Im zweiten Teil seiner neuen Serie berichtet der Hechtpapst aus 40 Jahren Angler-Guiding in Nordhollands Poldern.
Gestern, am 12. Oktober 2019, rief mich der Dortmunder FISCH & FANG-Leser Klaus Popma an. Er erzählte mir, dass er mit Söhnen und Enkeln in Bungalowpark De Vlietlanden angekommen sei und zu einem Schwätzchen vorbeischauen wolle. Klaus war beim ersten F&F-Hechtseminar im Jahr 1998 hier in den Poldern mit dabei und ist seitdem in jedem Herbst ein oder zwei Mal nach De Vlietlanden gekommen. Er kennt alle bekannten und weniger bekannten Stellen und seine Söhne haben die Fänge für mich auf einer CD zusammengefasst – Klasse! Montagmorgen, 9.30 Uhr, standen die Männer vor meiner Tür, schnell Kaffee aufgesetzt, erfahren, dass sie am Wochenende zwölf Hechte, der größte 92 cm, gefangen hatten. Natürlich erzählten wir auch von schönen und lustigen Erinnerungen aus früherer Zeit und schon fragten sie mich, sie beauftragten mich geradezu: Schreib’ doch mal über die vielen schönen Momente, die Du in 40 Jahren bei der Begleitung von Gastanglern in den Poldern zwischen Enkhuizen, Hoorn und Medemblik erlebt hast! Ich finde, das war eine super Idee. Noch am gleichen Tag habe ich mit diesem Artikel begonnen.
Verirrte Angler, große Not und eine Kuh ohne Euter
Nach dem Kaffee bin ich bei Klaus mit ins Auto gestiegen, um ihnen einige Hechtstellen am Rand von Hoorn zu zeigen. Sie hatten dort bereits vor einigen Jahren schon einmal erfolgreich gefischt. Sie konnten aber durch die Ausbreitung der Stadt und dem neu angelegten Westfrisiaweg diese Stellen nicht mehr finden, was ich verstehen kann. Man hat hier in den letzten Jahren so viel verändert, Wegenetz, Gräben und Kanäle, um das reichliche Regenwasser abzuführen, sodass auch ich suchen muss. Vor 20 Jahren noch, erklärte ich den Gästen, welche Kirchtürme zu welchem Dorf gehören, nun haben die meisten Autos Navis und verirren sich weniger schnell. Regelmäßig gibt es aber Notrufe von Bootsanglern, die den richtigen Weg nicht mehr finden. Das kann ich verstehen, gibt es doch keine Schilder mit Namen der Gräben oder Dörfer. Man kann sich zwar eine Wasserkarte kaufen, auf der die wichtigsten Routen mit Nummern gekennzeichnet sind. In den Poldern sollen dann Pfähle mit Nummern stehen. Weil aber Jugendliche diese Pfähle oft verdrehen, verfahren sich Gastangler immer wieder. Gerade kommt eine neue Fangmeldung der Popmas rein: Die Männer fingen in dieser Woche 45 Hechte, viele zwischen 70 und 80 cm. Die beiden größten Hechte hatten 91 und 92 cm. Sie fuhren zufrieden nach Hause.
Sanitäre Vorrichtungen sind in den Poldern selten, gerade auf diesem diesem Gebiet habe ich deshalb schon lustige Momente erlebt. Ich erinnere mich auch noch an einen belgischen Angler, der mit voller Blase aus dem Boot klettern wollte und einen Fuß schon auf dem Ufer hatte. Er hing einen kurzen Moment im Spagat über dem Wasser, fiel aber dann doch hinein. Vater und Sohn aus Köln hatten beim Schleppen sechs Hechte gefangen. Dann meldete sich der Junge, dass er dringend pinkeln muss. Beide fuhren mit dem Boot in einen verlandet aussehenden Seitengraben. Bevor ich noch warnen konnte, sprang der Junge aus dem Boot. Leider war das anscheinend grüne Gras nur Entgrütze. Er verschwand in dem dichten Grünzeug unter Wasser und tauchte kurz später protestierend wieder auf. Wir sind danach zurückgefahren, um trockene Klamotten zu holen.
