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Niedersachsen: Erlass zur Kormoranbejagung

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Kormorane dürfen jetzt zum Fischartenschutz in Niedersachsen bejagt werden. Bild: Florian Möllers

Mit einem Ende November veröffentlichten Runderlass hat die Landesregierung ein deutliches Statemant für den Schutz gefährdeter Fischarten abgegeben: Kormorane können auf Antrag an prioritären Gewässern, an Fischaufstiegsanlagen und Wanderhindernissen (Wehre, Staubauwerke, etc.) zukünftig auch in Schutzgebieten und während der Schonzeit bejagt werden.


Mehr als die Hälfte der heimischen Fischarten gefährdet

„Dieser Runderlass ist ein Meilenstein. Er kann erheblich dazu beitragen, dass bedrohte Fischbestände besser geschützt werden können“, so Werner Klasing, Präsident des Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN). Mehr als die Hälfte von Niedersachsens heimischen Fischarten sei gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Trotz jahrzehntelanger Gewässerschutzmaßnahmen litten viele Arten erheblich unter dem Fraßdruck einer stark gewachsenen Kormoranpopulation in Deutschland, Nord- und Osteuropa, so der Verbandspräsident. Ob Äsche, Lachs und Meerforelle, Quappe, Aal und Zander – vielerorts seien die Vorkommen massiv dezimiert worden und hätten sich seither nicht erholen können.

Kormoranvergrämung = wirksamer Fischartenschutz

Der AVN kämpft seit Jahren für Ausnahmegenehmigungen im Rahmen der niedersächsischen Kormoranverordnung, um Fischarten wie etwa die stark gefährdete Äsche (Rote Liste 2, Fisch des Jahres 2011) wirksam schützen zu können.

In der Neufassung der Verordnung wurde im vergangenen Jahr das Zeitfenster für den Abschuss von Kormoranen um sieben Wochen verkürzt – sehr zum Nachteil der stark bedrohten Äsche, für die Niedersachsen eine bundesweite Schutzverantwortung trägt. Außerdem gilt in der Verordnung weiterhin ein striktes Verbot der Vergrämung von Kormoranen in Schutzgebieten. Fast alle prioritären und höchst prioritären Äschengewässer in Niedersachsen mit ihren bedrohten Fischartengemeinschaften liegen aber in Schutzgebieten.

Seit Jahren steht der AVN deshalb im engen Dialog mit den Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft und hat die Arbeit an dem gemeinsamen Runderlass fachlich begleitet und angetrieben.

Antrag bei den Naturschutzbehörden

Angelvereine können jetzt dank des Erlasses zusammen mit den Jagdpächtern wesentlich leichter Ausnahmegenehmigungen von der Kormoranverordnung für die Vergrämung in Schutzgebieten erwirken, um auch dort Fische vor Kormoranfraß schützen zu können. Zuständig für die Genehmigung der Anträge sind die Unteren Naturschutzbehörden in den Landkreisen.

Mehr als 7.000 Kormorane im Winter

„Die Spätherbst- und Wintermonate sind die kritische Zeit für den Schutz unserer Fischbestände“, erläutert Dr. Matthias Emmrich, Verbandsbiologe beim AVN. Dann zögen viele Vögel insbesondere aus dem Nord- und Ostseeraum in ihre Winterquartiere. Mehr als 7.000 Kormorane verbrächten die Zeit zwischen Oktober und März an niedersächsischen Gewässern. Bei einem Nahrungsbedarf von 500 g Fisch pro Vogel und Tag würden allein im Winter mehrere 100 Tonnen Fisch aus Niedersachsens Gewässern gefressen und Fischbestände dadurch mitunter schwer geschädigt, so der Biologe. Während die Vergrämung und Bejagung von Kormoranen an großen Binnengewässern schwierig sei, könnte sie für die überwiegend gefährdeten oder stark gefährdeten Fischarten in kleinen bis mittleren Fließgewässern eine lebensrettende Entlastung bringen. Denn: „Wenn Stillgewässer zufrieren, konzentriert sich der Fraßdruck auf die Fließgewässer“, erläutert Emmrich. Insbesondere die stark gefährdete Äsche sei dann eine leichte Beute für die Fischjäger. Aktuelle Studien aus Bayern belegten eindrucksvoll eine geradezu explosionsartige Vermehrung von Äschen und anderen Fischarten, wenn Kormorane aktiv und fortwährend vergrämt worden seien.

