Heute ist Weltfrauentag! Während Frauen und Mädchen auf dem Arbeitsmarkt leider noch immer für faire Behandlung streiten müssen, haben sie sich als Anglerinnen zwar längst Gleichberechtigung erkämpft, fischen aber oft unter dem Radar.
England ist das Mutterland fast aller sportlichen Betätigung. Und so ist es auch kein Wunder, dass eine der frühsten Angelexpertinnen von den Britischen Inseln stammt. Die Nonne Juliana Berners (1388–1460) war nämlich Autorin des ersten englischsprachigen Buches über das Angeln überhaupt. Obwohl sie früh ins Kloster eingetreten war, gab sie ihre Leidenschaft für die Jagd und das Angeln nie auf. Wann sie ihre berühmte Schrift „Treatyse of fysshynge wyth an Angle“ (Abhandlung über das Fischen mit der Angel) zu Papier brachte, ist unklar, denn das Werk wurde erst 28 Jahre nach ihrem Tode publiziert und zählt damit zu den frühesten gedruckten Büchern über das Angeln überhaupt. Die Schrift erlebte im 16. Jahrhundert zahlreiche Auflagen, was auch daran lag, dass sich seine Autorin neben der Kunst des Fliegenfischens vor allem mit der Lebensweise unterschiedlicher Fischarten auseinandergesetzt hatte, ihre Standplätze zu nennen wusste, die besten Jahres- und Tageszeiten zum Fischfang angeben konnte, Anleitungen zum Bau von Angelruten gab, erläuterte, wie man Haken schärfte und Angelschnüre knüpfte sowie Bindeanleitungen für ein Dutzend Fliegen beschrieb, von denen die Mai- und die Steinfliege zu wahren Klassikern wurden, die noch in den Schachteln unzähliger Angler zu finden sind.
Amerikanischer Angelboom
Es versteht sich von selbst, dass eine Frau wie Juliana Berners in der spätmittelalterlichen Welt eine Ausnahmeerscheinung war. Ganz anders sah es rund 400 Jahre später in der Neuen Welt aus, denn auf dem nordamerikanischen Kontinent standen die Jagd und Fischerei allen Menschen offen, sodass in den ersten zwei Jahrhunderten der weißen Besiedlung Amerikas viele Frauen mittels der Angelrute für Abwechslung im Speiseplan sorgten. Manche Frauen und Mädchen waren beim Fischen geschickter als Männer, was dazu beitrug, dass in den frisch gegründeten USA das Angeln und Jagen keine rein männliche Beschäftigung war. Der enorme Fisch- und Wildreichtum des Kontinents ließ das Angeln in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem kulturellen Gemeingut der amerikanischen Bevölkerung werden, sodass sich gemeinsam mit der Jagd und dem Campen eine Outdoor-Kultur entwickelte, die um 1900 zu einer Campingindustrie heranwuchs, welche recht bald ihre eigenen Zeitschriften und Organe besaß, wie z. B. das 1895 aus der Taufe gehobene Magazin „Field and Stream”, das von Beginn an nicht nur Anglerinnen auf seinen Covers zeigte, sondern sie auch zur Feder greifen ließ.
Die berühmteste dieser Schreiberinnen war Cornelia Crosby (1854–1946), die zu den besten Fliegenfischern ihrer Zeit zählte und 1897 die erste Angel- und Jagd-Guiding-Lizenz erhielt, die je vom Bundesstaat Maine ausgestellt wurde. Zu ihren berühmten Guiding-Kunden zählten neben Stars und Sternchen des Broadway auch Politiker wie der spätere US-Präsident Theodore Roosevelt. Cornelia Crosby ging nicht nur als erste(r) Guide in die Geschichte ein, sondern tat mit angeblich mehr als 200 an einem Tag gefangener Forellen auch sehr viel für die Tradition des Anglerlateins. Auf den von ihr geebneten Pfaden wanderte auch ihre Landsmännin Helen Lerner(1902–1979), die als erste Frau mindestens einen schwerttragenden Fisch in jedem Weltmeer gefangen sowie viele lokale Rekordthune eigenhändig und ohne männliche Unterstützung ausgedrillt hatte.
Und in Deutschland?
Anglerinnen sind auch an den Ufern unserer Seen, Bäche und Flüsse mittlerweile keine Ausnahmen mehr. Trotzdem treten sie in der Öffentlichkeit selten in Erscheinung. Will man von einigen YouTuberinnen und den gelegentlichen Fernsehauftritten von Anglerinnen absehen, so bleibt noch etwas Luft nach oben. Wäre dies aus weiblicher Sicht anders, so hätte Eva Eckinger ihrem 2019 erschiene Buch nicht den Titel „Warum Frauen angeln sollten“ geben müssen.
Dr. Markus Bötefür