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Jan Eggers erzählt, Teil 9

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Man glaubt es kaum: Das Aalangeln liebt Hechtpapst Jan Eggers ganz besonders. Bilder: Jan Eggers

Es klingt unglaublich, aber der Hechpapst hat nicht nur auf Hechte gefischt, am liebsten angelte er sogar mit Wurm auf Aal!

Viele Leser denken, dass ich mich vor allem mit Hechten und Hechtangeln beschäftigt habe. Mit dieser Einschätzung liegen sie verkehrt. Mein Motto hieß immer “Angeln ist Spaß”, deshalb habe ich stets auf alle Fischarten von A bis Z gefischt. Vor allem Aal und Zander spielten in den vergangenen 72 Jahren, in denen ich mit viel Freude geangelt habe, eine prominente Hauptrolle. Jetzt wird es Zeit, meine Erfahrungen und schönen Momente mit diesen Raubfischen hier zu teilen.

Geräte-Kombo für Polderaale: Mit dieser Selbstbaurute und einer Abu-Kapselrolle 505 fing Jan Eggers viele Aale.

Meine Großmutter ermunterte mich zum Aalangeln!

Die allererste Begegnung mit Anguilla anguilla, so der wissenschaftliche Name des Aals, fand im September 1948 statt, damals war ich fünf Jahre alt. In meinem Geburtsdorf Graft-De Rijp wurde im September immer die jährliche Kirmes abgehalten, mit Belustigungen für Jung und Alt. Eine dieser Spielchen war das Fangen von lebenden Aalen aus einer großen Tonne mit Wasser – mit verbundenen Augen und bloßen Händen. Wer in einer bestimmten Zeit die meisten Aale aufs Trockene befördern konnte, war der Gewinner. Zu jedermanns Überraschung war das damals mein Vater. Vor allem meine Mutter war sehr zufrieden mit dem gewonnenen Preis: ein Einkaufsgutschein für den örtlichen Tante-Emma-Laden. Im Jahr 2020 sind solcherart Volksbelustigungen mit lebenden Tieren verboten, zum Glück. Seit dieser Zeit weiß ich aber, dass Aale sehr glitschig sind, was in meinen ersten Anglerjahren zu Problemen führte. Wenn ich mit Maden oder Wurm fischte, ging mir regelmäßig ein Aal an den Haken. Hatte dieser tief geschluckt, bekam ich verständliche Probleme. Das Vorfach dicht am Haken abschneiden, war die schnellste Lösung. Haken bekam ich genug und auch umsonst. Wieso? Jeden Freitag kam Fischhändler Jan Karregat aus Volendam mit frischem Fisch, darunter lebende Aale, zu seinen Kunden nach De Rijp. Die Aale machte er den Kunden sofort zurecht und die Köpfe mit ziemlich langschenkligen Öhrhaken landeten im Abfall, wo ich sie dann für meinen eigenen Gebrauch herausfischen konnte.

Meine 80-jährige Großmutter fand das Zurücksetzen von zu kleinen Aalen sehr bedauerlich, denn gebraten schmeckten sie ihr prima! Seit meinem 9. Lebensjahr fischte ich deshalb für Oma gezielt auf Aal. So hatte ich eine Ausrede, um bis in die Dunkelheit angeln zu dürfen, denn erst dann wurden die Aale aktiv und ich konnte sie in Stückzahlen erwischen. Meine Mutter war weniger erfreut über meine Aalfischerei, als ihre eigene Mutter, meine Oma also. Sie fand meinen Aufenthalt an dunklen Ufern gefährlich und wenn ich gut gefangen hatte, waren meine Klamotten voller Aalschleim.

Eine lange und erfolgreiche Aalnacht mit belgischen Freunden im Poldergebiet.

Von rot-weißen Kork-Schwimmern zum Paternoster-System

Beim Angeln auf Aal ging ich davon aus, dass der Haken samt Wurm auf dem Grund präsentiert werden musste. Deshalb kamen Schrotbleie auf die Schnur, damit der Köder auch bei Wind und Strömung auf der Stelle liegen blieb. Die Schwimmer waren typisch holländisch, rot-weiße Korkkügelchen. Mit einer dünnen Nadel zog ich sechs davon auf die Nylon-Hauptschnur. Der größte Schwimmer kam ganz nach oben, mit der weißen Seite nach oben, so konnte ich den Biss besser erkennen. Die Bebleiung sorgte dafür, dass die untersten zwei bis drei Korkkugeln unter Wasser lagen, in der Hoffnung, dass die übrigen Korkkugeln auch irgendwann hinunter gezogen wurden. Über die verschiedenen Bisse der Aale könnte ich einen eigenen Artikel schreiben, es war immer sehr spannend.

Von den verzinkten langschenkligen Aalhaken des Fischhändlers wechselte ich nach ein paar Jahren zu den viel kleineren Mustad-Haken 270H in der Größe 6. Noch etwas später schwenkte ich mit viel Erfolg auf die dünnen aber superstarken Tru Turn TT132 in den Größen 6 und 8 um.

