Die schwedische Traditionsfirma aus Svängsta an der Mörrum hat eine wichtige Rolle im Leben des Hecht-Papstes Jan Eggers gespielt.
Am 1. Juli 1943 wurde ich im kleinen Örtchen Graft umgeben von einem Netzwerk aus Kanälen, kleinen See und flachen Gräben geboren. Alle Gewässer waren voll mit Fisch, vor allem Hecht. Warum ich begonnen habe, auch auf Rotaugen, Rotfedern, Barsche und Brassen zu angeln, ist immer noch ein Mysterium für mich. Weder mein Vater, noch meine Großväter oder irgendein anderes Mitglied unserer Familie haben geangelt, keiner konnte mir also zeigen, wie es geht. Meine Mutter erzählte mir, dass ich im Alter von vier Jahren an einem kleinen Kanal in der Nähe unseres Hauses mit dem Fischen begonnen habe. Ich durfte damals angeln, bis es dunkel wurde. Später verdiente ich mir mein Taschengeld mit dem Fang von Köderfischen für die vielen lokalen Hechtangler, sogar für Hechtfreunde aus Amsterdam. Mit acht Jahren trat ich dem örtlichen Angelclub bei, in dem ich nach fast 65 Jahren noch immer Mitglied bin. Die Höhepunkte dieser Zeit waren gemeinsam Angeltage mit lokalen Hechtanglern, die ich an Wochenenden begleiten durfte. Damals wurde ausschließlich mit lebenden Köderfischen gefischt, Kunstköder waren in diesem Teil der Welt noch fast unbekannt. Mit zwölf Jahren fing ich selbst meine ersten beiden Hechte, auf 12cm lange Rotaugen. Ich machte alles falsch, aber das war egal, hatte ich doch zwei Hechte von um die 50cm gefangen! Ich zeigte sie der ganzen Familie, nahm sie aus und an dem Abend mussten wir alle gebratenen Hecht essen. Mir gefielen die Y-Gräten überhaupt nicht…
Abu Ceessie brachte mir viel bei
Zu etwa dieser Zeit musste ich auch aufs Gymnasium in der größeren Stadt Alkmaar gehen. Dort fand ich, wonach ich so lange gesucht hatte: einen guten, modernen Angelladen. Ich verstand mich gut mit dem Inhaber Cees Bijvoet, dessen Spitzname “Abu Ceessie” war. Er zeigte mir brandneue Abu Hi-Lo Wobbler, die Abu Reflex Spinner, die viel zu schwer für meine flachen Polder-Kanäle waren, aber nicht für den viel tieferen Nord-Holland-Kanal bei Alkmaar. Obwohl dieses Abu-Gerät ziemlich teuer war, kaufte ich es und entdeckte in der Praxis, dass es nicht nur Qualitätsgerät war – man konnte auch jede Menge Fisch damit fangen.
Durch das Fangen von mehr und mehr Köderfischen verdiente ich immer mehr und mehr Geld, um mir Abu-Gerät kaufen zu können. Ich weiß noch wie stolz ich war, als ich mir als Teenager meine erste Abu 505 Kapselrolle kaufen konnte. Die Rolle liebte ich, ich fischte damit mein ganzes Leben lang und immer noch benutze ich sie regelmäßig. Cees Bijvoet wurde ein guter Freund. Durch ihn bekam ich die Gelegenheit, neues Abu-Gerät testen zu können. Mit der inzwischen selten gewordenen, leichten Version des Abu Reflex Spinners fing ich viele Hechte und Barsche. Ich besitze ein altes Bild von mir mit vier Hechten zwischen 70-80cm, die in weniger als einer Stunde an einem regnerischen Dezembermorgen gefangen wurden. Das Bild zeigt nicht nur mich mit meiner Abu 505, mit dabei auch ein halb verdauter 45cm-Hecht, den ich im Rachen einer der Räuber gefunden habe. Für mich der Beweis, dass Raubfische dem Abu Reflex light nicht widerstehen können.
Schwedische Girls brachten mich zum Briefeschreiben
Nachdem ich meinen 22-monatigen Wehrdienst abgeleistet hatte, hielt ich Ausschau nach einem Job, irgendwas im Angelbereich wäre mein Traum gewesen. Solche Jobs waren aber in Holland kaum zu finden, deshalb hatte ich die Idee, Schwedisch zu lernen. Dann wollte ich die schnell wachsende Firma Abu einfach fragen, ob sie einen Job für mich hätten. Als ich mit dem Schwedisch-Lernen begann, wurde mir schnell klar, dass eine Brieffreundschaft in Schweden sehr hilfreich sein könnte. Also schrieb ich einen Brief an die Zeitung „Stockholms Tidningen“ und auch an Abu in Svängsta. Nach ein paar Wochen bekam ich Briefe von jungen Mädchen aus ganz Schweden, auch einen Brief von einer gewissen Ingegerd Borgström aus Svängsta. Ein bekannter Name für Abu-Freunde. Ihr Vater Tage Borgström, ein Bruder des “big boss” Göte Borgström, war der Personalchef des Abu-Werkes zu dieser Zeit. Er hatte meinen Brief an seine damals 18 Jahre junge Tochter weitergegeben. Nun, viel mehr hätte ich mir nicht wünschen können.
