Der Communicator-Preis wird jährlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft verliehen. Er ist mit 50.000 Euro dotiert und soll den Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit stärken.
Professor Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Humboldt-Universität zu Berlin erhält den Preis 2020 für seine herausragende Kommunikation zu einer nachhaltigen Fischerei im Spannungsfeld zwischen Gewässernutzung und dem Erhalt der biologischen Vielfalt unter Wasser.
2020 ist ein 20-jähriges Jubiläum – für den Communicator-Preis und für den diesjährigen Preisträger. Seit Beginn seiner Promotion im Jahr 2000 erforscht der Sozialökologe und Fischereiwissenschaftler Robert Arlinghaus (44) die sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekte einer nachhaltigen Fischerei. Schon als Fünfjährigen zog es ihn mit der Angel ans Mittelmeer, heute ist das Freizeitangeln sein Forschungsgegenstand. Die Fischerei kennzeichnet enge und dynamische Mensch-Umwelt-Beziehungen – und diese gilt es nachhaltig zu entwickeln.
Die Forschung von Robert Arlinghaus und seinem Team hilft, Gewässer naturnah zu erhalten, die Versorgung mit Fisch als Nahrungsmittel sicherzustellen, das Erholungserlebnis am Wasser beim Angeln zu verbessern und die Fischpopulationen zu schützen. Letzteres ist angesichts des grassierenden Artensterbens in Binnengewässern ein wichtiges Gesellschaftsziel. „Es gelingt ihm, ein scheinbares Spezialthema wie das Angeln mit den gesellschaftlich relevanten Fragen der Nachhaltigkeit, des Umweltschutzes und des verantwortlichen Umgangs mit der Natur zu verknüpfen“, so die Anerkennung durch die Jury des Communicator-Preises.
Angeln ist ein wichtiger Teil der Fischerei, kein Nischenhobby
Bereits die ersten wissenschaftlichen Erkenntnisse von Robert Arlinghaus haben die Sicht auf das vermeintliche Nischenhobby Angeln auf den Kopf gestellt: Die Freizeitfischerei ist die wichtigste Fischereiform in Binnengewässern aller Industrienationen. Insgesamt angeln in Deutschland rund 3,3 Millionen Menschen, die etwa zehn Mal mehr Fisch aus den Gewässern entnehmen als die kommerzielle Seen- und Flussfischerei. Volkswirtschaftlich ist die Angelfischerei mindestens so bedeutend wie die gesamte sonstige Fischwirtschaft – die industrielle Fangfischerei und Fischverarbeitung und -vermarktung mit eingeschlossen. 52.000 Arbeitsplätze sichert das Freizeitangeln. Wo viele Menschen auf Gewässer einwirken, sind Effekte auf Fischarten und Ökosysteme nicht ausgeschlossen. Anderseits engagieren sich die etwa 10.000 Angelvereine aktiv im Gewässer- und Fischartenschutz. Wie kann dieses Engagement optimiert werden? Genau darauf finden Robert Arlinghaus und sein Team wissenschaftsbasiert Antworten und vermitteln diese effektiv an Gewässerbewirtschafter*innen, Naturschützer*innen, Fischereipolitiker*innen und auch an Angler*innen.
Forschung an der Schnittstelle von Natur- und Sozialwissenschaften und Transfer in die Gesellschaft
Mit naturwissenschaftlichen Methoden untersuchen Robert Arlinghaus und sein Team die ökologischen Wirkungen der Angelfischerei auf Fischbestände und Gewässer. Sozial- und wirtschaftswissenschaftlich beschäftigt sich die Gruppe mit der Anglerpsychologie, dem Verhalten von Bewirtschafter*innen und Fischer*innen, der Perspektive der Gesellschaft auf die Fischerei und ethischen Fragen. Die Projekte von Robert Arlinghaus sind immer praxisnah und im besten Sinne transdisziplinär: Von der Entwicklung des Forschungskonzepts über die Durchführung bis hin zur Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse werden Nutzer*innen und politische Entscheidungsträger*innen in die Forschung eingebunden. „Vom Umgang der Angler*innen mit den Gewässern können wir sehr viel darüber lernen, wie Menschen insgesamt mit Natur und Umwelt umgehen“, meint der Preisträger und ergänzt „Angler*innen und ihre Gewässer sind ein gutes Beispiel für eng gekoppelte sozialökologische Systeme – das macht das Ganze auch wissenschaftlich spannend und ein Beitrag für die Nachhaltigkeitswissenschaften.“
Vielfältige Wissenschaftskommunikation
Für seine Vermittlung nutzt Robert Arlinghaus vielfältige Formate der modernen Wissenschaftskommunikation: Soziale Medien, Podcasts, Comics, Erklärfilme, Science Slams, Kolumnen, umfangreiche Vortragstourneen und gemeinsame Experimente mit Angelvereinen.