Einmal begleitete ich zwei italienische Gastfischer aus Sondrio: Marco und Nicola. Sie hatten beim Spinnfischen vom Ufer schon schön gefangen, jetzt wollten sie auch einen Tag Schleppfischen. Nach einer Stunde ohne Biss fragte mich Marco, ob ich ihn nicht auf einer Weide absetzen könne, er wolle es dort mit der Spinnrute probieren. Natürlich konnte ich das. Ich erklärte ihm noch, das die Rinder, die weiter hinten grasten, nicht gefährlich seien. Es waren sehr junge Rinder, Färsen genannt (“pinken” auf Niederländisch), die sehr neugierig sind. Sie näherten sich immer mehr unserem “piscator italiano”, dem der Angstschweiß auf der Stirn stand. Plötzlich schrie er “toro, toro”, dabei zeigte er auf eine riesiges Tier mit einem Ring in der Nase, das anstatt eines Euters einen langen Pinsel unter dem Bauch trug. Der Stier wollte nur nachschauen, ob Marco eine Bedrohung für sein Harem war. Schnell fuhr ich mit der Bootspitze aufs Ufer, Marco sprang superschnell hinein und hatte das Gefühl, als sei er dem Teufel noch einmal von der Schippe gesprungen.
Überraschungen beim Angeln mit Martine
Anfang August 1997 rief mich Bootsverleiher Mart van Vliet an und fragte, ob ich am folgenden Tag einige Gäste aus Belgien und Deutschland guiden könne. Alles sollte am Rand von Avenhorn geschehen, da begann die Hechtsaison schon früher. Martine hieß die belgische Dame, die noch niemals geangelt haben sollte. Das stimmte nicht ganz, sie hatte schon einmal auf einem Kutter im Meer geangelt. Was aber kein Erfolg war, beim ersten Wurf verschwanden Rute samt Rolle im salzigen Nass. An mir war nun die Ehre, ihr das komplette Basiswissen übers Angeln mit Lebendködern und Kunstködern beizubringen. Sie war ein eifriger Lehrling, die viel Freude hatte, noch immer ist sie dem Hobby treu geblieben, inzwischen seit 22 Jahren…
An ihrem ersten richtigen Angeltag fing Martine nichts, sie sah aber, wie andere Angler unserer Gruppe Hechte und Barsche fingen. Sie sollte im September wieder zurückkommen und dann ihren Hecht fangen. Es geschah so und sie hielt als vollendetes Fotomodell ihren Hecht ohne Angst mit dem Kiemengriff vor die Kamera. Sie wurde Stammkunde auf De Vlietlanden und fing viele Hechte, aber auch Aale, Karpfen und Zander. Martine sorgte immer fürs Mittagessen, so konnte es passieren, dass wir an gebratenen Hähnchenschenkeln nagten und schäumenden Champagner aus Bechern tranken. “Bubbels in Bobbeldijk” nannten wir diese dekadenten Ausschweifungen. Martine fischte lieber mit Kunstködern. Einmal sah ich, wie ein Hecht ihrem Spinner folgte. Ich rief ihr “Nachläufer” zu und zu meiner großen Verwunderung stoppte sie mit dem Einkurbeln. “Warum holst Du nicht weiter ein?” fragte ich sie. “So kann der Hecht den Spinner einfacher packen”, war ihre unerwartete Antwort.
Martine ist Rekordhalterin, wenn es darum geht, die meisten Kilometer zu machen. Nach einem lebhaften Angeltag in den Poldern wollte sie über Amsterdam zurück Richtung Antwerpen fahren. Auf dem Amsterdamer Ring hätte sie die Abfahrt auf die A2 nehmen müssen, sie nahm aber die A1. Erst als sie das Schild “Hengelo-Oldenzaal” an der Grenze zu Niedersachsen sah, wurde sie langsam unruhig, etwas zu spät.
Bei den vielen Reisen nach Nordholland hatte sie immer einen oder auch zwei Hunde dabei. In den ersten Jahren war das “Schnapps”, ein eigenwilliger Jack Russel, und Djoeska, ein gelassener Border Collie, der stundenlang Schafe beobachten konnte. Ich erinnere mich noch gut an die Panik, als Schnapps einen Drilling in der Hinterpfote hatte. Zum Glück habe ich Erfahrungen im Entfernen von Haken. Momentan nimmt sie Roxy mit, die ebenfalls ruhig ist, solange keine Katzen in der Nähe sind. Von Meterhechten träumt Martine nicht mehr, hat sie doch inzwischen einige gefangen, wie die Fotos beweisen.
Jung gelernt, alt getan! Unterstütze stets die Jugend!
