Das Ansitzangeln mit Salzwasserködern erfordert jede Menge Geduld. Dafür ist bei einem Biß die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, daß ein prächtiger Hecht den Happen genommen hat. |
Thomas Kalweit vertraut als einer der wenigen deutschen Angler beim gezielten Großhechtansitz salzigen Happen. Denn diese fangen selektiv solch Kapitale. |
Engländer schwören auf tote Meeresfische, deutsche Hechtangler vertrauen lieber Rotauge & Co. Warum haben sich die salzigen Happen hierzulande nicht durchsetzen können? Und wie fängig sind sie hier wirklich? Makrelenfan Thomas Kalweit schildert seine Erfahrungen.
By Thomas Kalweit
Zwanzig, 23 und 27 Pfund wiegen die drei Hechte, die ich heute bereits gefangen habe, und schon wieder läuft die Schnur von der Rolle. Unglaublich: Nebenan sitzen zwei weitere Angler und fischen mit Rotaugen, jedoch ohne Erfolg, während sich meine Rute nach dem Anhieb schon wieder krümmt. Der Verführer: Natürlich, eine halbe Makrele!
So steht es in zahlreichen Erlebnis-Berichten von englischen Fachautoren geschrieben, die auch in deutscher Sprache veröffentlicht worden sind. Doch was ist wirklich dran an dieser angeblich überragenden Fängigkeit von toten Salzwasserfischen? Ich habe einmal die FISCH & FANG-Ruten-Fieber-Statistik der letzten Jahre durchforstet, und siehe da: Nicht ein einziger kapitaler Esox davon wurde auf einen salzigen Happen erbeutet.
Dieses mag sicherlich daran liegen, dass nur wenige Spezis hierzulande diesen Köder vertrauen. Ich persönlich fische jedoch fast ausschließlich mit halben Makrelen auf Esox – durchaus mit Erfolg. Allerdings ist eine gehörige Portion Sitzfleisch vonnöten.
Mein Lieblingsgewässer ist eine zirka 60 Hektar große Braunkohlegrube. Dort harre ich viele Stunden im Jahr auf meiner Liege aus, bleibe oft Wochenende für Wochenende Schneider. Nur 20 Bisse konnte ich in zehn Jahren verbuchen, doch wenn die Schnur lief, war oft der Kapitale vorprogrammiert. So verdanke ich der halben Makrele einige meiner besten Hechte bis zu 23 Pfund. Und auch an anderen deutschen Gewässern, die ich zuweilen befische, sehen die Fangergebnisse ähnlich aus.
Anders jedoch verhält es sich in England oder Irland, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann. Auf Meeresfische beißen dort nämlich Räuber aller Größenklassen, nicht nur die kapitalen. Haben die Hechte dort etwa andere Vorlieben als ihre deutschen Artgenossen?
Ich glaube nicht. Grundsätzlich herrschen in Großbritannien einfach andere Bedingungen. Und diese müssen wir immer im Hinterkopf behalten, wenn wir wieder von euphorischen Berichten lesen, in denen britische Autoren bestimmte Köder oder Methoden als “traumhaft fängig” einstufen und solche frank und frei bedenkenlos dem deutschen Leser empfehlen, ohne einschlägige Erfahrungen gemacht zu haben.
Die Dressur durchbrechen
In Großbritannien werden zum einen fast alle Hechte zurückgesetzt, so dass die Angler ihre Köder immer variieren müssen, damit bei ihren Zielfischen kein Gewöhnungseffekt auftritt. So nutzen die britischen Petrijünger die große Vielfalt des umgebenden Meeres und bieten Esox relativ exotische Köder wie zum Beispiel Wittling oder Sandaal an. Da es in England nämlich an fast keinem Punkt des Landes weiter als 100 Kilometer bis zur Küste ist, können die passenden Fische ohne großen Aufwand und preiswert besorgt werden.
In jedem Angelgeschäft stehen daher große Kühltruhen mit einem fast unüberschaubaren Angebot an fertig abgepackten Salzwasserköderfischen. Nach dem Angeln landen diese massenweise in den Gewässern. Gute Hechtgewässer werden in England so stark beangelt, dass pro Wochenende zig Kilogramm an salzigen Happen auf dem Gewässergrund liegen bleiben können. Mit der Folge, dass ein “Dressureffekt” eintritt und für die Hechte eine halbe Makrele als Nahrungsquelle vielerorts sogar üblicher ist als ein verendetes Rotauge.
Eine wesentliche Rolle für gute Fangergebnisse spielt zudem die weitaus größere Dichte von mittelgroßen Exemplaren. So gelingen zuweilen an einem Tag Fänge, von denen ein deutscher Angler das ganze Jahr über nur träumen kann. Von einem solchen Ergebnis nun auf die besondere Fängigkeit von Meeresködern zu schließen, wäre ein voreiliger Schluss, der aber zuweilen auch von namhaften Angelautoren gezogen wird.
