Die getigerten Räuber treiben jetzt wieder ihr Unwesen vor der Nordseeküste. Selbst an der Ostsee ist man nicht mehr vor ihnen sicher!
Von CHRISTIAN HOCH
Vier Uhr morgens in Kiel. Unsanft reißt mich der Wecker aus dem Schlaf. Während ich mich am liebsten noch einmal umdrehen würde, höre ich, dass mein Gastgeber Horst Hennings bereits in der Küche wirbelt. Nützt nix, raus aus den Federn, denn wir wollen pünktlich in Büsum sein. Gute zwei Stunden später erreichen wir den Hafen des beliebten Nordseebads. Obwohl wir August, also Urlaubshochsaison haben, wirkt Büsum um diese Uhrzeit wie ausgestorben – bis auf die Angler, die zum Makrelenangeln in See stechen wollen. Horst und ich gehen an Bord der „Kehrheim II“, die mittlerweile nach Rügen verlegt wurde (siehe Infokasten). Gleich zu Beginn dämpft Kapitän Gerrit Vöge unsere Erwartungen: „Der Sturm der vergangenen Woche hat die Schwärme auseinander gesprengt. Außerdem neigt sich die Saison langsam dem Ende entgegen.“ Mit Stückzahlen von unglaublichen 200 oder 300 Fischen pro Angler, wie im Juni und Juli mitunter der Fall, wird heute also nicht zu rechnen sein. Dennoch gibt sich der alte Hase Horst gewohnt optimistisch, als er mit einem Lächeln sagt: „Gerrit, Du wirst wohl den einen oder anderen Schwarm für uns finden.“
Der Kutter nimmt Kurs Richtung Helgoland. Hier herrschen immer starke Strömungen, die für Nahrung und Futterfisch sorgen. Da sind die Makrelen natürlich auch nicht weit. Die knapp dreistündige Überfahrt verkürzt uns eine Anglertruppe aus dem Frankenland, die für mehrere Tage die „Kehrheim II“ gebucht hat und den ganzen Kutter unterhält. Heißt im Klartext: Lachen, bis der Arzt kommt! Genau das ist es, was viele an dieser Angelei so schätzen. Das Fische fangen ist das eine, aber die Gemeinschaft an Bord, die spezielle Atmosphäre unter Gleichgesinnten – all dies lässt jedes Jahr zahlreiche Petrijünger in den Norden pilgern.
Gegen halb zehn drosselt der Käpt‘n die Geschwindigkeit. Jetzt kann‘s nicht mehr lange dauern, und alle finden sich an der Reling ein. Für sie beginnt jetzt hoffentlich gleich der Spaß, für einen jedoch ist es harte Arbeit. Denn Gerrit Vöge muss seinen Kutter so in Wind und Strömung stellen, dass er nach dem Stopp möglichst über die lokalisierten Makrelen hinweg driftet.
Die Suche beginnt
Allerdings erweist sich das Finden heute als nicht so einfach. Denn durch die versprengten Schwärme sind auch die Möwen, die sonst in Scharen jagende Makrelen verraten, nur vereinzelt, meist gar nicht auszumachen. Da hilft nur die jahrelange Erfahrung des Kapitäns. Gerrit kennt das Revier vor Helgoland wie seine Westentasche. Auch wenn die Zielfische keine Schwimmblase besitzen, somit Dauerschwimmer sind und nie lange an einem Ort verharren, so haben sie doch bestimmte Bereiche, die sie immer wieder gerne aufsuchen. Diese muss man nun systematisch abgrasen, denn auch die Tiefen, in denen die Räuber jagen, können sich von Tag zu Tag verändern. Lange dauert es nicht, da kommen die ersten Makrelen an Bord. Zwar meist Einzelfische, aber ein Zeichen dafür, dass der Kapitän den richtigen Riecher hat. Beim nächsten Stopp scheint Gerrit einen größeren Schwarm ausgemacht zu haben, denn nun sind es häufiger schon zwei oder gar drei Fische, die die Angler gleichzeitig ans Paternoster gelockt haben – allesamt kugelrund gefressen.
