Das Laichgeschäft der Karpfen ist immer wieder ein Spektakel. Mehr als eine Million Eier kann ein einziger Rogner dabei ausstoßen. Dennoch sind die Überlebenschancen des Nachwuchses extrem gering. Bernd Stemmer beobachtete das wilde Treiben in einem spanischen See.
By Bernd Stemmer
Das sanfte Licht der spanischen Frühlingssonne zaubert ein sattes Blau auf den See. Golden schimmernde Fischrücken durchbrechen die spiegelglatte Oberfläche. Es sind Karpfen. Langsam ziehen sie durchs Wasser. Treffen einige zusammen, beginnt ein hektisches Treiben. Das Wasser spritzt unter heftigen Schwanzschlägen auf. Die Fischleiber reiben sich aneinander. Köpfe, Rücken, Flossen tauchen für Sekunden aus dem schäumenden Wasser auf und verschwinden augenblicklich wieder im Gebrodel. Es ist Karpfenhochzeit.
Natürlich bleibt dieses auffällige Spektakel auch anderen interessierten Augen nicht verborgen. Der vermeintlich leichten Beute nicht widerstehend, stößt ein Graureiher zu. Obwohl es ihm ungeheure Anstrengungen bereitet, seine Beute überhaupt anzuheben, will er es einfach nicht wahrhaben, daß er sich hier wohl zuviel vorgenommen hat. Der Schlund will sich einfach nicht weiter öffnen lassen, um diesen herrlichen Brocken zu verschlucken. Ob gefressen oder nicht – für den Karpfen ist das Schicksal besiegelt.
Wildkarpfen sind äußerst selten
Es sind überwiegend Schuppenkarpfen also Zuchtformen die sich hier im flachen Wasser tummeln. Sie unterscheiden sich von ihren extrem selten gewordenen wilden Verwandten in mehreren Punkten: Der Wildkarpfen hat eine schlanke langgestreckte Körperform. Sein Kopf geht im Nackenbereich fast gerade in den Rücken über. Der hochrückige Schuppenkarpfen hingegen hat an dieser Stelle einen ausgeprägten Knick nach oben. Die Schwanzflosse des Wildkarpfens wiederum ist im Verhältnis zum Körper deutlich größer als beim Schuppenkarpfen.
Auch an den inneren Organen sind Unterschiede zu erkennen. So ist die hintere Kammer der Schwimmblase beim Schuppenkarpfen kleiner und der Darm länger als beim Wildkarpfen. In freier Natur vermischen sich Wild- und Zuchtformen sofern sie überhaupt nebeneinander vorkommen in der Regel nicht. Die Tiere laichen nämlich bei unterschiedlichen Wassertemperaturen.
Während Wildkarpfen um 18 Grad Celsius ihr Liebesspiel aufführen kommen die „Schuppis“ erst bei 22 Grad Celsius richtig in Fahrt.
Die erfolgreiche Vermehrung der Karpfen ist in unseren Breiten allerdings meist ein Lotteriespiel. Für das Ablaichen müssen im Frühjahr überflutete flache Areale mit reichem Pflanzenwuchs vorhanden sein und das Wasser entsprechende Temperaturen haben. Erst dann kann ein Weibchen von fünf Kilogramm Gewicht über eine halbe Million Eier ablegen. Diese sind stark klebrig und heften sich an die Pflanzen im Wasser. Nach drei bis vier Tagen schlüpfen die Larven bleiben aber noch weitere drei bis vier Tage haften.
Brutfische am Scheideweg
Nach Aufzehren des Dottersacks begeben sie sich dann frei schwimmend auf die Suche nach Plankton. Mit etwa drei Zentimeter Länge geht die Brut dann zu Bodennahrung über. In den ersten Monaten ist das Überleben des Nachwuchses von der Wassertemperatur extrem abhängig. Selbst kurzfristiges Absinken unter 20 Grad Celsius hat tödliche Folgen.
Bedenkt man noch die zusätzlichen Gefahren durch Molche räuberische Kleinkrebse Wasserinsekten Raubfische fischfressende Vögel bis hin zu Parasiten ist es geradezu ein Wunder dass überhaupt eine winzige Larve zu einem Brocken heranwachsen kann der dem „Karpfenspezi“ beim Drill den Schweiß auf die Stirn treibt.
Aber angesichts der Schwierigkeiten muß es nicht der Kapitale an der Angel sein der das Herz höher schlagen lässt. Selbst das Beobachten eines Winzlings von wenigen Zentimeter Länge bereitet Grund zur Freude zeigt er doch dass seine Eltern in diesem Jahr beim Liebesspiel erfolgreich waren.
Nachwuchs durch die Spritze
In unseren vielfach ausgebauten und stauregulierten Gewässern sind natürliche Ablaichmöglichkeiten für Karpfen nur selten zu finden. Daher werden in der Teichwirtschaft die natürlichen Bedingungen nachgeahmt. Der Ungar Thomas Dubisch erfand die Technik, Laichkarpfen in flache, grasbewachsene, frisch gefüllte Teiche (Dubischteiche) zu setzen. Nach ein bis zwei Tagen haben sie abgelaicht und werden wieder entnommen. Sieben bis zehn Tage später kann man die Brut abkeschern und in Aufwuchsteiche umsetzen.
Um auch die hohen Verluste in den ersten Entwicklungstadien zu mindern wurden Verfahren zur künstlichen Vermehrung von Karpfen entwickelt. Weil Eiabtrennung und Sperma-Ausstoßung von Hormonen gesteuert werden, kann die Fortpflanzung bei Einsatz der entsprechenden Hormone auch künstlich eingeleitet werden.
Solche Hormone werden in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) der Karpfen gebildet und können beispielsweise bei der Schlachtung von Speisekarpfen durch Entnahme und spezielle Trocknung gewonnen werden. Aus dem Hypophysenpulver kann der Fischzüchter eine Lösung herstellen, die den Laichfischen in bestimmter Dosis eingespritzt wird. Bereits einige Stunden nach der Injektion können Rogen und Milch abgestreift werden.
Damit die Eier nicht verklumpen, müssen sie mit Kochsalz, Harnstoff und Gerbsäure entklebt werden. Dann kann man sie wie andere Fischeier auch beispielsweise in Zugergläsern erbrüten. Im Flachwasser sind selbst erwachsene Karpfen in Gefahr. Dem Graureiher erscheint kein Fisch zu groß.
Foto: Verfasser