum Abzweig der Westoder nördlich von Schwedt liegt die Staatsgrenze in der Strommitte. Die Oder ist damit der letzte große Fluss in Deutschland, den Fische und andere Tiere noch barrierefrei durchwandern können. Diese Naturnähe besteht, weil die Oder seit mehr als 100 Jahren nur noch geringe Bedeutung für die Schifffahrt hat und daher vergleichsweise wenig in Ausbau und Unterhaltung investiert wurde. Bis heute sind der Fluss und seine angrenzenden Auen wichtige Lebensräume und Rückzugsgebiete für viele seltene und vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten, zahlreiche Areale sind als Schutzgebiete ausgewiesen (z.B. Natura 2000, Nationalpark, regionale Schutzgebiete). Doch die Regierung der Republik Polen plant einen Ausbau der Oder, vornehmlich finanziert aus Weltbank- und EU-Fördermitteln sowie der Entwicklungsbank des Europarates – und auch Deutschland hat sich in einem beidseitigen Abkommen eigentlich zum Ausbau verpflichtet. Während bereits Details zu den polnischen Plänen vorliegen, sind konkrete Umsetzungsplanungen und Zeitschienen auf deutscher Seite nicht öffentlich bekannt.

Verstoß gegen EU-Recht: Geplante Maßnahmen zerstören Lebensräume geschützter Arten

„Schon jetzt ist klar, dass die Ausbauziele nicht erreichbar sind, die Maßnahmen aber wertvolle Lebensräume auf beiden Seiten des Flusses unwiederbringlich zerstören werden. Die polnischen Pläne ignorieren den über Jahrzehnte aufgebauten gewässerökologischen und hydrologischen Wissensstand zum Oder-Einzugsgebiet“, kritisiert IGB-Forscher Dr. Christian Wolter, Co-Autor des IGB Policy Briefs. Nach Einschätzung der IGB-Experten verstoßen die Pläne in mehrfacher Hinsicht gegen die europäische Umweltgesetzgebung, insbesondere gegen die EG-Wasserrahmenrichtlinie, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und die EG-Vogelschutzrichtlinie. „Diese Verstöße sind auch bei den Maßnahmen auf deutscher Seite zu erwarten“, schätzt Christian Wolter die Lage ein. Lebensräume und Bestände von streng geschützten Arten wie Baltischem Stör, Atlantischem Lachs, Ostsee-Schnäpel und Goldsteinbeißer sind durch die Maßnahmen akut bedroht, ebenso zahlreiche seltene Großmuschel- und Insektenarten. Gleichzeitig wird auch die Zukunft der Landwirtschaft auf deutscher und polnischer Seite stark gefährdet, da die geplanten Baumaßnahmen den Grundwasserspiegel weiter absenken werden.

Ausbau steigert Hochwasser- und Dürregefahr

„Die vorgebrachten Argumente für den Ausbau, die Maßnahmen dienten dem Eisaufbruch, dem Hochwasserschutz und der wirtschaftlichen Entwicklung der Binnenschifffahrt, sind inhaltlich alle nicht belastbar. Kosten und Nutzen stehen in keinem Verhältnis, die Umweltschäden werden irreversibel sein. Ein überwiegendes öffentliches Interesse, das rechtliche Grundbedingung für eine Ausnahmeregelung zum Ausbau wäre, lässt sich nicht glaubhaft darstellen“, urteilt IGB-Forscher Dr. Jörn Geßner, ebenfalls Co-Autor des IGB Policy Briefs.

Maßnahmen haben gegenteiligen Effekt

Die geplante Konzentration des Hauptabflusses in einem engeren Flussbett erhöht das Risiko von Hochwasserschäden durch schnellere und steilere Hochwasserwellen sowie von Dürreperioden durch verstärkte Sohlerosion und sinkende Grundwasserspiegel in beiden Ländern. In der Gesamtbewertung empfehlen die Wissenschaftler stattdessen eine Bewahrung und Ausweitung von Auen-Retentionsflächen an der Oder, um Naturschutz und nachhaltige Nutzung von Fluss und Aue in Einklang zu bringen. Abschließend sprechen die IGB-Forscher die dringende Empfehlung an die Europäische Kommission, die Bundesregierung und die Brandenburger Landesregierung aus, diplomatische und juristische Schritte gegen das polnische Ausbauvorhaben einzuleiten, die eigenen deutschen Ausbaupläne zu stoppen und auf allen politischen Ebenen für den Erhalt der Oder als ökologisches Vorranggebiet einzutreten.

Den IGB Policy Brief können Sie kostenfrei herunterladen…

-pm-

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