Er ist nur fünf Zentimeter lang, aber größer als alle seine Verwandten: Microichthys grandis, wörtlich „großer kleiner Fisch“.
Forschende des Naturkundemuseums Stuttgart in Deutschland und des Wageningen Marine Research in den Niederlanden entdeckten während einer Untersuchung vor der irischen Küste diese neue Fischart. Dieser Fund im Nordostatlantik ist für die Forschung sehr besonders und wurde nun in der Fachzeitschrift „Ichthyological Research“ veröffentlicht.
Sehr seltenes Ereignis
Der Forscher Bram Couperus von WMR ist überrascht von der spontanen Entdeckung: „Eine neue Fischart im Nordostatlantik zu entdecken, ist ein sehr seltenes Ereignis. In der Geschichte unseres Instituts, das in den 1950er Jahren gegründet wurde, hat es das noch nicht gegeben. Dieser Fisch wurde in einem Gebiet gefangen, in dem viel gefischt wird, vor allem von niederländischen Fischern. Man würde daher erwarten, dass die Art schon einmal gefangen wurde. Wenn das der Fall ist, ist sie zumindest bis zum letzten Jahr unbemerkt geblieben.“
Suche nach unbekanntem Fisch
Die neue Fischart wurde im vergangenen Jahr im Rahmen der Erhebung über den Blauen Wittling entdeckt. Diese Untersuchung wird jährlich durchgeführt, um die Bestände des Blauen Wittlings, einer Dorschart, zu bewerten und Fangempfehlungen auf europäischer Ebene festzulegen. Couperus: „Der Blaue Wittling lebt in der so genannten mesopelagischen oder Zwielichtzone. In dieser Tiefe findet man auffällige Arten, wie Laternenfische und Tiefsee-Anglerfische. Unter diesen befand sich plötzlich ein unbekannter Fisch.“
In Stuttgart untersucht
Für die Wageninger Forscher führte die Suche nach der Identität des Fisches über den Kontakt mit einem russischen Biologen hin zum Naturkundemuseum Stuttgart in Deutschland. Dort arbeitet der Fischexperte Ronald Fricke, der bereits Erfahrung mit dieser Fischgruppe hatte, den Tiefseekardinalfischen (Epigonidae). Fricke: „Tiefseekardinalfische der Gattung Microichthys sind von drei weiteren Arten bekannt, die im Mittelmeer und im Ostatlantik leben. Sie leben freischwimmend in tiefen Gewässern und nur wenige Exemplare sind der Wissenschaft bekannt. Die Entdeckung der neuen Art vor Irland ist für uns sehr aufregend, denn sie scheint näher mit einer Mittelmeerart aus Sizilien verwandt zu sein, als mit den anderen atlantischen Arten von den Azoren.“
Fricke stellt außerdem eine Theorie zur Zoogeographie der Art auf: „Derzeit gibt es zwei Artenpaare, eines im Atlantik, das andere im Mittelmeer. Während der Salinitätskrise im Mittelmeer vor etwa 6 Millionen Jahren war das Mittelmeer trocken und konnte nicht von Fischen besiedelt werden, so dass ein Artenpaar im Atlantik überlebte. Als sich die Straße von Gibraltar wieder öffnete, wanderten sie in das Mittelmeer ein, aber aufgrund des viel wärmeren Tiefseewassers im Mittelmeer passten sie sich an diese Bedingungen an und entwickelten sich zu zwei eigenen Arten.“
Neuer Fisch, neuer Name
Ein Grund dafür, dass der Fisch bisher nicht bemerkt wurde, ist, dass er nur 5,5 cm groß ist. Somit kann er leicht durch die Maschen eines Netzes schlüpfen oder beim Fangen übersehen werden. Die bisher bekannten Arten dieser Fischgruppe sind sogar noch kleiner als das gefangene Exemplar. Der lateinische Name dieser Gattung lautet daher Microichthys, was so viel wie ‚kleiner Fisch‘ bedeutet. Die neue Art erhält den Zusatz ‚grandis‘. Damit lautet ihr vollständiger Name Microichthys grandis, wörtlich ‚großer kleiner Fisch‘.
Lebensraum
Der ‚große kleine Fisch‘ wurde im Porcupine Bank Canyon gefangen, einer Unterwasserschlucht mit Kaltwasserkorallen entlang des westlichen Rands der Porcupine Bank. Die von den Forschenden angewandte Fangtechnik umfasste keine Bodenschleppnetze. Dies liegt daran, dass der Blaue Wittling eine so genannte „pelagische Art“ ist. Diese schwimmt in Schwärmen im offenen Wasser und nicht in der Nähe des Meeresbodens. Fischerboote, die in diesem Gebiet fischen, verwenden ebenfalls ein pelagisches Netz.
Es wird vermutet, dass die neu entdeckte Art von Natur aus sehr selten ist. Außerdem ist sie so klein, dass sie normalerweise durch die Maschen des Netzes hindurchgleitet, was die Fangchancen sehr gering macht.
Mit seinen Sammlungen von knapp 12 Millionen Objekten (Botanik, Zoologie, Paläontologie) sowie seiner wissenschaftlichen Expertise und seinen Forschungsleistungen zählt es zu den bedeutendsten naturkundlichen Forschungsmuseen Europas. Ein Kennzeichen des Museums ist die enge Verbindung von naturkundlicher Forschung und breit gefächerter Wissensvermittlung durch vielfältige Ausstellungs-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Es ist eines der besucherstärksten Museen des Landes Baden-Württemberg und strebt die Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft an.
-Pressemitteilung Museum für Naturkunde Stuttgart-