Zusätzlich korrespondierte ich auch mit dem Mädchen, dessen Brief mich zu allererst erreichte. Und glaubt es oder nicht, nach 57 Jahren schreibe ich immer noch mit Bodil Rehn, aber nicht mehr per Post, dafür per E-Mail.
Ende Dezember 1964 reiste ich nach Schweden, um Bodil zu treffen und um die Firma Abu zu besuchen, Ingegerd war im Urlaub auf den Kanarischen Inseln. Beide Treffen waren sehr interessant und meine Pläne, in Svängsta zu arbeiten, nahmen immer mehr Form an. Im Juni 1968 unternahm ich eine 6-wöchige Reise durch Schweden, vom Meeresangeln in der Ostsee bis zum Fischen auf Äsche und Forelle in Lappland. Ich hatte den notwendigen Papierkram erledigt, um eine Arbeitsgenehmigung in Schweden zu bekommen. Alles Notwendige hatte ich geregelt, um Holland zu verlassen. Aber dann geschah etwas, etwas mit dem Namen Tine kam am 13. Juli 1968 in mein Leben. Sie ist noch immer seit fast 52 Jahren meine Ehefrau…
Von der Kunststoff-Industrie zum freischaffenden Hecht-Frettchen
Ich schaffte es, einen Sommer-Job in der Kunststoff-Industrie zu bekommen, schon zwei Jahre später wurde ich Abteilungsleiter in einem der größeren Unternehmen der Niederlande und hatte ein gutes Leben. Mein einziges Problem war, dass ich nicht genug Zeit zum Angeln hatte. Das wollte ich unbedingt ändern, deshalb hielt ich Ausschau nach einem Job in der Angel-Branche.
Ich nahm an vielen Wettfischen mit der Stipprute auf Friedfische teil, belegte 1982 Platz 3 bei den Landesmeisterschaften, zuvor wurde ich einige Male Bezirksmeister in meiner Region. Der ganze große Wechsel begann dann 1980, als ich ein Exemplar des “Domesday Book of Mammoth Pike“ vom weltberühmten Hecht-Historiker Fred Buller in die Hände bekam. Ich liebte dieses Buch mit Geschichten von 230 Hechten über 35lb, meist aus England und Irland. Etwas unzufrieden war ich damit, dass nur wenige Monster-Hechte vom europäischen Kontinent in der Liste auftauchten. Ich erstellte eine Liste mit um die 40 Großhechten vor allem aus Deutschland und Schweden, viele Angaben fand ich in Abu-Katalogen, und schickte diese an Fred Buller. Schon nach ein paar Tagen kam ein Brief von Fred zurück. Er fragte mich, ob ich ihn bei einer neuen Liste für sein Buch „Pike and the Pike Angler“ unterstützen wollte. Ich sagte natürlich ja. Dieses Buch ist Richard Walker, Hugh Falkus und einem gewissen Jan Eggers gewidmet. Ich war sehr stolz darauf und erhielt den Spitznamen „The Pike Ferret“, das Hecht-Frettchen. So sollte später auch meine Firma heißen.
Die beste Quelle für Daten über Großhechte sind die Redakteure von Angel-Magazinen. Wenn ich bei ihnen angefragt habe, waren sie alle sehr hilfsbereit, schickten mit jede Menge Daten und Bilder… – und fragten mich, ob ich nicht Artikel über die größten Hechte der Welt schreiben könne. Ich wurde zum Europa-Korrespondent der US-Zeitschrift „The In-Fisherman“, was mir viele Türen öffnete. Schnell entdeckte ich, dass das Schreiben von Artikeln für Magazine nicht genug Geld einbringt, um eine fünfköpfige Familie zu ernähren. Ich schaute mich also nach weiteren Möglichkeiten in der Angelwelt um.
