Saugwelse kennen einige aus dem heimischen Aquarium als „Fensterputzer“ – denn sie verfügen über ein Mundwerkzeug, mit dem sie sich an ganz unterschiedlichen Oberflächen festsaugen können.
Das passiert nicht nur mit einem Unterdruck, den die Fische erzeugen, sondern auch aufgrund der Beschaffenheit ihrer speziellen Münder. Ein Forschungsteam hat diese besonderen Saugmäuler genauer untersucht und ihre Ergebnisse in einer jüngst erschienenen Studie zusammengefasst.
Insgesamt untersuchte das Team 67 verschiedene Arten von Harnischwelsen und schaute ganz genau auf ihr Maul: Sie wollten genauer herausfinden, wie die Tiere an ihre Umgebung angepasst sind und welche Werkzeuge sie zum Haften an unterschiedliche Oberflächen benötigen. Dabei stießen sie auf eine Vielfalt, die selbst die Forschenden verblüffte.
Saugmäuler von 67 Welsarten untersucht
Die Welsvielfalt ist überwältigend groß: Es gibt mehr als 1.000 verschiedene Arten der Harnischwelse, Weibchen und Männchen unterscheiden sich dabei oft im Aussehen, was eine Untersuchung noch anspruchsvoller macht. Auch verändern manche Arten ihr Aussehen bedeutend im Laufe ihres Lebens bis sie schließlich ausgewachsen sind. Dass selbst die Saugmäuler der Welse so divers sind, hat auch die Forschenden überrascht – diese sind bestückt mit kleinen, von Schleim überzogenen Erhebungen, die Papillen genannt werden: „Da es sich bei diesen Welsen um eine Fischgruppe handelt, bei denen alle relativ nah miteinander verwandt sind, hätten wir vielleicht eine oder zwei verschiedene Haftstrukturen erwartet. Wir hätten nie gedacht, dass wir bei 67 Arten so diverse Haftstrukturen entdecken, die dann noch mit vielfältigeren Köpfen versehen sind“, fasst Dr. Wencke Krings zusammen, die als Wissenschaftlerin am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) tätig und Erstautorin der Studie ist.
Untersucht wurden verstorbene Aquariumfische
„Wir erwarten eine noch größere Vielfalt an Haftstrukturen, wenn wir noch mehr Arten untersuchen“, betont Daniel Konn-Vetterlein, ebenfalls im Autorenteam der Studie. Er selbst kennt die Ökologie der Tiere genauestens, da er die Welse auf Expeditionen in Südamerika beobachtet und erforscht. Hervorzuheben ist auch, wie die Tiere für die Studie zusammengetragen wurden: Aquarianerinnen und Aquarianer stellten über Jahre hinweg ihre von selbst gestorbenen Tiere bereitwillig den Forschenden zur Verfügung.
Die Strukturen der Saugmäuler der Welse, die für die Haftung zuständig sind, kamen den Forscherinnen und Forschern nicht gänzlich neu vor: „Hier finden sich Formen wieder, die wir beispielsweise bereits von Insekten kennen: Insekten, Fische, Tintenfische – viele Tiere, die sich an etwas dranhaften, sind mit ähnlichen Strukturen ausgestattet“, erklärt Wencke Krings. Bei den Welsen sind diese auch von einem Schleim umgeben, der vermutlich zusätzlich zum Unterdruck Haftung verleiht. Vier unterschiedliche Ausprägungen dieser Papillen konnten die Forschenden bei den untersuchten Tieren finden. Die jeweiligen Spitzen dieser Papillen sind noch diverser – hier konnte das Team acht verschiedene Variationen beobachten, die sich an den bereits bekannten Haftstrukturen orientieren. Prof. Stanislav Gorb von der Universität Kiel ist Experte für biologische Haftstrukturen und erklärte die funktionelle Passung der Papillen der Welse an entsprechende Substratoberflächen in der Natur.
Unterstützung durch Schneckenforscher
Verstärkung aus dem LIB bekam Wencke Krings bei der Erforschung der Saugmäuler von Prof. Bernhard Hausdorf, dem Leiter der Sektion Weichtiere am Museum der Natur Hamburg. Beide sind eigentlich auf Schnecken spezialisiert, forschen aber an diesem Projekt nicht gänzlich auf fremdem Terrain: Denn wie immer steht die Evolution der Tiere im Zentrum ihrer Forschung. Hausdorf übernahm bei diesem Projekt die Rekonstruktion der Evolution der Haftstrukturen in der Stammesgeschichte. „Die Verteilung der Haftstrukturen über den Stammbaum zeigt, dass die verschiedenen Haftstrukturen mehrfach unabhängig entstanden sind. Möglicherweise haben ähnliche Selektionsfaktoren wie die Beschaffenheit des Substrates, an dem die Tiere haften, zu einer parallelen Entwicklung ähnlicher Strukturen geführt“, fügt Hausdorf hinzu.
Die Studie bietet Raum für zahlreiche neue Ansätze: Was können die Tiere noch mit den Mäulern, außer sich anzusaugen? Welches Maul ist für welchen Lebensraum besonders geeignet? Wie gehen die sehr gebietstreuen Tiere mit dem Wandel ihrer Ökosysteme um? Fragen, auf die künftige Studien von Kolleginnen sowie Kollegen Antworten finden könnten.
-Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels-
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