Kräftiges Gerät ist Trumpf
Nachdem Horst ein weiteres Trio an Bord geholt hat, betont er: „Es gibt immer noch Angler, die mit viel zu langen und zu weichen Ruten auf Makrelen fischen. Die Rute sollte jedoch maximal 2,40 Meter lang sein und ein Wurfgewicht von etwa 300 Gramm haben. Damit kann man genug Druck ausüben, um die Fische sicher zu landen. Sonst besteht die Gefahr, dass sie sich mit den Schnüren des Nachbarn verheddern.“ Auch in Sachen Rolle sollte man keine Kompromisse eingehen. Große, robuste Stationärmodelle mit hoher Übersetzung sind erste Wahl. Bespult werden sie mit 0,40er bis 0,50er Monofil. Geflochtene Schnüre haben bei dieser Angelei den Nachteil, dass sich viele Fische abschütteln. Die Monofile puffert hingegen Dank ihrer Dehnung die wilden Fluchten der Makrelen viel besser ab. Hinzu kommt, dass man eine dicke Monofile bei Verhedderungen meist immer noch irgendwie entwirrt bekommt.
Karl-Heinz aus der Frankentruppe hat genau in den Schwarm getroffen, wie dieses Makrelen-Quintett (eine liegt am Boden) beweist.
Auch bei den Paternostern sollte man drauf achten, dass sie am besten aus 0,50er Monofil gebunden sind. Ausführungen, die für Heringe gedacht sind, können beim Makrelenangeln zum Schnurbruch führen, wenn alle Haken besetzt sind. Was den „Schmuck“ angeht, gibt‘s kein Patentrezept. Oftmals ist weniger mehr. Orientieren Sie sich ruhig an den anderen Anglern. Wenn Ihr Nachbar mit roten Fransen einen Fisch nach dem anderen fängt, probieren Sie es doch auch mal mit ähnlich gefärbten Anhängseln. Entscheidender für den Fangerfolg ist meist jedoch, wie und in welchen Tiefen man das Paternoster führt. Auch hier gilt es, die Augen offen zu halten und herauszufinden, ob die Makrelen eher auf dezente oder ruckartige Rutenbewegungen stehen, und ob sie grundnah oder im Oberflächenbereich rauben. Je weiter der Tag voranschreitet, desto besser fangen heute die Angler an Bord der „Kehrheim II“. Am Ende sind mehrere Vierfach-, ja selbst Fünffachfänge dabei. Horst ist voll in seinem Element und sagt – wieder mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht: „Na, Christian, da hat sich das frühe Aufstehen doch gelohnt, oder?!“
Die Hot Spots in der Ostsee
Im Juli und August werden auch in der Ostsee Makrelen gefangen. Hier die Top-Stellen von Ost nach West:
1. Kleiner Belt: Klaus Hansen von Gl. Ålbo Camping (www.gl-aalbo.dk) sagt: „Die meisten fangen sie als Abwechslung beim Dorschangeln. Doch es lohnt sich, gezielt zum Makrelenangeln an den Kleinen Belt zu kommen.“
2. Flensburger Förde: Meist fängt man hier vom Boot aus, z.B. vor Habernis. Dirk Sennholz (www.dsangelsport.de) gibt jedoch zu bedenken, dass die Makrele ein Nordseefisch ist und nicht jedes Jahr in größeren Schwärmen anzutreffen ist. Uferanglern an der Förde sei der dänische Hafen von Egernsund empfohlen. „Die meisten fischen dort mit Blinkern oder Fetzen“, so Eisele-Teamangler Hauke Loof.
3. Kieler Förde: Der Kieler Meeres-Spezi Andre Roßat erlebte im Sommer 2011 wahre Sternstunden beim Makrelenangeln. „Teilweise konnten wir pro Angler vom Boot aus im Eingangsbereich der Kieler Förde mehr als 100 Stück fangen.“ Auch vom Ufer aus lohnt ein Versuch. Das bestätigt Peter Gorski von Zoo und Angel Knutzen (www.knutzen-kiel.de). Er empfiehlt den Tiessenkai am Nord-Ostsee-Kanal sowie die Hörn bzw. den Stadthafen.
4. Fehmarn: Rund um die beliebte Ostsee-Insel werden immer wieder Makrelen überlistet. „Im letzten Jahr waren richtig große Exemplare bis über ein Kilo dabei. Gefangen wurde vor allem in der Hohwachter Bucht sowie vor Staberhuk und Westermakelsdorf“, so Hans-Werner Harms von Baltic Kölln in Burgstaaken (www.baltickoelln.de).
5. Auch im Bereich vor Warnemünde, dürfen sich die Meeresfans im Sommer immer wieder an Makrelen erfreuen. Mit Glück werden sie sogar von der Mole aus ans Paternoster gelockt. Infos unter www.rods-world.de.
(Stand Juli 2012)