Im Frühling 1984 wurde ich eingeladen, einen Diavortrag auf dem „International Musky Symposium“ in LaCrosse, USA, zu halten. Hier traf ich viele Manager von internationalen Gerätefirmen wie Berkley, Mepps, Rapala und Zebco. Im Gespräch wurde mir einiges klar – sie hatten alle ein großes Problem: keine Ahnung, wie der europäische Angelgerätemarkt funktioniert. Ich erklärte ihnen, dass überhaupt kein europäischer Markt existiert. Es gibt einen deutschen, schwedischen oder holländischen Markt und alle unterscheiden sich stark. Um dort erfolgreich zu sein, muss man die Geschichte, Tradition, wichtigen Fischarten und Sprachen dieser unterschiedlichen Märkte kennen und verstehen. Angelgeräte-Hersteller machen einen großen Fehler: Sie glauben, dass überall auf der Welt so geangelt wird wie daheim. Spezielle Ruten, Rollen und Köder, die zum Lachsangeln in Schweden, auf Schwarzbarsch in den USA oder auf Wels in Österreich eingesetzt werden, sind in anderen Ländern nicht brauchbar, weil es dort diese Arten einfach nicht gibt.
In der nächsten Nacht bekam ich einen Geistesblitz und weckte meine Frau auf, um ihr zu erzählen, dass ich die Formel für den Start in die Selbstständigkeit als Angel-Profi gefunden hatte. Ich wollte fünf Firmen kontaktieren, für jede würde ich dann einen Tag pro Woche arbeiten. Ich wollte ihnen meine Unterstützung als „European consultant“ anbieten, für kleines Geld, zahlbar nur bei Erfolg. Die fünf Firmen reagierten alle positiv. Ende 1984 verließ ich dann meine Kunststoff-Firma. Die Leute dort dachten ich wäre verrückt geworden, weil ich diesen guten Job für das Abenteuer Selbstständigkeit aufgegeben hatte. Ich hatte aber keinerlei Zweifel, sah eher die Möglichkeiten in der Zukunft. Auch meine Frau glaubte an meine Idee, sie freute sich darauf, die Buchhaltung übernehmen zu dürfen. 80 Stunden Arbeit pro Woche anstatt 36 in der Kunststoff-Industrie waren überhaupt kein Problem. Ich hatte nicht das Gefühl zu arbeiten, ich genoss eher mein Hobby. Immer mehr vertiefte ich mich ins Hecht-Geschäft, gründete den SNB (Hechtangelclub Niederlande-Belgien) und war 20 Jahre der Präsident. Der SNB hat inzwischen 2.000 Mitglieder, ich bin immer noch stolz auf mein „Baby“. Aber in all diesen Jahren blieb auch Abu mein liebstes Kind. Ich sammelte die Kataloge, testete neue Rollen, blieb aber bis heute bei meiner 500er Kapselrollen-Serie und besuchte immer wieder Svängsta mit holländischen und deutschen Großhändlern.
Berkley plus Abu
Nachdem ich einige Jahre mit Berkley gearbeitet hatte, später hieß die Firma Outdoor Technology Group und heutzutage Pure Fishing, besuchte ich die Firma in Spirit Lake fast jedes Jahr. Ab einem bestimmten Moment war ich überrascht, dass der CEO Tom Bedell mich bei jedem Gespräch nach Insider-Informationen über die Firma Abu fragte. Ich erzählte ihm ehrlich, dass der Name Abu und die Produkte der Firma in der Zeit zwischen 1950-1985 deutlich mehr für Qualität standen, weil die Geräte noch in Schweden gefertigt wurden. Durch den Wechsel des Eigentümers, die Verlegung der Produktion nach Fernost und überhaupt billigere Produktion, hatte die Qualität der früheren Jahre abgenommen. Zu dieser Zeit realisierte ich, dass Berkley-OTG und Tom Bedell im Besonderen daran interessiert waren, Abu zu kaufen, was dann auch wirklich geschah. Ich besuchte die Fusions-Feier und hatte eine gute Zeit in der schwarzen Abu-Holzhütte am Ufer der Mörrum.
Ich fand auch heraus, dass es nicht einfach war, die amerikanische Berkley-Philosophie mit der schwedischen Management-Kultur von Abu zu verbinden, aber das ist inzwischen Geschichte. Nun, ich möchte ein Beispiel geben. Eines der stärksten Marketing-Werkzeuge von Abu war der jährlich erscheinende Katalog mit Namen „Napp och Nytt“, „Tight Lines“ oder „Petri Heil“, je nach Land des Erscheinens. Der Katalog war eine Institution. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich jedes Jahr auf eine neue Ausgabe gewartet habe, mehr auf die Geschichten von großen Fischen als auf Produkt-Neuheiten. Berkley hatte vor, die Veröffentlichung in so vielen Sprachen einzustellen, um Geld zu sparen. Anstatt Katalog sollte auf eine preiswertere Werbekampagne gesetzt werden. Schon wieder ein Beispiel, dass der Markt außerhalb der USA nicht verstanden wurde.
Seit Jahrzehnten bei mir bewährt: Abu-Kapselrollen 505 und 506
Ich liebe die 500er Rollenserie, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr produziert wird, genauso wie die grünen Cardinals 33, 44, 66 und 77. Immer habe ich in meinen Artikeln erwähnt, dass ich nach diesen Rollen suche, um sie kaufen oder tauschen zu können.
