(Eine Geschichte, so wahr, dass es immer noch weh tut. Vom 4.1.2018)
Ganz anders als sonst sollte es werden. Bootsangeln mit Stephan ist spannend. Aber immer gleich. Immer gleich ist langweilig. Darum anders! Posen angelnd vom Boot aus. An Stellen, die vom Ufer unerreichbar sind.
Probleme durch Sturm, Hochwasser, harte Strömung, Wassertrübung wie purer Lehm und jede Menge Treibgut? Sind dazu da, um gelöst zu werden.
Erster Halt. Ein winziger Einlauf zu einem Kanuhafen. Für Uferangler 500m Fußweg. Wer läuft das schon? Also los! Stellen ohne Biss sind fest einkalkuliert. Hier geht die Kalkulation auf.
Deshalb geht’s weiter. Eine Runde „Naturködervertikalen“ an einem Wehr. Zwecklos. Die Pumpen laufen auf Stufe „Sturmflut“. Lange Strecken folgen. Fünf Kilometer am Stück. Ohne Besonderheiten. Wir eiern durch und suchen nach Stellen. Verfallen in eine leichte Monotonie. „Vielleicht zwischendurch mal angeln?“, fällt uns im nächsten Ort ein.
Doch die Strömung brodelt immer noch auf „Niagara“. Posen ablegen? Ja, sicher, in den Bäumen finden sie sicheren Halt vor der Strömung, beweist ein gekonnter Wurf von mir. „Mist, Baum nicht gesehen!“ raune ich. „Das Ufer hast du aber schon gesehen?“ antwortet aus dem Off ein Fliesenleger, den niemand nach einem Kommentar gefragt hat.
Nächstes Ziel. Ein Dreisprung. Zeit für Brot. Brotzeit. Aber keine Beißzeit. Fortsetzung des Tagesplans. 13,5 km hat der Rundkurs bis zurück zur Trailerstelle. 7km liegen noch vor uns. Auf dem Weg dahin schöne ruhige Ecken abfischen. Doch schöne ruhige Ecken bringen auch keine Bisse. Was ist los? Schmecken Stinte mit Lehmflavour nicht?
Die nächste Posenverankerungsmöglichkeit empfängt uns. Dumm, dass sie quer im Wasser liegt und den Kanal zu einer der Straßen macht, die nach mir benannt sind: Sackgasse! Der Sturm stellte viele Bäume am aufgeweichten Ufer auf die Probe. Dieser war durchgefallen. Undurchdringliches Geäst grinst uns hämisch an. Rücktour? Der gleiche Rotz noch einmal? So schnell nicht! Echte Männer stellen sich der Herausforderung. Stephan hält auf den Baum zu. stößt ins Astwerk vor. Ich halte die Kiste gegen die Strömung. Er den Motor. Der muss hoch. 76 kg. Dann zerren wir uns durchs Geäst wie am Amazonas. Geschafft. Was für ein Gefühl. Wie Gipfelstürmer. Was sind wir für Helden. Die letzten ihrer Art.
Eine schöne Brücke unterqueren wir. Die reißende Strömung lässt uns weiterfahren. Der Spot wäre toll zum Uferangeln. Muss man sich merken. Wie heißt das Kaff? Zerknittersum? Der Name entfällt uns.
Zweidrittel der Strecke sind geschafft. 6 km/h Tempolimit erfordern rein rechnerisch zwei Stunden. Ohne Angelstopps. Wir befischen einen entlegenen Dreisprung. Eine ruhige Ecke, die der Strömung Paroli bietet. Hier muss was gehen. Geht aber nicht. Stephan setzt uns erneut in Marsch. „Hihi, wie wärn das, wenn kurz vor Rundkursende n weiterer Baum im Wasser liegt!“ unkt der Steuermann glucksend. Rasend komisch. Wir sind ja gleich da. Schneider. Heute geht eben nichts. Also nichts wie nach Hause und intravenös einen heißen Kaffee.
Majestätisch umrundet das Kreuzfahrtschiff die letzte Kurve. Da liegt er ebenso majestätisch vor uns. Der nächste Kandidat, der die Windprobe nicht bestanden hat. Deutlich massiver. Nur wenige Hundert Meter vor der Slippe. Ach was, wir hangeln uns wieder durch. Doch das Geäst ist undurchdringlich. Keine Chance. Gut, dann eben über den Stamm. „Mein Boot hat wenig Tiefgang!“, fachmännelt Käptn Fliesenkleber. Wir sitzen auf. Geäst und die fehlende Handbreit Wasser unterm Kiel verhindern Bootsfahrten auf Baumrinde.
Ich steige aus. Erklimme die Baumwurzel. Liege im Dreck wie ein Pavian. Hinter mir kichert der Fliesennavigator. Ich zerre vom Ufer. Zwecklos. Ende der Lustigen Seefahrt. Stephan zerrt auch. Steigt auf den Baum. Da ist aber nur eine Handbreit Rinde unter dem Kiel! Keine Chance, den Vierteltonner von Hand zu wuchten. Rücktour. Dreizehn Kilometer. Komplett zurück. Mit unwesentlich überschrittener Maximalgeschwindigkeit. Die ernüchternde Ankunft offenbart: Der Baum liegt exakt 150m von der Trailereinfahrt. Ein Blick am Morgen nach links hätte gereicht. Ich habe ihn sogar gemacht. Durch meine rosa Journalistenbrille, beim Schießen des Profilfotos fürs Käptns Dinner. Der Baum über der Kapitänsmütze schwebend glänzend erkennbar.
Der Fliesenheinrich wäscht mir mit einem gehörigen Anschiss den haarlosen Kopf. Was hat der Kerl denn? Ziel ist doch erreicht: „Ganz anders als sonst!“
Matze Koch