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Wenn Fische fremd gehen

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Brassen
Ein Brassen mit Laich-Ausschlag: Beim Liebesspiel geht es meist drunter und drüber.
Liebesspiel
Das Liebespiel der Fische ist oft ein turbulentes Durcheinander. Dabei kann sogar die biologische Ordnung aus dem Gleichgewicht geraten – das Ergebnis sind dann Kreuzungen.

Aal, Hecht und Barsch erkennt jeder auf den ersten Blick. Manchmal landet aber auch ein Fisch im Kescher, der Merkmale verschiedener Arten zeigt. Es könnte sich dabei um die Folge einer „Fehlpaarung“ handeln.

By Dr. Manfred B. Klinkhardt

Wissenschaftler nennen Kreuzungsprodukte „Hybriden“, was sinngemäß übersetzt „von zweierlei Art“ bedeutet. In unseren Gewässern sind solche zufälligen Mischlinge, auch Bastarde genannt, insbesondere unter den Karpfenfischen (Weißfische, Cypriniden) zu finden. Von den ungefähr 70 europäischen Karpfenartigen – hinzu kommen noch diverse Unterarten – sind zahlreiche natürliche Kreuzungen bekannt oder experimentell herbeigeführt worden. Doch nicht nur sie zeigen diese auffällige Neigung zur Paarung mit nahen Verwandten. Auch Störe, Barsche und Salmoniden gehen nachgewiesenermaßen „fremd“.

Der biologische Ausgangspunkt für die Folgen eines solchen „Fehltritts“ ist zwangsläufig die Befruchtung. Das männliche Spermium dringt in die Eizelle ein und die Erbinformationen beider Eltern verschmelzen miteinander.

So sind beispielsweise im Elbegebiet um Dresden Bastarde zwischen Plötze (Rotauge) und Blei (Brachsen) recht häufig. Ihr Anteil am Gesamtbestand der Cypriniden beträgt dort nach wissenschaftlichen Untersuchungen immerhin 3,8 Prozent. Weiterhin wurden, wenn auch wesentlich seltener, Mischlinge aus Blei und Güster gefangen.

Gene spielen die erste Geige

Wenn man bedenkt, wie lange unsere Fische bereits existieren, müsste der Anteil der Hybriden eigentlich wesentlich größer sein. Doch es gibt natürliche Barrieren gegen die Vermischung der Arten. Bastarde besitzen nämlich nur eine verminderte Lebensfähigkeit und sterben meist in einem frühen Entwicklungsstadium. Außerdem kann ihre Fruchtbarkeit bis hin zu völliger Sterilität vermindert sein, so dass sie sich nicht weiter vermehren können. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel. Kreuzt man zum Beispiel Rot- und Hundslachs miteinander, sind auch die Nachkommen fruchtbar. Ebenso verhält es sich mit Hausen und Sterlet.

Die Ursachen für so unterschiedliche Ergebnisse von „Fehlpaarungen“ liegen im Erbgut selbst. Bei Befruchtungen zwischen verschiedenen Arten steuern Tausende Gene beider Eltern die weitere Entwicklung der Nachkommen. Und sie müssen zueinander „passen“, sich sinnvoll ergänzen. Dieses Zusammenspiel lässt sich recht gut mit dem eines großen Orchesters vergleichen: Ein harmonischer Klang entsteht durch das geordnete Miteinander aller Instrumente. Sollten sie aber nicht zueinander passen oder sich nicht an die von der Partitur vorgegebenen Spielregeln halten, wären Disharmonien die Folge. Für die Erbanlagen der Fische bedeutet das: Je enger die Eltern miteinander verwandt sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für das „geordnete Zusammenspiel“ ihrer genetischen Informationen und damit für eine erfolgreiche Vermehrung.

Im Verlaufe der Entwicklungsgeschichte haben sich eine ganze Reihe unterschiedlicher und teilweise recht komplizierter Mechanismen entwickelt, um diese Probleme zu umgehen. Gerade die Cypriniden sind diesbezüglich recht gut untersucht. Obwohl verschiedene Arten regelmäßig miteinander ablaichen, müssen die Nachkommen nicht gezwungenermaßen Hybriden sein. Wissenschaftliche Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass vor allem die mütterlichen Gene die weitere Entwicklung des neuen Individuums steuern.

Jungfernzeugung beim Giebel

Ein interessanter Sonderfall ist hier beim Giebel zu beobachten. Die Weibchen mischen sich beim Laichgeschäft häufig unter eng verwandte Arten und nutzen das frei ins Wasser ausgestoßene Sperma anderer Karpfenfische. Wenn dann die artfremden Spermazellen in das Giebel-Ei eindringen, kommt es zu keiner „echten“ Befruchtung. Sie geben lediglich den Anstoß zur Entwicklung, eine Art „Initialzündung“, denn ihre Erbinformationen werden anschließend vernichtet. So enthalten die Eier der Giebel letztlich nur weibliche Gene. Das erklärt auch, warum im Verbreitungsgebiet dieser Fischart die Bestände oft ausschließlich aus weiblichen Tieren bestehen.

Wie aber kann man überprüfen, ob es sich bei einem ungewöhnlichen Fang tatsächlich um einen Bastard handelt? Die Möglichkeiten für Angler sind leider begrenzt, da in der Regel nur äußere Merkmale begutachtet werden können. Wenn aber im äußeren Bau eines Fisches erkennbare Abweichungen vom arttypischen Bild auftreten und dafür Merkmale einer anderen Art feststellbar sind, besteht zumindest ein begründeter Verdacht. So wirken beispielsweise die erwähnten Mischlinge zwischen Plötze und Blei aus der Elbe wie Plötzen mit dunklen Flossen. Um letztlich einigermaßen sicher zu sein, sollten möglichst viele äußere Kennzeichen (Schuppenzahl auf der Seitenlinie, Anzahl der Flossenstrahlen und Kiemenreusendornen usw.) notiert und später mit Literaturangaben verglichen werden. Fotos können eine hilfreiche Ergänzung sein.

Foto: Verfasser

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