In den Erbanlagen fest verankert?
Alle englischen Flüsse besitzen eine ausgedehnte Brackwasserregion. Die dort heimischen Hechtstämme konnten bereits seit abertausenden von Jahren positive Erfahrungen mit Futterfischen machen, die aus dem Meer massenhaft in die Flüsse aufsteigen, wie Stinte, Heringe, Flundern, und auch die heringsverwandten Finten und Alsen.
Wenn nun solche Räuber in Stau- und Baggerseen gesetzt werden, ist in ihrem “genetischen Gedächtnis” möglicherweise die Information verankert, dass stark riechende, fettige Meeresfische eine sehr nahrhafte Ergänzung des Speiseplanes sein können. Und so “steht” selbst der Nachwuchs auf die salzigen Köder. Denn eines ist sicher: Es wurden mit fast allen Meeresfischen, wie zum Beispiel Makrele, Sprotte, Hering, Sandaal, Sardine, Stöcker, Meeräsche, ja sogar mit geräucherten Heringen, viele, und auch äußerst große Räuber gefangen.
Bei uns in Deutschland sind die Angler jedoch berechtigterweise weitaus skeptischer. Meeresfische sind bei uns nicht überall erhältlich und auch um einiges teurer, deshalb wird fast nur mit selbstgefangenen toten Rotaugen oder Kunstködern geangelt. Zudem kann bei den Hechten kein Gewöhnungseffekt auftreten, da immer noch fast alle gefleckten Jäger nach dem ersten Fang abgeschlagen werden. So können die grünen Räuber kaum positive Erfahrungen mit salzigen Happen sammeln, weil sie fast nie mit ihnen in Berührung kommen.
Es ist meine feste Überzeugung, dass tote Meeresfische auch in Deutschland gute Köder wären, wenn Angler sie entsprechend häufig verwenden würden. Es hat sich nämlich gezeigt, dass die salzigen Köder selektiv vor allem für den Fang von Großhechten vorteilhaft sein können, natürlich vorausgesetzt, man hat die nötige Ausdauer und Geduld. Daher werde ich auch weiterhin meiner heißgeliebten halben Makrele vertrauen und sie in die ehemalige Braunkohlegrube hinauswerfen. Wer dagegen schon nach einigen Stunden ohne Biss aufgibt, wird auf Hering & Co. nie einen Kapitalen fangen.
Meine Köderfisch-Palette
Weißfische:
Leicht zu fangen, aber nahezu geruchlos. In der wärmeren Jahreszeit verströmen sie schon nach wenigen Stunden in der Kühltasche oder im warmen Wasser einen süßlichen Fäulnisgeruch. Damit lässt sich dann kaum noch ein Hecht fangen.
Barsch:
Durch seine zähe Haut auch für Weitwürfe geeignet. Die Hechte stören sich an den Stachelstrahlen der Rückenflosse nicht.
Aal:
Hervorragender Köder, ob als Stück oder ganz. Charakteristischer öliger Geruch. Fast nur in Küstennähe und in Gewässern mit großem Aalbestand erfolgreich.
Forelle:
Wohl einer der besten Süßwasserköderfische und fast überall erhältlich. Achtung: Das Entnehmen untermaßiger Aale und Forellen ist selbstverständlich auch für die Verwendung als Köder untersagt!
Sardine:
Bei Hechten heiß begehrt. Aber sehr weiches Fleisch, so dass sie nur im gefrorenen Zustand oder fangfrisch geworfen werden kann. Viele Fehlbisse, weil die Hechte sie von den Drillingen “ablutschen” können. Im Sommer nur als Brotaufstrich verwendbar.
Makrele:
Der ideale Köderfisch. Zähe Haut, die die Drillinge auch nach dem hundertsten Wurf noch sicher hält. Preiswert, überall erhältlich, geruchsintensiv und – gleichgültig, ob Kopf oder Schwanz – sehr fängig!
Hering:
Funktioniert in manchen Gewässern gar nicht, in anderen ist er wiederum unschlagbar. Ausprobieren!
Sprotte:
Nur bei Meterhechten ein bewährter Köderfisch.
Sandaal:
Über 15 Zentimeter Länge ein guter Hechtköder.
Knurrhahn:
Am besten abgezogen zu verwenden.
Stöcker:
Sehr preiswerter, stabiler, aber nicht sehr intensiv riechender Köderfisch. Fängt aber seine Räuber.
Stint:
In England oft als bester toter Köderfisch mit typischem Gurkengeruch beschworen. Ist nicht in allen Gewässern fängig.
Foto: Thomas Kalweit