Zum ersten Mal bin ich auf diese Multirolle in einer Anzeige der Berliner Angelgeräte GmbH aus dem Dezember 1932 gestoßen.
Darin wird genau diese auseinandernehmbare Multirolle Nr. 590 mit Freilauf und Achatregulierung als deutsches Erzeugnis für 20 Reichsmark angeboten, das würde umgerechnet auf heute etwa 90 Euro entsprechen. Leider habe ich diese Anzeige nicht mehr als Scan.
Ich schaute in meinen Katalogen der Angelgeräte GmbH aus den 1930er Jahren nach und fand diese Rolle als „H 590“. Mit einem „H“ sind in diesen Katalogen die Bestellnummern aller Hildebrand-Produkte gekennzeichnet (DAM-Produkte mit „D“, Legrand mit „L“, „Hy“ für Hardy usw.). Die „H 590“ ist demnach die einfachere Variante der „H 555a“ mit Ophemert-Auslöser, bei der der Freilauf durch einen Daumendruck ausgelöst werden kann. Bei der „H 590“ muss dafür die Kurbel „ausgerückt“ werden. Durch Ziehen an der Kurbelachse werden die Zahnräder außer Kraft gesetzt, das funktioniert bei meiner Rolle immer noch einwandfrei.
Nach dem Studium der Berliner Kataloge wusste ich also, wo ich genauer suchen musste: bei Hildebrand-Wieland in München. Ich wurde in der November-Ausgabe 1936 von „Der deutsche Sportangler“ fündig. In einer Anzeige wird die noble mattschwarze „555a“ mit Bild angepriesen, man sieht deutlich den Fingerauslöser, aber auch die typische Kurbel mit nur einem Knauf und Kontergewicht. Der Text verrät aber auch, dass es eine mattgraue Ausführung aus Aluminium-Kokillenguss gegeben, die 6,50 Reichsmark preiswerter war.
Der inzwischen gelbe Griffknauf war ursprünglich weißlich und wurde damals aus Trolon gefertigt. Dieser Edelkunstharz aus Troisdorf imitiert Elfenbein, in den 1930er Jahren wurden daraus Messergriffe, Zigarettenspitzen, Knöpfe, Modeschmuck oder Billiardkugeln hergestellt. Das Material dunkelt mit den Jahren nach und wird dottergelb, erreicht manchmal sogar eine sehr dunkle Bernsteinfarbe.
Wurden damals Rollen von anderen Firmen vertrieben, etwa über die Angelgeräte GmbH, wurden sie offenbar oft nicht mit dem Firmenschriftzug gemarkt. Diese Gravur war sehr aufwändig und teuer, sie wurde anscheinend nur Hildebrand-Rollen zuteil, die direkt ab Werk verkauft wurden. Es war damals üblich, dass größere Angelgeschäfte Rollen anderer Hersteller als eigene Produkte ausgaben, wäre da nicht ein verräterisches “H” in der Bestellnummer… Flechsenberger etwa hat sogar DAM-Rollen andere Namen gegeben, um die Herkunft zu verschleiern. Darin liegt wohl der Grund, warum wir heute so viele ungemarkte Rollen nahmhafter Hersteller finden.
Wer weiß mehr über diese Rolle? Infos an thomas.kalweit@paulparey.de
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Trolitul, ein weiterer Kunststoff aus Troisdorf, der bei Angelgeräten Verwendung fand…