Als Teenager schenkte man mir meine erste Rollenrute, dann probierte ich es mit Laufpose in den  breiteren Kanälen auf Aal. Ich bekam die nötigen Bisse, vor allem aber auch viele Fehlbisse. Ich las dann in einer Angelzeitschrift einen Artikel übers Barschangeln mit einem Paternoster-System. Für meine Aalangelei war das das Ei des Kolumbus!

Besonders gerne fischt Jan Eggers mit einer Kette von kleinen rot-weißen Kork-Schwimmerchen.

Anderes Fischereigesetz und Eigenbau-Ausrüstung

In den 1950er und 60er Jahren startete die Angelsaison in den Niederlanden auf viele Fischarten, darunter der Aal, am 1. Juni. Man durfte mit einer Angel fischen. Der Aalbestand war gut und es gab noch viele Berufsfischer, die vor allem Reusen auslegten. Dass es viele Aale in den Poldern gab, habe ich im strengen Winter von 1962/63 gesehen. Ich war gerade beim Militärdienst, bekam aber Urlaub, um den Berufsfischern im Eilandpolder zu helfen, ihre Reusen aus dem Eis zu hacken. Die Netze waren bis oben voll, ich hatte noch nie so viele Aale gesehen. Was mir gleich auffiel, war der relativ kleine Anteil großer Aale. Heute hingegen gehen viel mehr starke Aale in die Reusen, aber darüber später noch mehr Informationen. Das Mindestmaß für Aale war und ist hier 28 Zentimeter. Früher fing ich selten einen Aal der länger als 50cm war. Die Angelei mit dem Paternoster-System funktionierte prima, vor allem nach einigen Verbesserungen. Meine steife Vollglas-Rute tauschte ich durch eine sensible und selbstgebaute Conolon-Hohlglasrute aus. Die alte Mitchell 320 bekam Rost und ich war super zufrieden mit der neuen Abu 505 Kapselrolle, mit der ich über 50 Jahre immer wieder fischen sollte. Unter dem beiden Seitenärmchen mit genannten Haken hing ein 10-20g schweres Wirbelblei, meine Hauptschnur war 20er bis 25er Nylon. Die sensible Spitze der neuen Rute registrierte die Bisse optimal. Vor allem nach meinem Umzug nach Bovenkarspel habe ich weiterhin viel auch auf große Aale gefischt.

Dieser Aal-Paternoster funktioniert laut Jan Eggers überall.

Abgeschlossene Gewässer ohne Berufsfischer

Als Sportfischer war ich immer auf der Suche nach wenig befischten Stellen – sowohl von Anglern, als auch von Berufsfischern. Ich hielt Ausschau nach ökologisch gesunder Gewässern, in denen die Fische in aller Ruhe von Jahr zu Jahr größer wachsen konnten. In einem Ring rund um Amsterdam hatte man in der Geschichte rund 1.900 Forts zur Verteidigung gebaut. Um ein Fort gab es immer auch einen großen Graben, in dem alle heimischen Fischarten lebten. Ich hatte einen Onkel, der auf Fort Spijkerboor gearbeitet hat. Er erzählte mir von großen Karpfen, Schleien und auch Aalen, die man dort fangen konnte. Selbst hatte ich da noch nicht gefischt, ich kannte aber einige Mitglieder des Angelclubs, die dort gut fingen, auch dicke Aale. Ungefähr 10km westlicher lag das Fort Marken-Binnen. Durch einen befreundeten Bauern erhielt ich Mitte der 1960er Jahre die Erlaubnis, dort fischen zu dürfen. Es war für mich der Fischhimmel auf Erden. Ich fing stramme Hechte, 40cm lange Rotfedern, Schleien bis 58cm und auch Aale. Und was für Aale!!! An meinem 27. Geburtstag, dem 1. Juli 1970, hatte ich mir einen freien Tag genommen, um den Nachmittag in der Gracht der Befestigungsanlage zu fischen. Ein denkwürdiger Angeltag mit vier Aalen, die zusammen sieben Pfund wogen und nach dem Eintrag in meinem Angeltagebuch 71, 75, 77 und 90cm lang waren. Im Mai 1971 zogen wir dann nach Bovenkarspel. Da hatte ich genug zu tun mit der Suche nach neuen Gewässern in den fruchtbaren westfriesischen Lehmpoldern.

Jans allererstes Aal-Foto, gefangen wurde der Fisch in der Gracht eines Forts.
Jan Eggers war Großverbraucher von Dendrobena-Würmern.

