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Mit Licht auf Ährenfische

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See Trichonis
Griechenlands größer See: Eingebettet zwischen steilen Berghängen glänzt das Ostufer des Trichonis in der Sonne.
Jens Beucker
Jens Beucker hat ein Exemplar der Rotfederart Scardinius acaarnanicus erwischt, einen deutschen Namen für die Fischart gibt es leider nicht.
Rutilus hylikiensis
Anglerglück: Eine schöne Strecke von Rutilus hylikiensis, der größere Fisch rechts zählt zur Rotfederart Scardinus acaarnanicus.
Trichonis-Fliege
Diese Nymphe ist besonders fängig auf die Trichonis-Rotaugen der Art Rutilus hylikiensis. Das einfache Muster wird aus braunem Bodyglass und einer braunen Hechel gebunden.
Jens Beucker
Anfang der 1980er Jahr schrieb Jens Beucker das Buch „Angeln in Baggerseen“.

Durch Überfischung gerät der Fischbestand in Griechenlands größtem See aus dem Gleichgewicht.

19.03.2010

Jens Beucker aus Köln, Autor des 1984 erschienenen FISCH & FANG-Ratgebers „Angeln in Baggerseen“, schwingt auch im Urlaub die Angelrute. Folgenden Erfahrungsbericht über den See Trichonis schickte er an die Redaktion: „Seit über 40 Jahren besuche ich mit meiner Frau, einer gebürtigen Griechin, fast jährlich ihren Heimatort Kapsorachi, der unmittelbar am westgriechischen See Trichonis liegt. Ich selbst bin beruflich in der Fischwirtschaft und in einem Schauaquarium tätig gewesen, gehe jetzt im Ruhestand häufiger dem sportlichen Fischfang nach und bin daher über die Fische des Sees genügend informiert.

In Griechenland gibt es im Süßwasserbereich zwei ichthyologische Faunengebiete, das nordöstliche (Makedonien, Thrakien, Thessalien) welches der pontisch- kaspischen Region ähnelt, es weist uns bekannte Fische aus dem Donauraum auf, und das südwestliche, welches eine fast gänzlich eigene Fischfauna besitzt. Zu dem zuletzt genannten Gebiet zählen Epirus, Aitoloakarnania und die Peloponnes. Hier liegt auch der See Trichonis, der der größte See Griechenlands ist.

Wenn wir uns den Fischbestand einmal vor Augen führen, werden wie feststellen, dass zumindest fünf Fischarten nur im Fliesssystem des Acheloos, dem auch unser See angehört, beheimatet sind. Es handelt sich um den Aristoteleswels Silurus aristotelis, der nur bis 60 Zentimeter lang wird, der bis zu 50 Zentimeter großen Rotfederart Scardinius acarnanicus, der Steinbeißerart Cobitis trichonica, der vielleicht kleinsten Grundelart Europas Economidichthys trichonis und der zur Zeit wirtschaftlich wichtigen, im Süsswasser lebenden Form des Ährenfisches Atherina boyeri.

Weitere Fischarten sind die Barbe Barbus albanicus, die 2 Kilo erreicht, der Döbel Leuciscus cephalus albus, die gleichfalls wichtige, einem Aland ähnelnde südländische Plötze Rutilus ylikiensis und die einem Moderlieschen ähnelnde Art Tropidophoxinellus hellenicus. Diese Fischarten sind im übrigen südwestlichen Gebiet verbreitet. Eingeführte Fischarten sind Giebel, Karpfen und Schleien. Aale sind vorhanden, ihr Bestand ist aber sehr stark zurückgegangen. Früher gab es sogar einen gewissen Bestand der Forellenart Salmo trutta dentex,die aber heute im See als ausgestorben gilt. Auch die Meeräsche Mugil cephalus hat den See vor langer Zeit aufgesucht, Bewässerungsanlagen haben aber weitere Aufstiege verhindert. Ältere ansässige Fischer erzählen sogar von Maifischen (Alosa) und gelegentlichen Wolfsbarschen, das sei aber schon sehr lange her.