Als ich Chefredakteur von „Voor en door DE VISSER” in Holland/Belgien wurde, schaltete ich sogar immer eine Kleinanzeige, um an diese alten Qualitätsrollen zu bekommen. Als Ergebnis hatte ich dann im Dezember 2010, als ich offiziell den Ruhestand antrat, um die 90 Rollen aus der 500er Serie. Nach und nach habe ich damit begonnen, die am stärksten gebrauchten Rollen auf Sammlermessen zu verkaufen. Es ist immer noch erstaunlich, wie viele Sammler und Angler sich über so eine alte, aber immer verlässliche Rolle freuen. Ziemlich oft bin ich sogar beim Angeln in meinen Poldergräben von Junganglern gefragt worden, ob man sich diese neue Rolle einmal anschauen darf, weil man so etwas noch nie gesehen habe.
Per E-Mail schickten mir Abu-Sammler regelmäßig Fragen zu Abu-Katalogen in Niederländisch oder anderen Sprachen, ich habe da eine große Sammlung. Das ist ein regelmäßiger E-Mail-Austausch in Sachen Abu, der viele gute Erinnerungen in mir wachruft. Das überzeugt mich immer wieder davon, dass nur Qualität der Schlüssel zum Erfolg in der Angelgeräteindustrie ist. Danke Abu, für ein lebenslanges Vergnügen mit Euren Produkten „Made in Sweden“.
Schwedische Überraschung aus dem Internet
Am 20. Mai öffnete ich mein E-Mail-Postfach. Zwischen den neuen Mails entdeckte ich einen bekannten Namen: Ingegerd. Mit zitternden Fingern, nicht nur wegen meiner Parkinson-Erkrankung, öffnete ich die Mail, die von meiner früheren Brieffreundin aus Svängsta kam: Ingegerd Borgström. Sie schrieb mir, dass ihre Tochter Lisa den Namen ihres Großvaters Tage Borgström gegoogelt hatte. Sein Name tauchte zusammen mit dem Namen ihrer Mutter Ingegerd in einem Artikel auf Fischundfang.de auf, geschrieben vom Holländer Jan Eggers. Ingegerd erinnerte sich an mich und weil meine Mail-Adresse dort erwähnt wurde, schrieb sie mich an und übermittelte ihre Telefonnummer und Adresse. Noch am gleichen Abend rief ich sie an und in dieser Stunde am Telefon sprachen wir über die wichtigen Dinge in unseren Leben. Zum letzten Mal waren wir uns im Juni 1975 begegnet. Ich machte damals einen vierwöchigen Schweden-Urlaub mit meiner Familie. Wir besuchten Ingegerd und Familie in Gustavsberg bei Stockholm und genossen das schöne Wetter und den Strand.
Briefeschreiben kann das Leben verändern
Für mich ist es immer noch schwer zu glauben, wie ein einfacher Satz in einem deutschen Internetartikel meine Jugend wieder lebendig hat werden lassen, man kann es als Wunder bezeichnen. Beim Suchen auf Fischundfang.de haben Mutter und Tochter noch weitere interessante Artikel von mir gefunden und sogar einige Videos. Ingegerd staunte darüber, was ich in der internationalen Angelwelt erreicht habe. In diesem Moment wurde mir klar, dass das Schreiben von Briefen der Beginn von allem gewesen ist. Ich besitze immer noch meinen ersten Brief an Fred Buller und auch Kopien von frühen Briefen an Tom Bedell, Mike Sheldon von Mepps, Darrel Lowrance und weitere Redakteure inklusive Al Lindner von „The In-Fisherman“ und auch an Georg Peinemann von FISCH & FANG.
All diese persönlichen Kontakte haben mein Leben geformt, viele wurden Freunde. Deshalb freue ich mich auch so über meinen erneuten Kontakt mit meiner Abu-Brieffreundin. Ingegerd wird die erste Person sein, die diesen Artikel zu lesen bekommt. Wenn sie einverstanden ist, dann wird er veröffentlicht. Wahrscheinlich wird das hier einer meiner letzten Artikel werden. Meine Parkinson-Erkrankung sorgt mehr und mehr für gesundheitliche Probleme. Obwohl ich gerade 78 Jahre alt geworden bin, fühle ich mich immer noch wie 21, wenn ich die ersten Briefe von Ingegerd lese. Glaubt es oder nicht: Wir beide haben diese Briefe aufbewahrt, werden Kopien machen und diese austauschen. Diese kleine Geschichte bringt mehr oder weniger mein ganzes Leben auf den Punkt. Abu hat jedenfalls eine ganz wichtige Rolle darin gespielt. Vielen Dank!
Jan Eggers