Dieses Engagement auf Augenhöhe würdigt auch die Jury in ihrer Begründung: „Der diesjährige Communicator-Preisträger schafft Räume für persönliches Erleben und erreicht mit diesem Ansatz eine hohe Akzeptanz und Vertrauen in die Forschung und ihre Ergebnisse. Zudem gelingt es ihm, sein Forschungsthema Angelfischen immer wieder in größere sozioökologische Zusammenhänge einzubetten. Nicht zuletzt schafft er es durch gezielte Ansprache politischer Entscheidungsträger auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene die Richtlinienentwicklung für nachhaltige Fischerei wissenschaftsgeleitet zu begleiten.“
Robert Arlinghaus ist erfreut über diese Würdigung: „Der Communicator-Preis ist eine große Anerkennung unserer langjährigen Bemühungen in der Wissenschaftskommunikation. Neben der Communicator-Jury gilt mein ganz besonderer Dank meinem Team am IGB und der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Senatskanzlei Wissenschaft und Forschung Berlin und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung mit dem Schwerpunkt Sozial-ökologische Forschung. Ohne sie wären die Arbeit und – im doppelten Sinne – der Preis dafür nicht möglich gewesen. Gute Wissenschaftskommunikation erfordert zeitliche und finanzielle Ressourcen und ein hochmotiviertes Team. Ich bin privilegiert und dankbar, dass in unserer Arbeitsgruppe all dies gewährleistet ist und gelebt wird. Ich bin stolz auf mein Team!“
Glückwünsche vom Direktor des IGB, der Präsidentin der Humboldt-Universität und dem Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft
Der Direktor des IGB, Professor Luc De Meester, schätzt den Einsatz von Robert Arlinghaus: „Süßwasser-Ökosysteme sind für die Gesellschaft essentiell und werden in hohem Maße als Ressource genutzt. Eine nachhaltige Bewirtschaftung ist daher von zentraler Bedeutung. Diese kann nur erreicht werden, wenn der menschliche Faktor berücksichtigt wird und wenn zuverlässige Daten über die Ökosysteme, ihre Nutzung und die Perspektive der Menschen, die sie nutzen, zur Verfügung stehen. Robert Arlinghaus schafft diesen Spagat mit großem persönlichen Engagement und hoher Professionalität. Mit seiner Forschung und seiner Vermittlung gelingt es ihm, die richtige Balance zwischen dem Schutz und der Nutzung von Gewässern zu finden. Er schafft es, Herausforderungen in Chancen zu verwandeln. Seine Arbeit hat nicht nur Bewirtschaftungsentscheidungen in Angelvereinen und -verbänden verändert, sondern auch Neuerungen der Fischereigesetzgebung und den gesellschaftlichen Diskurs über die Binnen- und Angelfischerei mitgestaltet. Wir vom IGB sind sehr stolz darauf, dass Robert Arlinghaus dafür diese hohe Anerkennung erfährt“.
Robert Arlinghaus ist über eine gemeinsame Berufung mit dem IGB auch Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er das Fachgebiet für Integratives Fischereimanagement im Albrecht-Daniel-Thaer Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften an der Lebenswissenschaftlichen Fakultät leitet. Er bildet in einem in Deutschland einzigartigen Studiengang für Fischereibiologie und Aquakultur die Fischereimanager*innen von morgen aus. Der Gewässerforscher ist selbst Absolvent dieses Studiengangs.
