Auch in der Ostsee tummeln sich dicht am Ufer reichlich Kleinfische. Das lockt Meerforellen an, weiß Fredrik Harbort und stellt ihnen mit der Fliegenrute nach.
Von BIRGER DOMEYER
Tausend Würfe soll es angeblich dauern, um eine Meerforelle ans Band zu bekommen. Dabei ist zu beachten, dass diese Statistik eher für die Spinnrute gilt, bei der Würfe um 80 Meter möglich sind. Jetzt frage ich mich natürlich, wie wohl die Quote beim Fliegenfischen ist? Meine Wurfkünste reichen vielleicht für durchschnittliche 20 Meter, also lediglich ein Viertel der Weite des Spinnfischers. Muss ich also dementsprechend vier mal so lange angeln, sprich 4.000 Würfe machen, um einen Biss zu bekommen? Gruselige Vorstellung, die mein Kumpel Freddy aber gleich wieder wegwischt. Schließlich war es seine Idee, an der Küste mit der Fliege zu fischen, und er scheint zuversichtlich. „Ich kenne Plätze, an denen die Meerforellen ganz dicht ans Ufer herankommen, da fangen wir garantiert ein paar Fische“. Gleich mehrere? Na, ich bin gespannt. Zwar habe ich schon Meerforellen mit der Spinnrute und Bachforellen mit der Fliegenrute gefangen, aber an die Küste hat sich meine Fliege bisher nicht verirrt.
Buhnen nach Meerforellen absuchen
Am Wasser angekommen, bin ich zunächst über den Spot erstaunt, den Freddy vorschlägt. Buhnen kenne ich eigentlich nur von der Flussangelei, aber auch an der Küste gibt es diese künstlich aufgeschütteten Steinwälle. „Die Buhnen schaffen Struktur, hier sammelt sich Futter wie Stichlinge, Tobiasfische und Seeringelwürmer. Zudem entstehen interessante Strömungen in Ufernähe. Das ist unsere Chance als Fliegenfischer. Wir müssen gar nicht weit werfen, um die hier raubenden Forellen zu erreichen“, erklärt mir Freddy. Seine Taktik ist einfach: Er stellt sich mittig auf die Buhne, macht ein paar Würfe in jede Richtung und wechselt danach die Seite, um den anderen Buhnenkessel zu befischen. „Zwar ziehen die Meerforellen viel umher, es hat sich in der Vergangenheit aber als erfolgreicher herausgestellt, wenn sich der Angler viel bewegt. An einem Platz zu stehen und zu warten, bis die Fische kommen, ist nicht so produktiv“, sagt Freddy und läuft mit wedelnder Schnur auf die andere Seite der Buhne.
Da wir zu zweit sind, nimmt sich zunächst jeder eine Seite der Buhne vor, nach zehn bis 15 Minuten wechseln wir. Freddy fischt eine so genannte Wurmfliege. Ein längliches, schwarz-blaues Gebilde mit zwei Haken, das einen Seeringelwurm recht gut imitiert. Ich habe einen Polar-Magnus-Streamer montiert. Der sieht mit seinem grauen Körper aus wie ein Stichling, der sich die Haare pink frisiert hat. Am Kopf sind nämlich einige pinkfarbene Hecheln eingebunden, die angeblich eine magische Anziehung auf Forellen haben sollen.
Wind wirkt
Die ersten zwei Bisse erhält Freddy auf seine Wurmfliege. Leider hängt keiner der beiden Fische. Schade eigentlich, denn der Schwall der zweiten Forelle quirlt noch eine ganze Weile an der Oberfläche nach. „Die dürfte an die 70 Zentimeter lang gewesen sein“, schätzt Freddy, der den Fisch beim Biss gesehen hat. Leider setzt heute schon am frühen Morgen Kaiserwetter ein. Wo gestern noch sieben Windstärken die Ostsee schaumig schlugen, ist heute absoluter Ententeich mit strahlendem Sonnenschein. „Jetzt kann man zwar gut werfen, diese Bedingungen sind aber für das Fliegenfischen an der Küste sehr ungünstig. Die Forellen schwimmen zu weit draußen, da kommen wir nie ran“, gibt Freddy zu verstehen. Wir machen also eine längere Mittagspause und warten auf etwas Wind. Gegen 17 Uhr frischt dieser zum Glück auf und kräuselt leicht die Oberfläche. Sofort stellen wir uns an die Buhne und werfen die Fliegen in die Ostsee. Bereits beim dritten Wurf bekomme ich tatsächlich einen rabiaten Biss auf den Streamer.
Der Fisch versucht, sich mit drei Sprüngen vom Haken zu befreien, bevor Freddy zur Kamera greifen kann. Das gelingt ihm auch teilweise, denn jetzt hängt er nicht mehr im Maul, sondern seitlich am Rücken. Dadurch zieht sich der Drill etwas, ist schon erstaunlich, wie viel Druck eine quer hängende, gerade einmal 50 Zentimeter lange Forelle aufbauen kann. Die Landung ist trotzdem erfolgreich und unser Mittagessen für morgen gesichert. Im Laufe des Abends verzeichne ich noch zwei Fehlbisse, Freddy bekommt sogar sechs Kontakte, hakt aber keinen der Fische. Künstlerpech würde ich sagen.
Am nächsten Tag herrscht bereits morgens erneut totale Flaute. Kein Wind, keine Regung. Zwar wedeln wir fleißig bis mittags mit den Fliegenruten, können aber bis auf einen Fehlbiss keine Meerforelle überzeugen. Also entschließen wir uns wieder zu einer längeren Mittagspause.
Die Abenddämmerung verspricht jedoch Besserung, der Wind weht schwach, aber beständig. „Stell die Kamera auf, hier fange ich jetzt eine“, verspricht mir Freddy. Na klar, wenn‘s weiter nichts ist. Ich mache also ganz gemütlich die Ausrüstung fertig, da drillt Freddy schon den ersten Fisch. Das ging aber schnell. Nachdem die kleine Forelle schonend abgehakt ist, lasse ich die Kamera laufen, vielleicht kann ich ja einen Live-Biss einfangen. Die nächste Forelle lässt nicht lange auf sich warten, diesmal läuft die Kamera, super. Freddy hat jetzt einen Lauf, bekommt Bisse und fängt bis in die Dunkelheit hinein vier Meerforellen. Auch er hat heute Abend auf den Polar-Magnus-Streamer umgestellt. Ob es daran liegt? Ich komme fast gar nicht zum Fischen, habe ständig die Kamera in der Hand, aber das ist mir auch recht. Im letzten Licht überrede ich Freddy zu einer Abmoderation, die er brav, aber ungeduldig durchsteht. Ich verstaue gerade die Kamera, da ist seine Rute schon wieder krumm. Mit einem schwarzen Streamer kann er noch eine allerletzte Meerforelle fangen, ein toller Abschluss für diesen Tag.