Beim Stöbern in meinen alten Angeltagebüchern, stoße ich regelmäßig auf junge Hechtangler, die ihren ersten Esox gefangen oder etwas Besonderes erlebt hatten. Ich möchte jeden von diesen Junganglern etwas ins Rampenlicht setzen. Beginnen möchte ich mit Frits Sinnige aus Nibbixwoud. Als ich in diesem Dorf geangelt habe, freute ich mich stets am Interesse der lokalen Jugend. Vor allem Frits Sinnige und sein Bruder konnten mir stundenlang zuschauen, fragten mich aus über Ruten, Schnur, Köder und Vorfächer für lebende Köderfische. Als ich einen Hecht gehakt hatte, ergriff Frits meinen Kescher und ich manövrierte den Fisch darüber, so dass der Junge ihn an Land wuchten konnte. Beim nächsten Mal packte ich eine zusätzliche Spinnrute für ihn ein. Er fing selbstständig seinen ersten Hecht mit einem 11 cm Rapala Jointed. Das war die Initialzündung, Frits wurde Mitglied im SNB, wurde Guide bei Jugendangelveranstaltungen und hielt sogar später einen Vortrag auf einem SNB-Jahrestreffen.
Hier ein witziger Vorfall von so einem Jugendangeln. Frits war der Guide für sechs Jungangler. Es war abgesprochen, dass wir uns nach dem Angeln um 16 Uhr bei der Rezeption von De Vlietlanden wieder treffen wollten. Um vier Uhr war noch niemand von Frits’ Gruppe dort. Die Eltern der Jungs, die noch einkaufen wollten, wurden langsam nervös. Es gab damals noch keine Handys… Erst um fünf Uhr kam Frits mit den Jungs zurück. Sie hatten gut gefangen und wollten noch eine Stunde weiterfischen, sagte Frits. Persönlich kann ich das sehr gut verstehen, ich war immer zu spät, wenn es gut gebissen hatte. Das gute Fangen ist der Schlüssel zum Erfolg, wenn man Kinder vom Angeln begeistern will. Es müssen keine Meterhechte sein. Ich habe Jungangler mit strahlenden Gesichtern gesehen, die ihren ersten selbst gefangenen 40-cm-Hecht in Händen hielten. Die “Meter” kommen später von selbst.
In der Mitte der 1990er Jahre kam Apotheker Jo Breker aus Bochum nach De Vlietlanden. Er fragte, ob ich ihm ein paar Tipps für das Poldergebiet mit seinen 800 km Gräben, Plassen und Kanälen geben könne. Natürlich konnte ich das, wir verstanden uns hervorragend. Ich hatte viel Spaß daran, seinem Sohn Andreas, sagen wir besser Andy, die Kunst des Polderhechtangelns beizubringen. Andy war sehr wissbegierig und machte aus jedem Angeltag einen Wettstreit. Bald konnte ich Andy was Technik und Material anbelangt nichts mehr beibringen, nur bei den neuen Stellen in meinen Poldern konnte ich ihm noch was zeigen. Andy fand das Hechtangeln auf Großgewässern wie dem Volkerak, den Randmeren und den Maasplassen bei Roermond besonders herausfordernd und fing dort sehr gut. Seine Teilnahme an Meisterschaften, bei denen die größten Hechte, Zander und Barsche gewertet wurden, waren erfolgreich. Inzwischen kann ich von ihm lernen, aber ich glaube nicht, dass wir noch einmal zusammen auf einem Großgewässer fischen werden. Das haben wir nämlich schon einmal zusammen getan, auf einem See so groß wie die Niederlande: dem Großen Sklavensee. Weil Andy eine andere Art Fisch gefangen hat, nennen wir ihn Backfisch, und plant, in ein anderes Boot zu steigen, werden wir uns sicher etwas weniger sehen, aber so ist das Leben!
Eigentlich war mein Plan, noch mehr Jungangler hier vorzustellen, aber der mir zugestandene Platz ist fast aufgebraucht. Die Erlebnisse mit Alex Feller, Axel Vroling, Danny de Vries und Max Koper werde ich sicher noch in einem Teil dieser Serie erwähnen, nur noch etwas Geduld.
Zum Schluss noch kurz das Ergebnis meiner Leserumfrage vom letzten Mal. Von der Liste der zehn Themen haben Artikel über Großhechte und seltsame Hechte die meisten Punkte bekommen. Damit werde ich in Kürze beginnen, demnächst mehr!
Jan Eggers