Der See wird teils von steilen Berghängen, teils von breiten Schilfgürteln umgeben,ist etwa 55 Quadratkilometer groß und etwa 60 Meter tief, die Steilufer setzen sich zum Teil unter Wasser fort. Infolge der sehr warmen Sommertemperaturen ziehen sich Scardinius acarnanicus, Barbus albanicus, Rutilus hylikiensis und auch die Aristoteleswelse teilweise von Juli bis September in tiefere Wasserschichten (circa 20 Meter) zurück. Von den rund um den See ansässigen Fischern wird seit jeher eine nicht bestandsgefährdende Fischerei mit Stellnetzen und Legangeln betrieben, sie beliefern mit ihrem Fang die umliegenden Ortschaften. Hauptfische sind in der Regel Rutilus hylikiensis, Scardinius acarnanicus, Barbus albanicus, Giebel (Carassius auratus) und Silurus aristotelis. Mit Legangeln wird den Aalen und dem Aristoteleswels nachgestellt. Karpfen und Schleien werden seltener gefangen. Vor mehreren Jahren etwa kam noch ein weiterer Fischereizweig hinzu, der intensive Fang von Ährenfischen mit feinmaschigen Zugnetzen und mit Lichtanlockung. Die Sportfischerei vom Ufer aus ist fast nur von Oktober bis Mai erfolgreich, wenn die Fische infolge kühlerer Wassertemperatur sich in Ufernähe aufhalten. Während Stellnetz-, Legangel- und Hobbyfischerei wohl keinen nennenswerten Einfluss auf den Fischbestand haben, wird der Fischbestand von der von einigen Fischern intensiv betriebenen Zugnetz- und Lichtfischerei auf Ährenfische in jüngster Zeit doch erheblich beeinträchtigt. Die Nachfrage durch die Gastronomie – sogar Athen wird beliefert, wächst ständig.

Da diese Fische kaum größer werden als 10 Zentimeter und sich als Vorspeise, Beilage oder „meses“ zum abendlichen Ouzo hervorragend eignen, werden die Fische systematisch gefischt. Mittlerweise sind die Bestände dramatisch zurückgegangen und das hatte Folgen auch für die anderen Fischarten, nicht zuletzt deshalb, weil mit den feinmaschigen Zugnetzen auch zahlreiche Jungfische anderer Arten mitgefangen werden. Hinzu kommt, dass Ährenfische für größere Exemplare der Art Scardinius acarnanicus die Hauptnahrung darstellen und für Barbe und Aristoteleswels zumindest eine willkommene Gelegenheitsnahrung sind. Für Berufs- und Freizeitfischer ist der Rückgang des Fischbestandes deutlich spürbar. Manche der nicht mit Zugnetzen und Licht arbeitenden Fischer fühlen sich schon in ihrer Existenz bedroht. Eine durchaus realistische Angst, wenn der Überfischung mit Licht und Zugnetz nicht sofort Einhalt geboten wird. Da der See selbst über weite Schilfzonen und breite Unterwasserpflanzengürtel (Laichkraut, Tausendblatt, Vallisnerien) verfügt und das Wasser kalkhaltig ist (pH 8), besteht ein großes Nahrungsangebot für einen reichhaltigen Fischbestand. Eine vernünftige, nachhaltige Fischerei würde also eine Zukunft besitzen, wenn die Zugnetzfischerei mit Licht nur regulierend ausgeübt würde. Die von einigen Fischern ausgeübte engmaschige Stellnetzfischerei auf Ährenfische, vornehmlich in Ufernähe, wobei nur geringe Mengen zur eigenen Verwendung gefangen werden, dürfte kaum Auswirkung auf den Fischbestand haben. Der See Trichonis liegt in Nähe der Städte Agrinion und Thermos und bettet sich harmonisch zwischen steilen Berghängen ein. Viele kleine Ortschaften umgeben seine Ufer, mancherorts sind Gastlokale in unmittelbarer Seenähe entstanden, sicher eine Bereicherung für manche Touristen. Vogelkundler können vor allem im Schilfbereich Zwergtaucher, Silberreiher und auch gelegentlich Kormorane beobachten, deren Zahl aber so gering ist, dass sie der Fischerei keinen Schaden zufügen. Auch Würfelnattern und kaspische Bachschildkröten werden hier gesehen. Sogar der Fischotter taucht mitunter auf. Wie wohl aus bisher gesagtem ersichtlich wird, handelt es sich beim See Trichonis um eine ökologische Kostbarkeit, allein schon wegen der nur im Acheloosgebiet beheimateten Fischarten. Eine sinnvolle nachhaltige, auch regulierende Fischerei und sanfter Tourismus werden uns dieses Naturdenkmal hoffentlich noch viele Jahre bewahren.“

Jens Beucker

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