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30 Prozent weniger Kormorane? Fast 100 Prozent weniger Äschen!

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Kormoran
Sie fressen nichzt nur „wertlose“ Weißfische. Vor allem auch bedrohte Fischarten stehen auf dem Speisezettel der Kormorane. Dieser halb verdaute Hecht hatte eine Länge von 60 Zentimetern. Foto: A. Rhein VHF

Der Verband Hessischer Fischer fordert die „Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz“ (HGON) und den Naturschutzbund Deutschland (NABU) in einer Pressemitteilung vom 1. Februar 2010 zur Redlichkeit auf.

08.02.2010

Beide Naturschutzverbände hatten in einer Presseerklärung vom 28. Januar ein Ende der „Kormoranverfolgung“ gefordert, weil es angeblich 30 Prozent weniger Kormorane in Hessen gebe. Dazu der Verband Hessischer Fischer (VHF): Mit Taschenspielertricks versuchen HGON und NABU die Öffentlichkeit zu täuschen: Sie machen aus der witterungsbedingten Ausnahmesituation im Januar 2010 einen Trend des Kormoranbestands im Winter. Auch die behauptete Verringerung des Brutbestands um fast die Hälfte stimmt nur, wenn ein großer Teil der Wirklichkeit ausgeblendet wird. Die hessischen Fischer, die unter wissenschaftlicher Anleitung nun bereits seit 15 Jahren regelmäßig selbst Kormoranzählungen durchführen, haben 2010 genau einen Tag vor den Vogelschutzorganisationen landesweit gezählt und kommen zu ganz anderen Bewertungen. Sie registrieren im Januar 2010 die nach dem Frost von Februar/März 2009 bereits zweite Welle verheerender Kormoraneinflüge an kleinen und mittleren Fließgewässern der Mittelgebirge innerhalb von 12 Monaten. Sie befürchten nicht nur, sie beobachten aktuell machtlos die Ausrottung der letzten hessischen Bestände der Äsche und den Niedergang anderer stark bedrohter Fischarten.

„Das kennen wir schon“ erklärt der Vizepräsident und Naturschutzreferent des Verbandes Hessischer Fischer, Rainer Hennings. „Da wird aus einer witterungsbedingten Ausnahmesituation gleich ein Trend gemacht -„verwaiste“ Schlafplätze, „weniger“ Wintergäste, und auch der behauptete „Rückgang“ der Brutpaare stimmt nur, wenn man einen großen Teil des Geschehens ausblendet: Die „Halbierung“ der Brutpaare hat nur an einer, allerdings der bisher größten Brutkolonie der Kolonien, die HGON, NABU und die Staatliche Vogelschutzwarte bisher eingestehen, stattgefunden. Dass dafür mittlerweile eine ganze Reihe neue Brutkolonien im Hinterland entstanden sind, wird schlicht ignoriert. Und man zählt bei den Vogelfreunden nur an den seit über zehn Jahren immer gleichen 62 Schlafplätzen – wir kennen mittlerweile 168″. Die sind natürlich nicht immer alle besetzt, erklärt der Fischereisachverständige weiter, werden aber fast alle bei den Zählungen des VHF kontrolliert.

Von den aus der landesweiten, synchronen Schlafplatzzählung des VHF am 16. Januar 2010 bisher zurückgelaufenen Meldebögen bezieht sich aber gut ein Viertel auf neue Schlafplätze. Das ist die überdeutliche Bestätigung eines Phänomens, das Fischer und andere Naturfreunde in Frostperioden immer beobachten: Die oft Hunderte Vögel umfassenden Schlafgesellschaften an den großen Stehgewässern in den Flussauen lösen sich auf, und die Tiere verteilen sich auf eine große Zahl kleiner und kleinster Schlafplätze, die sich wie Perlen an der Schnur an den noch eisfreien größeren und kleineren Mittelgebirgsbächen aufreihen. Dort werden die Tiere von den Vogelfreunden überhaupt nicht und von den Zählern aus der Fischerei nur unzureichend erfasst. „Da ist schon mal ein großer Schlafplatz „verwaist“, so wie der Schultheißweiher Offenbach, der im Herbst noch rund 300 Tiere hatte und Mitte Januar 2010 nicht besetzt war. Und nach dem großen Frost sind sie dann alle wieder da, die Häupter unserer Lieben“ sagt Rainer Hennings. Erst ein über mehrere Monate und Winter anhaltender Rückgang kann seriös als Beleg für eine Trendwende im Kormoranbestand gewertet werden.

