Eine aktuelle Studie zeigt: Angeln stört die Natur nicht mehr als andere Gewässernutzungen!
Am 1. Mai war an vielen Gewässern Anbadetag. Die Angelsaison ist bereits eröffnet. Und viele Stubenhocker zieht das Frühlingswetter zum Spaziergang an den nächstgelegenen See. Doch was für uns Menschen ein angenehmes Freizeitvergnügen ist, kann am Wasser lebende Tiere und Pflanzen stören. Trittschäden, verschreckte Vögel oder Vermüllung sind einige Beispiele. Anglerinnen und Angler werden dabei besonders häufig als Störenfriede wahrgenommen. Auf den ersten Blick kein Wunder, denn diese Nutzungsgruppe hält sich beim Angeln nahezu zu allen Tages- und Nachtzeiten am Gewässer auf. Auf den zweiten Blick sind andere Freizeitbeschäftigungen wie Baden oder Spazierengehen aber nicht weniger beeinträchtigend für die Natur. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die verschiedene Forschungsarbeiten zu dem Thema verglich. Die Ergebnisse wurden nun in der deutschsprachigen Fachzeitschrift „Korrespondenz Wasserwirtschaft“ veröffentlicht. Vorausgegangene Studien belegen zudem: Anglerische Gewässerpflege kann sich positiv für den Naturschutz auswirken.
Freizeit am Gewässer als Störung
Ist es aus Naturschutzsicht richtig, an einem Baggersee das Angeln zu verbieten während andere Freizeitnutzungsformen erlaubt bleiben? In der Praxis passiert es tatsächlich, dass Angelvereine als Nutzer oder Pächter von Gewässern ausgeschlossen werden oder das Angeln eingeschränkt wird. Denn es wird davon ausgegangen, dass Angelaktivitäten einen schädigenden Einfluss auf das Ökosystem haben. Eine wissenschaftliche Grundlage für diese Einschätzung fehlte bislang. Forscherinnen und Forscher vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) um die Doktorandin Malwina Schafft und Prof. Dr. Robert Arlinghaus konnten diese Wissenslücke nun schließen: „Die gewässerökologischen Auswirkungen des Uferangelns unterscheiden sich nicht pauschal von anderen Aktivitäten wie Spazierengehen oder Baden. Selektive Einschränkungen des Angelns als naturschutzfachliche Einzelmaßnahme lassen sich auf der Grundlage unserer Studien nur schwer begründen“, erläutert Studienleiter Prof. Dr. Robert Arlinghaus.
Angeln aus Sicht der Angelverbände
Drei Landesanglerverbände aus Bayern (LfV), Niedersachsen (AVN) und Sachsen (LVSA) haben die Studie unterstützt und begrüßen die Versachlichung der Debatte. Sie machen gleichsam auf die enormen Naturschutzleistungen von Anglerinnen und Anglern am Wasser aufmerksam. „Vom Fischartenschutz über die naturnahe Gestaltung von Gewässern bis hin zu Müllsammelaktionen leistet die Anglerschaft aktiven Arten- und Gewässerschutz“, betonen die Präsidenten Axel Bartelt (LFV), Werner Klasing (AVN) und Friedrich Richter (LVSA) einhellig. Das hätten frühere IGB-Arbeiten bereits belegt.
Studien unter der Lupe
Über 13.000 wissenschaftliche Artikel sichtete das Forschungsteam des IGB in Berlin, um herauszufinden, wie stark die ökologischen Störwirkungen des Angelns und weiterer Gewässernutzungen ausfallen und wie diese pauschal über verschiedene Gewässerbedingungen wirken. Davon eigneten sich 95 der Studien zum wissenschaftlichen Vergleich auf Grundlage harter Zahlen. Die Ergebnisse zeigen unter anderem: Vögel werden in der Forschung besonders häufig untersucht, da sie naturschutzfachlich von besonderem Interesse sind. Doch waren durch das Angeln keine pauschal negativen Auswirkungen auf Vogelpopulationen nachweisbar. Auch sind die Beeinträchtigungen durch Bootfahren und nichtangelnde Ufernutzungen auf Vögel und Vogelpopulationen stärker als die des Angelns. „Es kommt stark auf den lokalen Kontext am Gewässer an, ob Anglerinnen und Angler zum Vogelschreck werden oder nicht“, erläutert Erstautorin Malwina Schafft, die für ihre Arbeit mit dem Nachwuchspreis (3. Platz) der Limnologischen Fachgesellschaft DGL ausgezeichnet wurde.