Trendwende

„Der Runderlass kann eine echte Trendumkehr im Fischartenschutz einleiten“, freut sich auch AVN-Vizepräsident, Heinz Pyka. Als Jäger und Angler betrachtet er die Entwicklung der Kormoranbestände im Stadtgebiet Hannover seit Jahren mit großer Sorge: „Die Vögel lernen schnell, wo sich Fische etwa an Staustufen sammeln und jagen dort über Wochen mit großer Effizienz.“ Pyka appelliert an seine Jagdkollegen, die Angler in ganz Niedersachsen jetzt solidarisch bei der Vergrämung zu unterstützen. „Die Landesregierung hat die Weichen gestellt. Jetzt müssen Angler und Jäger mit den Naturschutzbehörden in Dialog treten, Anträge stellen und am Gewässer aktiv werden“, so der AVN-Vizepräsident.

Landkreis Harburg als Vorreiter

Die Hoffnung vieler Angelvereine richtet sich jetzt auf die Unteren Naturschutzbehörden, die in ihrer Zuständigkeit für die Schutzgebiete und den Schutz des Kormorans den Anträgen formal zustimmen müssen. Es sei denn, sie können die Ablehnung eines Antrages fachlich einwandfrei begründen. AVN-Vize Heinz Pyka schildert einen Fall aus dem Landkreis Harburg: Nach zwei Jahren intensiver Gespräche und Überzeugungsarbeit hatte die Naturschutzbehörde ein Einsehen und gewährte dem örtlichen Angelverein für die Seeve bereits eine Genehmigung zur Kormoranvergrämung in einem Schutzgebiet.

AVN-Präsident Klasing: „Wir hoffen sehr, dass die Anträge unserer Vereine jetzt erheblich schneller zu Ausnahmegenehmigungen führen. Es ist höchste Zeit, Fische endlich mit der gleichen Konsequenz zu schützen wie beispielsweise Wiesenvögel oder Amphibien.“ Der Verband stehe bereit, den Vereinen fachlich unter die Arme zu greifen, um die Anträge möglichst schnell auf den Weg zu bringen.

Faktencheck ÄSCHE

  • In Niedersachsen stark gefährdet: Rote Liste 2
  • Bestandstrend: negativ
  • hierzulande bis 60cm groß und 2,5kg schwer
  • Laichzeit: Anfang März bis Ende April
  • weitgehend unbekannt, aber eine echte „Unterwasserschönheit“
  • einst so häufig, dass eine ganze Fließgewässerregion nach ihr benannt wurde.
  • Zur „Äschenregion“ gehören Mittelgebirgsflüsse wie Rhume, Oker, Leine und Ilme im Süden Niedersachsens oder die Heidegewässer Seeve, Ilmenau, Böhme, Gerdau und Örtze.
  • viele „höchst prioritäre Gewässer“, strukturreich und ökologisch weitgehend intakt.
  • Einbruch der einstmals berühmten Äschenpopulationen um bis zu 95% korreliert mit der Zunahme der Kormoranpopulation in Deutschland und Nordeuropa.
  • Nahezu identische Situation in Äschengewässern in Bayern, Hessen, Thüringen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen.

Kormorane: nicht bedroht, trotzdem geschützt

  • Bestand in Europa: > 1,1 Millionen Vögel
  • Gefährdung: keine
  • Schutzstatus: unverändert seit 1979 (EU-Vogelschutzrichtlinie)
  • Winterbestand Niedersachsen: > 7.000 Kormorane
  • Nahrungsbedarf: 500g Fisch / Tag / Kormoran
  • Verhalten: jagt einzeln oder auch in Gruppen (bis > 1.000 Vögel)
    Tauchtiefe: >40m

Info: Kormoranverordnung

Die Kormoranverordnungen der Länder (KVO) regeln die Bejagung – „letale Vergrämung“ – des Kormorans im Einzugsbereich fischereilich bewirtschafteter Gewässern und Fischzuchtanlagen / Teichwirtschaften.

In Niedersachsen dürfen erwachsene Kormorane aktuell in einem Radius von 500 m um bewirtschaftete Gewässer im Zeitraum vom 21. August bis 28. Februar, subadulte Vögel (weiße/helle Brust), ganzjährig bejagt werden. Jagdberechtigte müssen Abschussberichte abliefern.

Die KVO in Niedersachsen galt bislang für jeweils fünf Jahre, lief am 31.12.2016 aus und wurde anschließend zunächst um drei Jahre verlängert mit der Auflage, die Wirksamkeit der darin festgeschriebenen Management-Maßnahmen zu prüfen.

Der AVN hat den Evaulierungsprozess aktiv begleitet und im Rahmen der Verbandsbeteiligung Kritk an der Verkürzung der Jagdzeiten geübt, der nicht stattgegeben wurde.
Die Neufassung der KVO trat am 01.01.2020 in Kraft.

-pm/AVN-

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