Wer aufmerksam die seit Anfang der Neunziger Jahre anhaltende Diskussion verfolgt hat, wird feststellen, dass seit nunmehr 15 Jahren gebetsmühlenartig die Behauptung wiederholt wird, die Kormoranbestände gingen zurück oder seien sogar rückläufig. Wenn dann mit mehrjähriger Verzögerung endlich die wissenschaftlich belastbaren Veröffentlichungen der Ornithologen erscheinen, muss man dann staunend feststellen, dass erneut eine starke Zunahme eingetreten ist, so zuletzt um 21 Prozent beim Brutbestand in Hessen von 2004 auf 2005. Der Autor dieser wissenschaftlichen Studie bewertete dies so: „…der Bestand am Brutplatz Biedensand ging zurück, insgesamt konnte der Bestand in der Fläche leicht zunehmen“. Sind 21 Prozent im Lauf eines Jahres eine „leichte Zunahme“? Im Januar 2010 kommen nun nach dem Märzfrost 2009 zum zweiten Mal innerhalb von 12 Monaten aus ganz Hessen die Meldungen von verheerenden Einflügen großer Zahlen von Kormoranen in mittleren und kleinen Flüssen des Mittelgebirges. Dort erbeutet der Kormoran nicht nur „wertlose“ Weißfische, sondern eben hauptsächlich die dort vorkommenden Flussfischarten. Allen voran betroffen ist die Äsche, aber auch Barben und Nasen. Diese werden vom Kormoran nicht etwa bevorzugt, sie werden vielmehr Opfer ihrer Überwinterungsstrategie. Die Fische suchen im Winter tiefe, ruhig strömende Stellen auf, wo sie schwarmweise dicht und Energie sparend beisammen stehen. Dort sind sie dann eine leichte Beute für den häufig gruppenweise jagenden Kormoran. Aktuell ist an früheren Vorzeigegewässern, wie der oberen Eder, der oberen Lahn und der hessischen Sinn ein erneuter vollständiger Zusammenbruch der zwischenzeitig mehrfach neu aufgebauten Äschen- und Flussfischstände festzustellen. Besonders tragisch ist dies an der hessischen Sinn: Dort wurde ein in Naturschutzkreisen überregional beachtetes Projekt der Äschenvermehrung aus Elternfischen der lokalen Population über Jahre hinweg durchgeführt. Auslöser für das Projekt war der erste starke Kormoraneinfall 1996/1997 gewesen. Der Bestand konnte zweimal erfolgreich wieder aufgebaut werden, starke Kormoraneinflüge im Winter 2002/2003 und jetzt zweimal in den letzten 12 Monaten haben den Erfolg zunichte gemacht und die Äsche im Gewässersystem der Sinn auf hessischer wie bayrischer Seite nahezu vollständig ausgerottet. Die Äsche ist nach der bundesdeutschen Roten Liste „stark gefährdet“, in der längst überfälligen Neufassung der hessischen Roten Liste könnte sie nur mit „vom Aussterben bedroht“ geführt werden. Der Kormoran dagegen gehört längst nicht mehr zu den gefährdeten Vogelarten, stellt sogar die europäische Kommission eindeutig fest. Der Verband Hessischer Fischer fordert HGON und NABU auf, auf den Boden der Seriosität und wissenschaftlichen Redlichkeit zurückzukehren. Die beiden Verbände laufen sonst Gefahr, ihre Reputation und Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit, die zuletzt schon mit der umstrittenen und sachlich nicht gerechtfertigten Wahl des Kormorans zum Vogel des Jahres 2010 in ein schiefes Licht geraten waren, gänzlich zu verlieren. Verband Hessischer Fischer

 

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