Störung ist nicht gleich Störung
Die Forschenden sondierten verschiedene ökologische Ebenen von Störungen. So muss zum Beispiel laut Autorenteam unterschieden werden, ob einzelne Vögel durch Erholungssuchende am Gewässer erschreckt werden, ob die gesamte lokale Population einer Vogelart durch eine bestimmte menschliche Aktivität zurückgeht oder ob das Gewässer oder eine Art als Ganzes in Mitleidenschaft gezogen wird. Während es beim Angeln ohne Zweifel immer wieder zu Störungen einzelner Vogelindividuen kommen kann, ist für den Gesamtbestand an einem Gewässer oft kein statistisch belastbarer Effekt messbar. Die Artenvielfalt aller Vogelarten an einem Gewässer ist durch das Angeln also meist nicht beeinflusst.
Naturnähe hilft
„Wichtig ist die Erkenntnis: Je naturnäher ein Gewässer beschaffen ist, umso weniger stark fallen negative Auswirkungen menschlicher Anwesenheit aus, da zum Beispiel Versteckmöglichkeiten für Tiere gegeben sind“, konstatiert Malwina Schafft. Auch die Gesamtanzahl der Freizeitnutzungen spielt eine Rolle. Ob Angeln bedeutsame ökologische Beeinträchtigungen hervorbringen kann, ist laut Forscherteam also stark vom Zusammenspiel menschlicher Aktivitäten und der gesamten Gestaltung des Gewässers abhängig. Genau diese beeinflussen Anglerinnen und Angler laut Präsidenten der Landesangelverbände Niedersachsen, Sachsen und Bayern oftmals positiv: „Viele Angelvereine legen freiwillig Schutzzonen für bestimmte Gewässerbereiche fest, in denen Tiere sich ungestört zurückziehen, rasten oder ihren Nachwuchs aufziehen können. Damit machen Anglerinnen und Angler sich bei anderen Gewässergästen zwar nicht immer beliebt, agieren aber vorbildlich im Sinne des Naturschutzes.“ Eine frühere Studie vom IGB an Angelseen bestätigt, dass insbesondere ufergebundene Singvogelbestände an Baggerseen von durch Angelvereinen installierte Schutzzonen profitieren. Angeln und Naturschutz müssen also nicht im Widerspruch stehen.
Angelvereine als Naturschützer
Einem rastenden Vogel ist es im Grunde egal, ob er von einem Badegast oder einem Angler aufgeschreckt wird. „Einen stärkeren Einfluss als Menschen haben Hunde, wie wir in einer weiteren aktuellen Studie nachweisen konnten“, erläutert Malwina Schafft. „Lediglich das Angeln einzuschränken, und gleichzeitig andere Gewässernutzungen ungebremst fortzuführen, hat vor allem soziale Kosten, ohne der Natur zu helfen. Und man verliert die Angelvereine als aktive Naturschützer. Von solchen Maßnahmen ist daher abzuraten“, schlussfolgert Robert Arlinghaus.
Studie: Schafft, M., Wolter, C., Arlinghaus, R. 2024. Ökologische Auswirkung von Freizeitaktivitäten an Gewässern – eine globale Metaanalyse. Korrespondenz Wasserwirtschaft, 17, 4. https://www.ifishman.de/publikationen/einzelansicht/2501-oekologische-auswirkung-von-freizeitaktivitaeten-an-gewaessern-eine-globale-metaanalyse/
-Pressemitteilung Anglerverband Niedersachsen-