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Hessen hat Entnahmefenster eingeführt

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In Hessen gelten neuerdings Entnahmefenster für verschiedene Fischarten. Ab dem Höchstmaß müssen diese schonend zurückgesetzt werden. Bild: Auszug aus der neuen Hessischen Fischereiverordnung.

Mit der neuen Fischereiverordnung vom 28. April 2023 hat das Bundesland Hessen neben Mindestmaßen auch Höchstmaße für neun verschiedene Fischarten festgelegt. Nach Hamburg gelten damit Entnahmefenster (Zwischenschonmaß) bereits in zwei Bundesländern.

Hechte müssen beispielsweise jetzt ab eine Größe von 90 cm wieder zurückgesetzt werden, Aale ab 70 cm, Karpfen (Wildkarpfen) ab 60 cm. So sollen die reproduktionsstarken großen Laichfische in den Gewässern verbleiben und weiterhin für Nachwuchs sorgen können.

Wir haben Karl Schwebel, Vizepräsident und Gewässer-Referent des Verbands Hessischer Fischer e.V. (VHF), zur neuen Hessischen Fischereiverordnung befragt:

FISCH & FANG: Für welche hessischen Gewässer gilt das Entnahmefenster und seit wann?

Karl Schwebel: An allen hessischen Gewässern, die der Hessischen Fischereiverordnung unterliegen, seit dem 28.04.2023.

F&F: Gibt es für die Bewirtschafter von Gewässern die Möglichkeit, das Ganze individuell anzupassen?

K.S.: An Fließgewässern sind Anpassungen (lokal gefährdete Arten, Wiederansiedlungsmaßnahmen) durch die gesetzliche Hegeplanverpflichtung möglich. Der VHF setzt sich aber auch für Bewirtschaftungspläne an stehenden Gewässern ein, z.B. Artenschutz-Wiederansiedlungsmaßnahmen, was auch dort unter Umständen Anpassungen erlaubt.

F&F: Woran haben Sie sich bei der Einführung des Entnahmefensters orientiert?

K.S.: Prinzipiell an Diskussion mit den Hessischen Fischereibehörden und Fischereibiologen, aufgrund unserer eigenen Expertise durch unsere andauernden Gewässeruntersuchungen und Elektrobefischungen, zum Beispiel zum Schutz wertvoller Laichtiere; auch am Fischereigesetz Hamburg.

F&F: Wie kamen die jeweiligen Ober- und Untergrenzen zustande?

K.S.: Die Untergrenze basiert auf dem bisherigen Mindestmaß, die Obergrenze auf gewässerspezifischen und biologischen Datengrundlagen.

F&F: Waren Bundesländer wie Hamburg oder Mecklenburg, in denen es bereits Entnahmefenster gab, eventuell Vorbilder? 

K.S.: Definitiv ja.

F&F: Warum gibt es für den Zander nur ein normales Schonmaß und kein Entnahmefenster?

K.S.: Behördlicherseits gilt der Zander in Hessen als nichtheimisch, weshalb die bisherige Regelung beibehalten wurde. Wir sehen das durchaus kritisch, da der Zander die Grundel dezimiert. Zudem haben alle Nachbarbundesländer ein Mindestmaß plus Schonzeit.

F&F: Welche Vorteile erhoffen Sie sich durch die neue Regelung für Bewirtschaftung bzw. die Bestände?

K.S.: Dass wertvolle Laichtiere heimischer Arten dem Gewässer nicht entnommen werden, und schonend zurück gesetzt werden müssen.

F&F: Glauben Sie, dass sich Entnahmefenster noch in weiteren Bundesländer etablieren werden?

K.S.: Das könnte durchaus der Fall sein. Allerdings bestehen aufgrund der Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte erhebliche Zweifel ob diese Entwicklung länderübergreifend stattfindet. Wir sehen anhand des Zanders wie selbst benachbarte Bundesländer die Fakten völlig anders sehen.

F&F: Wer genau hat das Entnahmefenster letztlich eingeführt?

K.S.: Bei einer Verordnung hat letztlich das Ministerium das letzte Wort und hat alle Inhalte eingeführt.

F&F: Warum wurde das Thema nicht gleich an alle Angler kommuniziert? Ich frage dies, weil wir tatsächlich mehrere Rückfragen von Anglern aus Hessen in der Redaktion hatten, die davon keinerlei Kenntnis hatten.

K.S.: Es gab die Mitteilung aus dem Ministerium am 28.4. an alle hessischen Unteren Fischerbehörden, zeitgleich die Downloadmöglichkeit der HFischV über alle drei hessischen Regierungspräsidien. Der Verband Hessischer Fischer hat ab 29.4. die neue Verordnung per Social Media verbreitet und ab 2.5. auf der Homepage als Download angeboten.

F&F: Beim Karpfen gilt ja ein Entnahmefenster von 45 bis 60 Zentimetern für „Wildkarpfen“. Aber hierzulande gibt es ja eigentlich keine wirklichen Wildkarpfen mehr, zumal ein Wildkarpfen in der Regel kaum größer als das Fenstermaß werden kann. Selbst die gewöhnlichen Schuppenkarpfen sind hierzulande eine Zuchtform. Demnach müssten alle gefangenen Spiegel- und Schuppenkarpfen entnommen werden, oder wie sollte sich der Karpfenangler verhalten?

K.S.: Also, in den Rheinaltarmen gibt es den wahren Wildkarpfen nach wie vor, drehrund und stark beschuppt. Um diese Art geht es. Es gibt auch Fischzüchter, die Nachzuchten betreiben. Für die Zuchtformen des Karpfens ändert sich durch die neue Verordnung nichts, ergo auch nicht für den Umgang mit dem Fang.

Info: Wildkarpfen

Der Karpfen Cyprinus carpio stammt ursprünglich aus Asien und konnte über das Donausystem bis nach Europa vordringen. Er ist in Deutschland also nur im Donaueinzugsgebiet einheimisch. Eventuell schon mit den Römern, aber ganz sicher mit der expandierenden Teichwirtschaft im Mittelalter wurde er in Europa verbreitet. In Fließgewässern werden hin und wieder langgestreckte „Flusskarpfen“ gefangen, die optisch der Wildform sehr nahe kommen. Es ist aber unklar, ob es sich hierbei um reinrassige Restbestände der Urform handelt. Wildkarpfen sind voll beschuppt, torpedoförmig und nicht so großwüchsig wie die Zuchtformen. Hochrückige Schuppenkarpfen sind keine Wildkarpfen.

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