Dank des Hinweises von Jens Friedrich konnte ich eine weitere ungemarkte Multirolle erwerben, wie sie von Flechsenberger mit der Otter-Marke vertrieben wurde.
Erst kürzlich hatte ich von einem auf der Hildebrandt-Auktion aufgetauchten Exemplar berichtet. Wie immer ist bei solchen frühen Rollen fraglich, ob der Coburger Hersteller diese technisch hochwertigen Multirollen selbst gebaut oder von einer größeren Firma, etwa aus den USA, zugekauft hat.
Die neuerliche Multirolle nach Flechsenberger-Bauart konnte ich auf ebay in Frankreich erwerben. Der Verkäufer hatte als Hersteller „Manufrance“ angegeben. Vielleicht, weil er zeitgleich auch einen alten Katalog dieser Firma im Angebot hatte. Ansonsten war der Verkäufer eigentlich eher Antiquitätenhändler, aber mit einigen alten Angelgeräten im Shop. Kann man auf seine Expertise bauen? Ich habe den Hinweis Manufrance einmal näher verfolgt.
Wissenswertes über Manufrance
Die Firma Manufrance (Manufacture française d’armes et cycles de Saint-Étienne/ Französische Waffen- und Fahrradfabrik in Saint-Étienne) wurde 1887 gegründet. Sie entwickelte sich schnell zu einem sehr großen Versandhändler für Jagdwaffen, Outdoor-Zubehör, Militärausrüstung, Fahrräder, Küchenartikel und Nähmaschinen. Ab 1893 wurden auch Angelgeräte verkauft.
Online habe ich verschiedene Manufrance-Kataloge (1912, 1914 noch 1920) nach Multirollen durchgesehen. Viele Rollen sind zugekaufte Modelle von den einschlägigen amerikanischen Herstellern (Hendryx, Meisselbach usw.), auch die Ruten stammen meist aus England und den USA. In den Katalogen konnte ich ziemlich ähnliche Multirollen entdecken, das Modell „L’Ingenieux („Die Geniale“) kommt den Flechsenberger-Rollen am nächsten. Die gefurchte Achslagerung für die Kurbel und auch das gefurchte Kontergewicht gleichen der Rolle, die ich bei Hildebrandt’s erwerben konnte. Der Kurbelknauf hat aber eine ganz andere Form. Auch der Rest der Rolle sieht etwas anders aus. Ich beitze aber zwei Flechsenberger-Multirollen mit ausgestellten Stegen wie in der Abbildung, diese Rollen haben aber eine andere Kurbel. Es gab da über die Jahre anscheinend sehr viele kleine Modellabweichungen. Überhaupt ist die Identifizierung per Katalog sehr schwierig bis unmöglich, da dort nur die Rollenfront abgebildet ist. Zudem sahen damals alle amerikanischen Multirollen ziemlich ähnlich aus.
Später kamen bei Manufrance vor allem französischen Modelle ins Programm. Manufrance führte dann eine eigene Multirollenserie, diese war mit „Ferax St.-Etienne“ gemarkt. Diese sahen aber deutlich anders als die Flechsenberger-Multis aus.
Denkbar wäre, dass Flechsenberger und Manufrance diese Multirollen zugekauft haben, wahrscheinlich in den USA. Dass Flechsenberger diese Rollen in Frankreich oder Manufrance diese Rollen bei Flechsenberger bezogen hat, ist für die Zeit um den 1. Weltkrieg schwer vorstellbar, aber möglich. Die ganze Sache bleibt also weiterhin ein Rätsel…
Infos, Fragen und Anregungen bitte an thoms.kalweit@paulparey.de