Die Präsidentin der Humboldt-Universität Prof. Dr.-Ing. Dr. Sabine Kunst sagt: „Der Humboldt-Universität zu Berlin ist es schon immer ein zentrales Anliegen, der Gesellschaft exzellente Forschung zu vermitteln. Viele unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler engagieren sich in dieser Hinsicht in einzigartiger Weise. Einer von ihnen ist Robert Arlinghaus. Er kümmert sich um Themen wie Fischereimanagement, Angelfischerei, Fischartenvielfalt und Gewässerschutz. Für die Medien ist er ,Fischversteher‘ und ,Angelprofessor‘, für die HU ist er ein herausragender Forscher, der mit seiner inter- und transdisziplinären Arbeit eine Inspiration für viele Nachhaltigkeitsforscherinnen und -forscher an der HU ist. Wir freuen uns sehr, dass Herr Arlinghaus diesen im deutschen Wissenschaftsbetrieb so wichtigen Preis bekommt.“
Im Namen der Leibniz-Gemeinschaft gratuliert deren Präsident Prof. Dr.-Ing. Matthias Kleiner: „Robert Arlinghaus ist wissenschaftlich und kommunikativ Pionier und Botschafter des Angelns. Seit nunmehr 20 Jahren widmet er sich am Leibniz-IGB diesem Thema, dessen gesellschaftliche Relevanz den Wenigsten auf den ersten Blick ersichtlich sein dürfte. Sowohl in die breite Gesellschaft wie auch in die Angler-Community hinein versteht er es, seine Erkenntnisse zielgerichtet zu vermitteln: sei es die wirtschaftliche Bedeutung des Angelns im Fischereisektor, seien es neue Befunde zu ökologischen oder evolutionären Einflüssen, die zum Teil lange gehegte Annahmen relativiert haben. Dem Selbstverständnis der Leibniz-Gemeinschaft folgend, verbindet Robert Arlinghaus international anerkannte Forschungsleistung mit geschickter Vermittlungskompetenz in die Gesellschaft hinein und ist ein würdiger Träger des Communicator-Preises.“
Kurzvita Robert Arlinghaus
Aufgewachsen in einer Kleinstadt im Südoldenburger Münsterland studierte Robert Arlinghaus zunächst Umwelttechnik und später Agrar- und Fischereiwissenschaften an der Technischen Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Diplomarbeit und seine Dissertation am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) wurden mehrfach ausgezeichnet. Nach Forschungsaufenthalten in Österreich und Kanada wurde Robert Arlinghaus 2006 auf eine Juniorprofessur für Binnenfischerei-Management an die Humboldt-Universität zu Berlin berufen. 2013 erfolgte der Ruf auf die Professur für Integratives Fischereimanagement an der Humboldt-Universität zu Berlin in gemeinsamer Berufung mit dem IGB, die er heute noch innehat.
Der 44 jährige ist Herausgeber der führenden Fachzeitschrift für Fischereiwissenschaften – Fish and Fisheries – und hat in seiner 20-jährigen Wissenschaftskarriere bereits 550 Publikationen zur Nachhaltigkeit der Angelfischerei veröffentlicht, darunter rund 250 Fachaufsätze in Zeitschriften mit Peer-Review Verfahren und mehrere Monographien, u.a. das leider vergriffene Buch „Der unterschätzte Angler“ (Kosmos).
Bereits 2004 erhielt Robert Arlinghaus mit dem Bscher-Medienpreis der Humboldt-Universitätsgesellschaft seinen ersten Preis für Wissenschaftskommunikation, 2018 folgte ein weiterer durch die Amerikanische Fischereigesellschaft. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten erhielt er mehrere renommierte Preise, zuletzt 2016 den Cultura Preis für herausragende Beiträge zur Nachhaltigkeit der Landnutzung. Robert Arlinghaus ist Vater von zwei Kindern (7 und 5 Jahre) und lebt mit seiner Familie in Karlshorst in Berlin. In seiner Freizeit geht er überwiegend – Angeln.
Information zur Arbeitsgruppe um Robert Arlinghaus: www.ifishman.de
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