Nachtangeln mit viel Aal

Die ersten Jahre, die ich in meiner neuen Heimat fischte, standen im Zeichen der großen Flurbereinigung. Ursprünglich gab es dort Fahrpoldern für den Transport per Boot. Jetzt wurden neue Wege angelegt, auch neue Agrar-Betriebe und auch viele Gräben mit einem viel höheren Wasserstand. Neue elektrisch betriebene Pumpen pumpten das überzählige Wasser ins Ijsselmeer und jeder freute sich über diese Flurbereinigung. Anfänglich fischte ich vor allem in den vernachlässigten alten Hochwasser-Gräben, die aber auch von Berufsfischern per Boot und Reuse befischt wurden. Aber nach ein paar Jahren wurden die Fänge in den neuen Gräben, vor allem in der Nähe der vielen Unterführungen (Düker) aus Beton immer interessanter. Mein bester Abend mit zwei Ruten von 19 bis 23.30 Uhr brachte 47 Aale. In De Rijp war ich maximal auf 15 Stück pro Abend gekommen. Durch die vielen Bisse verbrauchte ich auch viele Würmer. Aber das regelte ich mit einem Wurmzüchter, dem ich dafür redaktionelle Erwähnungen in Angelzeitschriften verschaffte. In dieser Periode fischte ich mit meinen belgischen Angelfreunden jedes Wochenende auf Aal. Wir angelten dann die Nacht durch, bis es morgens wieder hell wurde. Was mit den ganzen Aalen passierte? Die wurden ausgenommen und danach geräuchert und gegessen, herrlich!

Lange ist es her: Die Ausbeute eines Abends für den Räucherofen.

So um 2000 bemerkte man die ersten Signale, dass es nicht mehr so gut um den Aal in Europa stand. Es landeten immer weniger Glasaale an unseren Küsten, dort wurden auch immer weniger Glasaale gefangen, die für viele Euros nach China verkauft werden konnten. Berufsfischer versuchten mit allen Methoden, die Blankaale, die zum Laichen in die Sargassosee ziehen wollten, auch noch zu erwischen. Die Zahl der Aale in den Poldergräben wurde schnell kleiner. Die wenigen verbliebenen Aale wuchsen dafür schneller, weil es mehr Nahrung für sie gab. Noch nie fing ich so viele große Aale wie in den letzten 10-15 Jahren. Das Einkurbeln so einer großen, sich windenden Schlange würde ich immer noch sehr spannend finden. Ich schreibe im Konjunktiv, denn in den Niederlanden ist das Fangen und Mitnehmen von Aalen inzwischen verboten. Ein Jammer, aber trotzdem kann die jährliche Räucheraal-Party mit unseren Nachbarn in diesem Herbst zum 28. Mal stattfinden. Es ist nämlich ganz legal, die benötigten Kilos frischen Aals beim Fischgroßhandel in Enkhuizen zu bestellen. Sie nehmen die Fische sogar für mich schon aus.

Aus dem Fotoalbum einer Nachbarin: Die erster Räucheraal-Party in Jans Nachbarschaft im Juni 1993.

„Ich vermisse die sommerlichen Aalabende mehr als das Hechtangeln!“

Die Angstgefühle, die meine Mutter früher hatte, als ich im Dunkeln am Wasser saß, hat meine Frau jetzt auch. Und gerne möchte ich es ehrlich zugeben: Durch die Probleme mit meinem Gleichgewicht, meine Rückenbeschwerden und versteiften Muskeln – Ursache Parkinson – ist es unverantwortlich, alleine in den Poldern zu fischen. Ich habe meinen Frieden damit geschlossen und momentan genug mit schönen Sachen auf Angelsportgebiet zu tun, etwa mit dem Schreiben dieser Artikelserie. Beim Tippen dieses Aal-Artikels kam ich zu folgender Einsicht: Könnte ich bei guter Gesundheit zwischen einem Herbsttag Spinnfischen auf Hecht oder einem schönen Sommerabend auf Aal wählen, dann wäre die letzte Möglichkeit mein Favorit. Ich vermisse die schwülen Abende, die Stimmen der vielen Vögel, neugierige Hasen, die ganz nah vorbeischauen oder die Wasserratten, die erschrocken untertauchen, wenn sie dich entdeckt haben. Wie oft habe ich die Sonne schon als einen feuerroten Ball untergehen sehen! Und wenn sich die roten und gelben Knicklichter auf den Rutenspitzen langsam bewegen, dann bin ich wunschlos glücklich!

Traumhafter Sonnenuntergang beim herbstlichen Abendansitz.

Im nächsten Teil mehr über Zander

Als ich mit diesem Artikel begonnen habe, hatte ich den Plan, zwei Seiten über Aal, in den Niederlanden “paling” genannt, und die restlichen beiden Seiten über Zander zu schreiben. Jetzt sind es vier Seiten über den Aal geworden. Ich bin mir aber sicher, dass ich genügend Erinnerungen und Fotos habe, um auch vier Seiten über Stizostedion lucioperca zu füllen – nur noch ein paar Wochen Geduld!

Jan Eggers

Teil 8…

Aus dem Archiv: Aalangeln mit Jan Eggers

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Jans Angelfreundin Martine mit einem "Schnürsenkel" auf Paternoster. In den Poldern wird mit kurzer Rute und Kapselrolle auf Aale gefischt.
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